zum Hauptinhalt
Update

Stromausfall am Donnerstag: Wie unsere Leser das S-Bahn-Chaos erlebten

Sprachlose Zugführer, Ausstieg über Leitern, spontane Fahrgemeinschaften. Geschichten unserer Leser von einem Tag, an dem die S-Bahn still stand.

Tagesspiegel-User golzberlin: S1 kurz vor Schöneberg. Ich saß also gestern im ersten Wagen der S1, als wir um 11.45 Uhr an dem roten Signal kurz vor dem Bahnhof Schöneberg zum Halten kamen. Der Fahrer hat uns sofort und ständig informiert. So wussten wir nach etwa 20 Minuten, dass das Problem im Stellwerk Halensee lag. Er erzählte, dass der Fahrdienstleiter (im Bahnhof Schöneberg?) ihm nicht erlaubte, den Zug langsam an den Bahnsteig heranzufahren, also das rote Signal zu überfahren. Ich denke dass hier ein Problem liegt: Angst des verantwortlichen Dienststellenleiters in einer Notsituation. So saßen wir eine knappe Stunde im Zug fest. Der Fahrer ist tatsächlich durch den Zug gelaufen und hat die Leute nach ihren Problemen gefragt. Zum Schluss hat er eigenmächtig gehandelt, indem er beschloss: "Der Zug wird geräumt!".

Was ich für mir für die Zukunft wünsche: Dass jede(r) FahrerIn nach maximal 30 Minuten auf eigene Faust seinen/ihren Zug räumen lässt, denn meines Erachtens ist das größte Problem, dass nicht wenige Fahrgäste dringend auf die Toilette mussten. Auch wenn das Aussteigen bedeutet, dass der Fahrstrom ausgeschaltet werden muss. Ich habe gestern gelernt, dass ich nur durch die eigene Erfahrung begriffen habe, was es für manchen Fahrgast bedeutet, auf der Strecke 'fest' zu sitzen. Ich bin extrem froh, dass wir nicht im Tunnel zum stehen kamen - das wäre dann vermutlich auch für mich zum Albtraum geworden.

Sabrina Alexandra Schmidt: Ich wollte am Donnerstag um 12.33 Uhr eine Bahn-Mitfahrgelegenheit nach Greifswald am Hauptbahnhof wahrnehmen. Ich hatte mir drei mögliche Verbindungen als Puffer für Verspätungen eingebaut. Die erste Verbindung klappte soweit, bis ich am S-Bahnhof Friedrichstraße ankam. Nichts ging mehr. 10 Minuten keine Information. Dann „Wegen eines Stellwerksschadens ist der S-Bahnverkehr derzeit unterbrochen.“

Wie nun also zum Hauptbahnhof kommen? Inzwischen war es 12.25 Uhr. In zehn Minuten würde mein Zug fahren. Ich musste um 16 Uhr in Greifswald bei der Arbeit sein.

Also stieg ich in die U 6 und führ zurück nach Stadtmitte. Dort in die U 2 die total voll war bis zum Potsdamer Platz von wo ich den M41 zum Hauptbahnhof nahm. Zwischendurch bekam ich eine SMS von meiner Mitfahrgelegenheit: „Schaffe es nicht wegen der S-Bahn. Für die die es auch nicht schaffen treffen wir uns sobald wir da sind auf dem Gleis am vereinbarten Treffpunkt, dann Kaffee. Für alle die jetzt da sind und warten. Sorry.“

Nachdem ich auf dem Gleis ankam stellte ich fest, dass zwei von fünf der Mitfahrer bereits dort waren, aber auch den Zug um 12.33 verpasst hatten. Unser vierter Mitfahrer kam dann auch schnell. Wir beschlossen dann den Zug um 14.33 zu nehmen. Nach weiteren 1 ½ Stunden und einem heißen Kaffee ging es dann nach Greifswald.

