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Das Gelände eines Bootshauses an der Elbe ist in Mühlberg (Brandenburg) bereits überflutet.

© dpa

Hochwasser in Brandenburg: Einige harren aus in der Geisterstadt Mühlberg

Fast alle Einwohner haben Mühlberg aufgrund des Hochwassers verlassen. Nur einige wenige harren aus und hoffen, dass die Pegel weiter sinken. Ein Besuch in einem verrammelten Ort, der einer Geisterstadt gleicht.

Von Sandra Dassler

Verlassen liegt die Schloßstraße von Mühlberg in der Mittagssonne, die langsam dunklen Gewitterwolken weichen muss. Die Jalousien aller Häuser sind geschlossen, vor den Türen türmen sich Sandsäcke, die Stille in der Geisterstadt wird nur vom Dröhnen eines Hubschraubers unterbrochen, der die Deiche entlang der Elbe abfliegt.

Nur der Pferdefleischer wohnt noch in der Schloßstraße. Peter Christen hat zwar seine Familie vor der drohenden Überflutung in Sicherheit gebracht, er selbst ist aber einer der wenigen Mühlberger, die dem Evakuierungsaufruf nicht gefolgt und in der Stadt geblieben sind. „Ich habe sehr viel Fleisch in meinen Kühlhäusern gelagert“, sagt er: „Wenn die Deiche brechen und das Wasser kommt, würde hier sofort der Strom abgeschaltet werden und alles verderben.“ Deshalb hat sich Christen ein Notstromaggregat besorgt. Immerhin hat er die nach dem Krieg von seinem Großvater gegründete Pferdefleischerei schon über das Jahrhunderthochwasser von 2002, die Flut von 2006, den Tornado 2010 und sogar den Pferdefleischskandal gerettet. Letzterer habe ihm zumindest nicht geschadet, sagt Peter Christen: „Warum auch? Pferdefleisch ist gesund.“ Christen hat keine Angst vor dem Wasser. Sein Haus ist stabil, er wohnt im 2. Stock, bis dahin wird es nicht steigen. Außerdem ist er inzwischen etwas optimistischer. Schließlich fallen die Pegel.

Das hören auch Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck und Innenminister Dietmar Woidke (beide SPD) gern. Sie sind am Samstagnachmittag nach Mühlberg gekommen, leger in Jeans und Hemden, um sich die Lage erklären zu lassen. Hier in Mühlberg selbst sei alles zur Zeit ganz in Ordnung, sagt der Landrat des Landkreises Elbe-Elster, Christian Jaschinsky (CDU). Problematischer sei es ein Stück flussaufwärts zwischen Borschütz und Gaitzsch. Dort drohe der Deich zu brechen, die Bundeswehr hat schon 25 000 Sandsäcke abgeworfen, am Freitag haben Taucher Folie verlegt, an diesem Sonnabend sind bereits wieder 10 000 Tonnen Kies für eine Behelfsstraße angefahren worden.

„Es ist unglaublich toll, wie schnell und reibungslos die 700 Helfer hier in den vergangenen Tagen gearbeitet haben“, lobt der Ministerpräsident, will aber nicht zu früh Entwarnung geben. Auch Innenminister Dietmar Woidke bleibt vorsichtig: „Derzeit sieht es nach etwas Entspannung aus“, sagt er: „Aber das kann sich schnell ändern.“ Immer wieder schauen Politiker und Helfer nach oben. Als ob der Süden Brandenburgs mit dem Hochwasser nicht schon genug gestraft wäre, zogen am Sonnabend mehrere Gewitterfronten mit zum Teil ergiebigem Regen über Spree und Neiße in der Lausitz und das Elbe-Elsterland. „Im 15 Kilometer entfernten Bad Liebenwerda soll es regnen“, sagt Mühlbergs Bürgermeisterin Hannelore Brendel: „Wenn starker Regen auf die aufgeweichten Deiche prasselt, könnte das für einige Stellen der Todesstoß sein.“

Bricht der Deich flussaufwärts, wären die kleinen Ortschaften Borschütz und Fichtenberg nicht mehr zu retten. Zwar wurden auch sie vorsorglich evakuiert, aber nicht alle Einwohner sind einsichtig. „Wir können niemanden zwangsweise aus seiner Wohnung tragen“, sagt Polizeisprecherin Ines Filohn: „Es ist schon unverantwortlich, wie sich manche Bürger verhalten.“ Zumal die Polizei inzwischen jenen Einwohnern, die ihr Vieh zurücklassen mussten, Passierscheine ausstellt, damit sie zum Füttern in ihre Häuser und Ställe können. Etwa 150 Mühlberger dürften noch in der Stadt sein, schätzen die Einsatzkräfte. Sorgen machen sie sich um ältere Menschen, die im Zweifel auch noch die Retter in Gefahr bringen.

Man kennt das aus anderen Städten, die überflutet wurden. Im sächsischen Meißen mussten Polizisten und Mitarbeiter des DLRG einen Mann aus seiner Wohnung holen, dem schlecht geworden war. Dort waren nach der Überflutung der Innenstadt Telefone und Strom abgeschaltet worden, so dass Handys früher oder später nicht mehr funktionierten. Die verbleibenden Bürger waren aufgefordert worden, weiße Laken aus den Fenstern zu hängen, wenn sie gerettet werden wollten.

So weit ist es in Mühlberg glücklicherweise noch nicht – im Gegenteil, sagt der Leiter des Landesumweltamts, Matthias Freude: „16 Zentimeter ist das Wasser seit gestern zurückgegangen, das ist doch was.“ Dennoch müssen die Einwohner noch einige Tage warten, bis sie zurückkönnen. Schäden wird es in jedem Fall viele geben, in einigen Häusern sind die Keller voll Grundwasser gelaufen. Ein Mühlberger hat am Sonnabend schnell noch seinen Keller ausgeräumt. „Ich bin bei der Feuerwehr“, sagt er: „Deshalb konnte ich schnell mal in mein Haus.“

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