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Flüchtlinge ohne Obdach: Libyer sitzen in Hamburg auf der Straße

In Hamburg leben 300 Flüchtlinge aus Libyen auf der Straße. Sie kommen aus Italien. Die Hansestadt sieht sich nicht zuständig. Wie geht es mit den Asylbewerbern weiter?

In Hamburg campieren derzeit rund 300 aus Libyen kommende Afrikaner unterschiedlicher Nationalität auf offener Straße. Sie haben gültige Reisepapiere aus Italien. Bis zum 15. April hatte die Stadt Hamburg sie im Rahmen des städtischen Winternotprogramms für Obdachlose einquartiert, doch dieses Projekt lief aus. Seitdem sind die Libyen-Flüchtlinge trotz gültiger Aufenthaltspapiere wieder sich selbst überlassen. Nach Wochen auf der Straße bereiten die Flüchtlinge nach Angaben des Hamburger Flüchtlingsrats jetzt eine Klage gegen die Stadt Hamburg wegen unterlassener Hilfeleistung vor. „Die Stadt Hamburg lässt die Leute auf der Straße leben, das ist unverantwortlich“, sagt Hermann Hardt vom Flüchtlingsrat Hamburg.

Die Stadt sieht dagegen einzig Italien in der Pflicht. Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) hat allen Flüchtlingen angeboten, die Kosten für eine Rückreisefahrkarte nach Italien zu bezahlen. Die italienische Regierung hat nach Angaben des Bundesinnenministeriums nun angeboten, die Flüchtlinge wieder aufzunehmen, wenn ihre dreimonatigen Aufenthaltstitel abgelaufen sind. Die meisten der Titel seien Ende Februar oder Anfang März ausgestellt worden. Das Ministerium forderte die Landesbehörden in Hamburg auf, nun die nötigen Maßnahmen für die Rückkehr der Flüchtlinge nach Italien zu ergreifen. Der Flüchtlingsrat der Stadt Hamburg sieht diese Rücknahme sehr kritisch. „Die Unterbringung in Italien ist nicht geklärt“, sagt Hermann Hardt. „Die Flüchtlinge leben hier in Hamburg auf der Straße und werden in Italien weiter auf der Straße leben müssen.“

Italien hat ein Flüchtlingsproblem. Die Distanz zwischen der tunesischen Küste und der südlichsten Spitze des Landes, der Insel Lampedusa, beträgt keine 120 Kilometer. So nehmen viele Schleuserboote, die afrikanische Flüchtlinge nach Europa transportieren, Kurs auf Italien. Mehr als 50 000 Migranten erreichten im vergangenen Jahr die kleine Insel im Mittelmeer. Früher wurden die illegalen Einwanderer, die auf Lampedusa festgenommen wurden, auch auf der Insel untergebracht. Die Lager sind aber schon längst überfüllt. Seit zwei Jahren werden sie direkt nach Sizilien oder Apulien verschifft. Hier werden sie in Aufnahmezentren für Asylbewerber aufgenommen und registriert.

Zwei Monate bleiben sie im Durchschnitt in den Aufnahmezentren, während ihre Asylanträge bearbeitet werden. Wenn sie aus Krisenländern wie Somalia, Eritrea, dem Sudan oder Libyen kommen, haben sie gute Chancen, eine dreijährige Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten. Sobald diese ausgestellt ist, werden sie umgehend vor die Tür gesetzt. Denn laut europäischem Flüchtlingsrecht haben nur Asylbewerber ein Recht auf Grundversorgung. Wenn man aber als schutzbedürftiger Flüchtling anerkannt wird, ist der Staat nicht mehr gezwungen, Hilfe zu leisten.

Nach dem italienischen Gesetz dürfen die Flüchtlinge dann arbeiten und frei durch das Land reisen. Da es in Italien aber keine Grundsicherung für Arbeitssuchende gibt, sind die Migranten komplett auf sich selbst angewiesen. Ihre Chancen, eine Arbeit zu finden, sind äußerst gering. Denn sie kennen weder die Sprache noch das Land. Außerdem befinden sie sich im tiefsten Süden des Landes, wo die Arbeitslosigkeit 30 Prozent beträgt.

Zwar stellt das sogenannte SPRAR- Netzwerk (Schutzsystem für Asylbewerber und Flüchtlinge) etwa 3000 Schlafplätze. Es gibt allerdings mindestens zehn Mal so viele Asylanträge. Deshalb wird den Flüchtlingen von den Mitarbeitern des italienischen Migrationsamts geraten, nach Norden zu fahren: nach Rom oder Mailand. Oder noch besser ins Ausland. Viele Flüchtlinge zieht es nach Rom, wo es mehrere Suppenküchen und temporäre Unterbringungsmöglichkeiten gibt.

Als der Arabische Frühling vor ungefähr zwei Jahren eine große Migrationswelle aus Nordafrika verursachte, stürzte das Aufnahmesystem noch tiefer ins Chaos. Unter hohem Druck aktivierte die Regierung hastig einen „Notfallplan für Nordafrika“, um in kürzester Zeit so viele Flüchtlinge wie möglich unterzubringen.

Öffentliche Gebäude, Hotels und Bauernhöfe wurden in Aufnahmelager umgewandelt. Bis 46 Euro pro Tag gab die Regierung für jeden Flüchtling aus. Etwa 62 000 Menschen wurden in den improvisierten Aufnahmezentren untergebracht. Als dem Notfallplan im Dezember 2012 das Geld ausging, hatte die Regierung 1,3 Milliarden darin investiert. Fünf Prozent davon kamen von der EU, der Rest aus den angeschlagenen Staatskassen. Das Geld ging zum Großteil an die Immobilieneigentümer und Hoteliers, die die Aufnahmestrukturen zur Verfügung gestellt hatten. Einen neuen Plan für den Umgang mit Flüchtlingen gibt es nicht.

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