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Noch Premier und aller Voraussicht nach bald Präsident der Türkei: Recep Tayyip Erdogan.

© AFP

Präsidentenwahl in der Türkei: Erdogan will noch mehr Macht - er wird sich wundern

Recep Tayyip Erdogan ist am Sonntag klarer Favorit bei der Präsidentschaftswahl in der Türkei. Sein Ziel: noch mehr Kontrolle in der Innen- wie Außenpolitik. Doch das wird gar nicht so einfach. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Thomas Seibert

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan will als Präsident noch mehr Macht an sich ziehen und noch mehr Dinge in der Türkei und in der Außenpolitik kontrollieren. Doch es ist fraglich, ob das gelingen kann. Erdogan wird als Präsident an seine Grenzen stoßen.

Die Präsidentenwahl an diesem Sonntag ist ein Wendepunkt für die Türkei, nicht nur, weil über die Karriere des 60-jährigen Erdogan entschieden wird, des erfolgreichsten Politikers der Türkei seit einem halben Jahrhundert.

Alle Umfragen sagen einen Sieg Erdogans voraus; Debatten gibt es zwar über die Frage, ob er gleich im ersten Anlauf Präsident wird, oder ob er am 24. August in eine Stichwahl muss. Aber die meisten Beobachter sind sich einig, dass der neue Staatschef des Landes Ende des Monats Recep Tayyip Erdogan heißen wird.

Für die Gegner des islamisch-konservativen Politikers ist das eine Horrorvorstellung. Ein Teil der Befürchtungen gründet auf der Angst vor einer Umwandlung der türkischen Republik in einen islamischen Staat. Ein solcher Plan wurde Erdogan in den vergangenen zehn Jahren immer wieder unterstellt, doch mittlerweile werden diese Sorgen von neuen Ängsten verstärkt: den vor einem autoritären Staat, in dem der Rechtsstaat, die freie Presse und die freie Zivilgesellschaft geknebelt sind und in dem alle Macht auf einen einzigen Mann konzentriert wird.

Erdogan weist beide Vorwürfe von sich. Er wirbt für die Umstellung von einem parlamentarischen zu einem präsidentiellen System, das nach Ansicht effizienter ist und besser zu einem entwickelten Land passt – besonders natürlich, wenn er selbst der Präsident ist.

Unabhängig vom Wahlergebnis wird die Direktwahl des Präsidenten der Türkei ab Sonntagabend ein De-Facto-Präsidialsystem bringen, in denen Regierung und Parlament weniger wichtig sind als bisher. Die derzeitige Verfassung setzt dem Präsidenten allerdings Grenzen. Erdogan will sie deshalb so schnell wie möglich ändern lassen, doch im Moment fehlen ihm die Mehrheiten dafür.

Selbst bei einem Wahlsieg am Sonntag wird Erdogan seine Ziele nicht automatisch erreichen. In seiner Partei AKP machen sich schon jetzt Nachfolgekämpfe bemerkbar, denn Erdogan muss als Präsident den Parteivorsitz abgeben. Es ist schwer vorstellbar, dass die AKP ohne Erdogan als Wahlkämpfer noch einmal an ein Wahlergebnis wie im Jahr 2011 herankommen kann, als sie fast 50 Prozent der Stimmen erhielt.

In der Außenpolitik hat Erdogan so viele Partner und Nachbarn vor den Kopf gestoßen, dass es nicht leicht für ihn sein wird, den ehrgeizigen Plan von der Türkei als entscheidender Regionalmacht umzusetzen. Zudem gibt es Anzeichen für eine Abkühlung der Wirtschaft, was zusätzliche Risiken für für Erdogan bringt, denn der Boom der vergangenen zehn Jahre war die Basis für seine Erfolge. Der starke Mann vom Bosporus könnte nach einem Wahlsieg entdecken, dass vieles nicht so einfach zu bewerkstelligen sein wird, wie er sich das vorstellt.

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