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Lieblingsfarbe Rot: Ein Teilnehmer der Gedenkveranstaltung legt am Sonntag eine Nelke für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht nieder.

© Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Update

Sozialistenfriedhof in Berlin-Friedrichsfelde: Tausende gedenken Liebknechts und Luxemburgs

An diesem Sonntag pilgern wieder Tausende Linke zur Gedenkstätte der Sozialisten in Friedrichsfelde - ein Ritual mit Wurzeln im Jahr 1900. Besondere Vorfälle gibt es bislang laut Polizei bislang nicht.

Bei verhältnismäßig milden Temperaturen von knapp über Null Grad ziehen sie seit dem frühen Sonntagmorgen wieder zu Tausenden zu den Gräbern von Karl Liebknecht Rosa Luxemburg und anderen bedeutenden Sozialisten. Nach Angaben der Polizei verläuft die alljährlich stattfindende Veranstaltung an der „Gedenkstätte der Sozialisten“ auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde bislang ruhig und ohne besondere Vorkommnisse. Im Laufe des Tages sind zahlreiche weitere Demonstrationen und Gedenkveranstaltungen geplant. Die Anfänge des Rituals lassen sich auf das Jahr 1900 zurückführen. Sie sind eng mit dem Namen Liebknecht verbunden - auch wenn der damals nicht Karl hieß.

Stundenlang zog am 12. August 1900 der Trauerzug mit dem Sarg des Sozialdemokraten über die Straßen, von der Charlottenburger Kantstraße, wo Wilhelm Liebknecht gewohnt hatte, bis zum außerhalb der Stadt gelegenen „Städtischen Gemeindefriedhofs für Berlin“ in Friedrichsfelde. Etwa 100 000 bis 150 000 Menschen gaben ihm das letzte Geleit, Unzählige säumten die Straßen.

Man muss bis zu Wilhelm zurückgehen, will man zu den historischen Wurzeln des jährlichen Gedenkens an Karl und Rosa vordringen. Dieser rituellen Erinnerung an die Sozialistenführer und KPD-Gründer Karl Liebknecht, Wilhelms Sohn, und Rosa Luxemburg, beide am 15. Januar 1919 nach Niederschlagung des Spartakus-Aufstands von Freikorps-Offizieren ermordet.

Auch an diesem Sonntag wird ihrer wieder in mehreren Veranstaltungen gedacht, darunter als größter die der Linken, zu der ab 9 Uhr laut Anmeldung bis zu 20.000 Menschen kommen könnten, um in der „Gedenkstätte der Sozialisten“ die Toten mit einem „Stillen Gedenken“ zu ehren. Eine noch immer nicht ganz konfliktfreie Veranstaltung, auch wenn er mit den der Politshow der SED-Führung zu Mauerzeiten nichts mehr gemein hat.

Aber die Bundesstiftung Aufarbeitung forderte die Veranstalter doch vorsorglich auf, den 2006 am Rande aufgestellten Gedenkstein für die Opfer des Stalinismus vor Übergriffen zu schützen. Dort werde man ebenfalls einen Kranz niederlegen, in früheren Jahren seien Kränze aber „immer wieder zertreten und beschädigt worden“.

Mit ihm fing alles an. Das Grab von Wilhelm Liebknecht.
Mit ihm fing alles an. Das Grab von Wilhelm Liebknecht.

© Thilo Rückeis

Die Gedenkstätte kurz hinter dem Eingang des Friedhofs in der Gudrunstraße, 1951 eröffnet, hat eine lange Vorgeschichte. Wegen der vielen Begräbnisse auf Kosten der Stadt galt das 1881eröffnete Areal bald als Armenfriedhof, was sich mit Liebknecht als prominentem Toten, dem weitere Begräbnisse linker Politiker folgten, bald änderte. Friedrichsfelde galt nun als Sozialistenfriedhof, ein Ruf, der sich nach dem Spartakusaufstand festigte.

KPD und USPD wollten Karl Liebknecht und weitere 31 kommunistische Opfer auf dem Friedhof der Märzgefallenen von 1848 in Friedrichshain bestatten, was der Magistrat verwehrte. Sollten sie ihre Toten doch nach Friedrichsfelde schaffen. Dort wies ihnen die Friedhofsverwaltung die hinterste Ecke des Areals zu, wo Ende Januar die 32 Toten und einige Monate später die erst dann gefundene Leiche von Rosa Luxemburg bestattet wurden. Diese Verbannung betraf nur Sozialisten und Kommunisten. Sozialdemokraten fanden auf einer kleinen Erhebung am Eingang ihre letzte Ruhestätte, unter Genossen der „Feldherrenhügel“.