Vor einer Stunde bin ich hier mit zwei Stunden Verspätung angekommen und meine Arbeit kann ich für heute auch vergessen. Ich hätte nie gedacht, dass drei Verbindungen als zeitlicher Puffer für die S-Bahn nicht ausreichen. Außerdem finde ich es erstaunlich, dass ein ganzes Netz durch EINEN Fehler komplett ausfallen kann.

Ach ja, der RE Zug um 12.33 Uhr hat den Hautbahnhof übrigens pünktlich verlassen. Wenn sonst auch nichts fuhr, der Zug war weg. Hinterher ist mir dann auch aufgefallen, dass ich zur U 55 hätte laufen und so zum Hauptbahnhof hätte kommen können. Der Zug wäre aber trotzdem weg gewesen.

Oliver Erlitz: 11:20. S2 Richtung Bernau auf dem S-Bahnhof Yorckstraße. Die S-Bahn hat fünf Minuten Verspätung; Ergo: alles normal, kein Grund zur Sorge. Nachdem der Bahnhof "Humboldthain" (erste Station nach dem Nord-Süd Tunnel) passiert ist, hält der Zug kurz vor Einfahrt zum S-Bahnhof "Gesundbrunnencenter". Normal? Ja. Nach fünf Minuten Wartezeit kam die Durchsage des wirklich bemühten Zugführers: Weiterfahrt auf unbestimmte Zeit unterbrochen. Nun folgte mit wiederkehrender Regelmäßigkeit alle 10 - 15 Min. eine Durchsage. Man möge sich doch bitte gedulden und sich in Verständnis üben. Über fehlende Informationen konnte sich unser Zug jedenfalls nicht beklagen.

Nachdem wir uns eine Stunde nicht vom Fleck bewegt hatten, immer noch im Zug saßen und der Zugführer auch immer sprachloser wurde, regte sich auch bei den älteren Damen die Unruhe. Erste Telefonate wurden geführt, Absagen zu Weihnachtsfeiern, Bitten um Entschuldigung - das übliche Programm. Während nochmal eine Stunde ins Land strich, und ich derweil mein Buch fast beendet hatte, kam, wie angekündigt die Polizei in der Gestalt von vier Beamten. Über die Fahrerstände wurde den Menschen über Leitern hinaus geholfen. Insgesamt lief alles ruhig und, der Situation entsprechend, organisiert ab. Die Leute wirkten genervt, aber nicht unbedingt verärgert. Entsprechende Worte waren von nirgends zu vernehmen.

Nachdem es über die Gleise zurück zur Station Humboldthain ging begann erst die wirkliche Ratlosigkeit. Wie geht es nun weiter? Wie komme ich nach Hause? Was macht die U-Bahn, die BVG? Mein Ziel war Berlin-Buch, aber jeder Ortsfremde tat mir leid. Okay, dann also zum Gesundbrunnencenter laufen, die U-Bahn Richtung Osloer Straße nehmen. Überfüllte U-Bahnzüge waren schon immer die Regel, aber diesmal waren sogar die Bahnsteige und Treppen überfüllt. Glück im Unglück: Die Buslinie 150 fährt direkt bis Berlin-Buch. Also Platz ergattern und sitzen bleiben. Ich hatte Glück, die schätzungsweise insgesamt 200 Leute an den Haltestellen, an welchen wir mangels Überfüllung nicht halten konnten, weniger. Ankunft am Ziel: 15:20. Vier Stunden Fahrzeit für eine Fahrstrecke von normalerweise 45 Minuten.

Ein Dank an den kompetenter Zugführer und die Servicekräfte. Ohne sie wäre wirklich das gesamte (!) System vollständig zusammengebrochen.

