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Im FEZ in der Wuhlheide entscheiden in den Sommerferien die Kinder: FEZitty heißt ihre selbstverwaltete Stadt. Eine BSR gibt es dort auch.

© Doris Spiekermann-Klaas

Ferien im Berliner FEZ: In der Wuhlheide regieren die Kinder

Es gibt ein Berlin, in dem alle arbeiten und den gleichen Lohn erhalten. Besuch in FEZitty, der selbst verwalteten Kinder-Metropole.

Vor den sechs Schaltern des Jobcenters haben sich lange Schlangen gebildet. Vor Schalter vier gibt es Gedränge. Als sich das Menschenknäuel gelöst hat, ist Nicole an der Reihe. „Einen Job im Blumenladen bitte“, sagt Nicole zur Mitarbeiterin des Jobcenters. „Haben wir nicht mehr“, antwortet diese berlinisch knapp. „Dann eben einen im Schmuckgeschäft.“ – „Haben wir auch nicht mehr. Im Moment ist nur noch was in der Bank frei“, sagt die Mitarbeiterin hinter dem Schalter. Ein typisches Gespräch am Schalter des Jobcenters. Wäre Nicole nicht erst neun Jahre alt. Und wäre das nicht hier das Jobcenter von FEZitty, der Ferienstadt für Kinder in der Wuhlheide.

Zum zehnten Mal seit 1999 entsteht Berlins Stadt der Kinder in den Sommerferien. Auf dem Gelände des Freizeit- und Erholungszentrums (FEZ), einst der Pionierpark „Ernst Thälmann“ in Ost-Berlin, können sich hier Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahren wie die Großen fühlen. Für drei Euro Eintritt können sie arbeiten und Geld verdienen. Ungewöhnlich beliebt sind Erwachsenen-Aufgaben bei den Kindern. In diesem Jahr rechnet das FEZ mit rund 25 000 Besuchern.

Mit dem Stadtausweis ausgestattet, können sich die Kinder im Jobcenter eine Arbeitsstelle aus 120 möglichen Berufen auswählen. Von der Rathausverwaltung, der Bank bis hin zu den staatlichen Betrieben im Stadtbauamt.

Eltern müssen draußen bleiben und sollen sich möglichst nicht einmischen.
Eltern müssen draußen bleiben und sollen sich möglichst nicht einmischen.

© Doris Spiekermann-Klaas

In der großen FEZ-Halle sind Stände aufgebaut, die unter anderem das Jobcenter, das Rathaus, den Supermarkt oder die Bank darstellen. Auf dem rund 6000 Quadratmeter großen Außengelände befinden sich in Zelten noch mehr Arbeitsplätze. Im großen Wasserbecken können die Kinder dieses Jahr eine Stadt aus recyceltem Material bauen.

Vieles in FEZitty ähnelt der wirklichen Welt. Hier wird gearbeitet, ein Bürgermeister gewählt, geheiratet und sich auch wieder geschieden. Doch die kindliche Parallelwelt hat ganz eigene Regeln.

Denn die Bürger in FEZitty verdienen alle das Gleiche und zahlen auch einheitliche Steuern an den Staat. Für eine Stunde Arbeit gibt es bei der Bank fünf Wuhlis - die stadtinterne Währung. Einer von fünf verdienten Wuhlis landet aber wieder als Steuer in der Staatskasse. Einen Bürgermeister gibt es zwar, doch wechselt der wöchentlich. Arbeit gibt es in FEZitty für alle, doch eben nicht immer den Traumjob. So erging es auch der neunjährigen Nicole, die am Schalter des Jobcenters oft „Nein“ gehört hat: „Es ist nicht so schön, dass ich keine Arbeit im Blumenladen gefunden habe. Ich stelle mich später noch mal an.“ Sie könnte auch an der Universität studieren – und den gleichen Lohn bekommen. Ein Stück Berlin, in dem es Arbeit für alle, gleiche Löhne und Steuern gibt. Herrscht etwa Sozialismus light in FEZitty?

Ganz und gar nicht, meint Projektleiter Rainer Sioda: „Hier ist ja nichts umsonst, und es gibt auch kein Sozialsystem.“ Ein wenig utopisch ist FEZitty trotzdem, findet Sioda: „Wir wollen die Kinder nicht dem knallharten Wettbewerbssystem aussetzen. Es sind immer noch Ferien und die Kinder sollen Spaß haben." Das Wichtigste sei, dass die Kinder alles untereinander ohne ihre Eltern aushandeln könnten, sagt Sioda. Für ihn ist die kleine Stadt eigentlich das Größte - denn sie sei so „herrlich unpädagogisch“.

So utopisch die Kinderstadt sein mag, die Realität geht an der Spielstadt nicht vorbei, denn in diesem Jahr wurden auch Flüchtlingskinder aus Berliner Asylunterkünften zum Ferienspiel eingeladen. Auch sie sollen hier arbeiten und leben – ganz ohne Eltern. Die können die Kinder zur Abwechslung im Elterngarten abgeben. Abends werden die Rollen dann früh genug wieder getauscht, findet Bürgermeister Anton Heinecke. „Hier in unserer Stadt tragen wir Kinder viel Verantwortung. Wir können endlich alleine Entscheidungen treffen“, freut sich der 14-Jährige. „Kind sind wir doch schon den Rest des Jahres.“ Melanie Böff

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