Der junge Mies van der Rohe entwarf das Revolutionsdenkmal

Ein Revolutionsdenkmal musste also zu Ehren der getöteten Spartakisten her, ein besonders vom späteren DDR-Staatspräsidenten Wilhelm Pieck vorangetriebenes Projekt, enthüllt am 13. Juni 1926. Entworfen hatte es der junge Mies van der Rohe, 40 Jahre später Architekt der Neuen Nationalgalerie: ein aus dunklen Klinkern gemauertes Monument mit Sowjetstern und Fahnenstange. Kurz nach Hitlers Machtübernahme wurden hier noch drei junge, von Nazis ermordete Arbeiter begraben, lange sollte das Denkmal da nicht mehr bestehen. 1941 ließen die Nationalsozialisten sogar die Gräber einebnen.

Bereits 1946 begannen erneut Gedenkdemonstrationen für Liebknecht und Luxemburg wie in der Weimarer Zeit. Auch das Monument entstand als Provisorium neu, woran heute eine Gedenktafel von 1983 erinnert. Doch kurz nach der Vereinigung von SPD und KPD in der Sowjetischen Besatzungszone zur SED sprach sich die neue Partei für eine Sozialdemokraten und Kommunisten gemeinsam würdigende Gedenkstätte aus, was noch zu einem Architekturwettbewerb, aber wegen der Teilung der Stadt nicht mehr zum geplanten Ehrenhain führte. Wieder war es Pieck, nunmehr mit Otto Grotewohl SED-Vorsitzender, der gegenüber dem Ost-Berliner Oberbürgermeister Friedrich Ebert auf eine neue, für Massenaufmärsche taugliche Gedenkstätte drängte.

Wilhelm Pieck bestimmte die Liste der zu Ehrenden

Pieck behielt bei der Ausführung des Entwurfs der Architekten Richard Jenner und Hans Mucke und des Gartenarchitekten Reinhold Lingner die Kontrolle über die Liste der zu Ehrenden und Details der Gestaltung. Zur Linken der Ringmauer fanden die Grabsteine der alten Sozialdemokraten Platz, darunter auch das Grabmal Wilhelm Liebknechts. Rechts waren anfangs die Namen von Opfern des Faschismus auf Aluminiumtafeln verzeichnet, der Raum dazwischen war für Ehrengräber vorgesehen – eine Aufteilung, die bei späteren Veränderungen im Prinzip beibehalten wurde. Außerhalb des Rondells folgten 1976 vier ergänzende Mauern, innen war nichts mehr frei.

Auch Walter Ulbrichts Grab gehört zum Herzstück der Anlage

Herzstück der am 14. Januar 1951 eingeweihten Anlage aber waren die um einen Vier-Meter-Stein angeordneten, teilweise eher symbolischen Grabsteine von linken Oberprominenten wie Liebknecht, Luxemburg, Franz Mehring, Rudolf Breitscheid, Ernst Thälmann, später Pieck und noch später Walter Ulbricht, der Mann also, der 1961 mit dem Mauerbau so viel Leid über die Berliner brachte und noch immer seinen Ehrenplatz innehat.

Das stört manchen, so auch Hubertus Knabe, Direktor der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen. Jedem Menschen stehe ein Grab zu, für ein Einebnen spreche er sich selbstverständlich nicht aus, sagt er. Unverständlich sei aber die noch immer bestehende Ehrung des Repräsentanten einer Diktatur an diesem Ort. Schon lange sei er daher dafür, Ulbricht in ein normales Grab umzubetten, mahnte Knabe mit Blick auf das heutige Gedenken.

Oppositionelle protestierten am Ende der rituellen Kampfdemo

Deren Charakter hat sich seit dem Mauerfall grundsätzlich geändert. Zu DDR-Zeiten war das Gedenken eine ritualisierte Selbstinszenierung der SED-Führung, ein Massenaufmarsch nach detailliertem Szenario – ein Trugbild, in dem 1988 erste Risse auftraten, als Oppositionelle am Ende der „Kampfdemonstration“ Transparente entrollten und an Luxemburgs Spruch „Freiheit ist immer nur die Freiheit der Andersdenkenden“ entrollten. Noch konnte der sich regende Widerstand durch Eingreifen der Stasi unterdrückt werden – für knapp zwei Jahre.

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