Felix Riemer: "Ich bin Schüler und gehe im Prenzlauer Berg zur Schule. Normalerweise fahre ich mit der S-Bahn vom Bahnhof Prenzlauer Allee 20 Minuten bis an den Rand der Stadt nach Karow. So einfach ging es heute nicht. Als ich auf dem S-Bahnhof ankam, war dieser gut befüllt. Dies war so, da unsere gesamte Schule heute zur gleichen Zeit Unterrichtsschluss hatte und wir alle zu diesem Bahnhof strömten. Auf dem Bahnhof angekommen stand an den Anzeigetafeln "Ansage beachten". Gesagt getan. Ich wartete 5 Minuten auf eine Ansage und wurde langsam sauer. Dann kam sie. Flüsterleise wurde etwas angesagt. Ich verstand nur "... kein S-Bahnverkehr..........U-Bahn nutzen.....". Da die Bahnhöfe Prenzlauer- und Schönhauser Allee sehr dicht beieinander liegen, bin ich zu Fuß gelaufen. Auf dem Bahnhof angekommen, war keiner Einziger auf dem S-Bahn Gleis. Ich ging zur U-Bahn. Diese fuhr im 5 Minuten Takt und kam sofort. Ein Lob an die BVG! Ich stieg Pankow wieder aus der U-Bahn, in der Hoffnung, jetzt einfach mit der S2 nach Hause zu fahren. Doch auch da das gewohnte Bild. Der Bahnhof war gut gefüllt, aber keine Bahn. Nach 5 Minuten ohne Ansage begann ich, mich durchzufragen. Ich ging zunächst zum Infohaus. Jedoch war keiner da. Warum sollte man auch Servicepersonal einstellen, dass kostet doch sowieso nur???

Eine ältere Frau erzählte mir, dass sie seit über einer Stunde auf diesem Bahnhof wartete! Keine Bahn, keine Ansage, NICHTS. Keiner wusste so recht Bescheid. Viele Leute, die in die Randbezirke wollten, wussten nicht, wie sie das machen sollten, denn dort fuhr nur die S-Bahn. Doch sie halfen sich untereinander. Die Leute bildeten Fahrgemeinschaften. Mich fragte eine ältere Frau, ob ich nach Hohen Neuendorf wolle, sie würde jemanden organisieren. Leider war das nicht mein Ziel. Einige hatten sich schon gefunden. Völlig fremde Leute organisierten einen Bekannten, der ein Auto hatte, um z.B. nach Wannsee zu fahren.

Ich ging zur Straßenbahn. Diese fuhr pünktlich und war nur normal voll. Und nun überraschte mich die BVG wieder. An einer Anzeigetafel der BVG wurde eingeblendet, dass die S-Bahn wegen eines Stromausfall nicht fahre. Überall nicht! Wenigstens bei der BVG bekommt man Infos über die lächerliche Ausrede, warum die S-Bahn wieder nicht fährt.

Ich stieg nach einiger Zeit in den Bus um. Dieser kam an und öffnete nur die mittlere Tür. Der Bus war schon jetzt rappelvoll, obwohl ich schon Pastor-Niemoller Platz in den 150 Bus stieg, der sonst dort immer recht leer ist. Doch es sollte noch schlimmer kommen. An jeder zweiten Station wollten wenigstens 30 Leute in den Bus einsteigen, doch vergeblich. An einigen Stationen fuhren wir sogar vorbei, obwohl sehr viele sich aufregende Leute dort standen. Doch es war richtig. Keiner kam mehr rein. Alles völlig überfüllt. Nach 30 Minuten fahrt stieg ich in Karow wieder aus. Sonst brauch ich für meinen Schulweg nur 25 Minuten, heute sagenhafte 2 Stunden!!!"

Oliver Kroll: "Nach zweistündiger Tortur quer durch Berlin bin ich nun endlich an gewünschtem Ziel eingetroffen. Die Strecke, die in einer halben Stunde relativ gemütlich zu bewältigen gewesen wäre, dauerte nun wie erwähnt ca. 2 Stunden. Am S-Bahnhof Treptower Park eingetroffen, stieg ich in die S9 ein und erwartete eine unmittelbare Weiterfahrt in Richtung Ostkreuz. Stattdessen, verflog eine halbe Stunde des Wartens ohne jegliche Zwischenmeldung, um die Warterei schlussendlich mit dem knappen Satz "Derzeit kein S-Bahnverkehr", zu beenden. 

Jeglicher Versuch auf ein alternatives öffentliches Verkehrsmittel zurückzugreifen, stellte sich als eine wahrhaftige Geduldsprobe dar. Für Menschen die Terminen nachjagen, wird somit ein Strich durch die Planung gemacht. Die Wartenden an der Haltestelle, hätten locker drei komplett leere Linienbusse gefüllt, wenn nicht gar mehr. Was mich zu meiner Entscheidung brachte, dann doch zu laufen, was bei dem tollen Wetter auch kein wirklicher Genuss war.

Mein einzige Hoffnung setze ich nun in rasch handelnde Mitarbeiter des BVG/DB, damit diese den Verkehr wieder zum Laufen bringen und ich nicht erneut solch einen Weg auf mich nehmen muss."

Was andere S-Bahn-Kunden erlebten

Tagesspiegel-User "southcross": "Da steht 'Bitte Ansage beachten'. Na gut. Das steht da halt mal. 15 Minuten warten auf dem Ring? Daran hab ich mich auch schon gewöhnt. Ich warte. 13.45 Uhr. Ich höre eine junge Dame schreien 'Hey, was ist los hier?' Und sehe eine größere Menschenmenge am Abfertigungshäuschen. Das auf der Gegenrichtung der Zug steht, fällt mir erst jetzt auf. Ich bin wohl trotz des ewigen Chaos bei der S-Bahn einfach zu vertrauensselig. Ich dachte echt nicht, dass...

Es gab aber auch 15 Minuten lang keine Ansage. Aus dem Abfertigungshäuschen heißt es: 'Wir wissen auch nicht, was los ist' und ein anderer Fahrgast meint zu mir: 'Hier fährt nix.' Ok, ich muss zur Arbeit. Was nun? Bus fahren ab Zoo... der erstbeste.

Auf dem Weg zum Bus - 200 Meter Fußweg, Rolltreppe runter - gab's dann 5 Ansagen hintereinander. Bus 106, der schaukelte knallvoll bis Kleistpark, dann von da mit der U-Bahn. Und die war auch knallvoll. Wiedermal dieses Sardinengefühl. Ankunft Zoo: 14.20 Uhr. Ersatzverkehr? Wo?

Lustig, war noch der Typ in der U-Bahn. Es war knallvoll. Und der.. Obdachlosen-Zeitungsverkäufer: 'Was Ihr wollt meine Zeitung nicht kaufen? Ihr braucht wohl alle einen Tritt in den A.... ?' Junge, Junge. Wer Dir als Sardine ne Zeitung abkaufen soll? Ich bekam meine Arme ja schon nicht von der Stelle, dann noch ne Zeitung kaufen? Und nach dem Spruch kauft sicher keiner was...Mal sehen, wie ich nach Hause komme."

Tagesspiegel-User dideldudidai: "Um rund 12 Uhr stand ich Treptower Park. Nachdem ich schon einige Zeit gewartet hatte, fragte mich eine Dame, ob hier überhaupt schon mal etwas fuhr. 10 Minuten später brüllte dann eine Servicemitarbeiterin quer über den Bahnsteig. Keiner verstand Sie. Auf der anderen Seite würde ein Zug Richtung Grünau fahren. Der kam dann auch, endete dann aber dennoch nach drei Stationen in Schöneweide. Also hangelte ich mich mit den verschiedensten Straßenbahnen und Bussen Richtung Süden bis ich irgendwann in Königs Wusterhausen ankam. Da ich auf den letzten Bus noch eine Stunde hätte warten müssen, nahm ich mir dann ein Taxi. Insgesamt benötige ich für die acht S-Bahn-Stationen 4 Stunden."

Haben Sie auch ein besonderes Erlebnis gehabt oder waren Sie besonders genervt oder sogar positiv überrascht? Dann schreiben Sie uns und schicken uns ihre Geschichten an leserbilder@tagesspiegel.de.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false