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Mit Witz und Tuch.

© promo

Clown im Weihnachtscircus Roncalli: Alle Plastiktüten fliegen hoch!

Clown Mikhail Usov bringt im Weihnachtscircus Roncalli so allerlei zum Schweben. Eine Begegnung.

Die großen blau-grauen Augen, die vielen grauen Locken. Auch wenn er ohne Kostüm und Schminke, mit grauem Wollpulli, unauffällig wie die anderen Besucher an einem der viereckigen Holztische im „Gottlob“ in Schöneberg sitzt, kann man seinen Beruf erahnen. Mikhail Usov sieht auch ohne Make-up aus wie ein Clown.

Er liebt den Blick aus dem Café-Fenster auf die alte Apostel-Paulus-Kirche gegenüber, mit dem roten Backstein im neogotischen Baustil. Er liebt den Kiez rund um die Akazienstraße mit seinen vielen kleinen Lädchen und Cafés. Er liebt verschiedenste Kaffeesorten, entscheidet sich dann aber trotzdem für ein Glas Wasser. Ganz bescheiden wirkt der 48-Jährige.

Berlin. Seine Wahlheimat seit 2003. Zumindest, wenn er mal da ist. In diesem Jahr tritt er das erste Mal im Roncalli Weihnachtszirkus auf. Dabei jongliert er nicht nur mit seinen Plastiktüten. Aus vielen anderen alltäglichen Utensilien entstehen verzauberte Schwäne und Wolken, die durch die Luft schweben. Es sind musikalisch-poetische Bilder, die der Mime scheinbar selbst mit staunenden Augen neu entdeckt.

Nichts mit dem Gesicht machen

Als er vor zwölf Jahren nach Berlin kam, spielte er erst mal für den Cirque du Soleil. Lebte in Kanada, Neuseeland, London und Kalifornien. „Über meine Witze lacht das Publikum überall“, sagt er. Nur das Timing müsse in manchen Ländern schneller, in anderen langsamer sein, „damit die Zuschauer alles richtig auffassen“. Seit Anfang 2015 lebt er dauerhafter in Berlin, hat sich eine 86 Quadratmeter große Wohnung in Wilmersdorf gekauft. Die bezog er mit seiner Frau – sie ist zugleich seine Managerin – und den gemeinsamen zwei Töchtern, zweieinhalb und sechs Jahre alt. Ob er sie oft zum Lachen bringt? „Sie bringen mich ständig zum Lachen!“ Ansonsten lacht Usov gerne über andere Clowns.

Alles begann bei ihm mit 16 Jahren, als ein älterer Mann Usov auf der Straße ansprach. Das war in seiner Geburtsstadt Charkow, in der Ost-Ukraine. Wegen seiner schlanken Statur könnte er doch ein guter Akrobat sein. Kurz darauf wird er zum Training ins Studio eingeladen. Doch Usov stellte sich bei Akrobatikübungen eher unbeholfen an. Nach zwei Tagen stand für das Studio-Team fest. „Du hast das Potenzial, ein toller Clown zu werden.“

Usov gefiel die Idee. Eine Agentur nahm ihn unter Vertrag. Er ging für ein Jahr nach Kasachstan, um dort als Clown zu arbeiten. Nach weiteren zwei Jahren in der Armee in Weißrussland, begann er mit 20 eine vierjährige Ausbildung an der Clown-Schule in Moskau. Auch wichtige Zirkusdisziplinen wie Akrobatik, Jonglieren, Balancieren, Schauspiel und Tanz wurden dort gelehrt – und besonders Usovs Clown-Philosophie: nichts mit dem Gesicht machen. Es gibt nur ein bis zwei Momente, in denen er als Clown während einer Nummer lacht. Und die bestimmt er selbst. „Das Lustigsein kommt von innen, es hat etwas mit Persönlichkeit zu tun, ob man Menschen zum Lachen bringt.“ Make-up setzt er daher nur ein, um das Typische seines Gesichtes zu betonen. Nicht, um den Clown herauszustellen.

Innere Haltung ist wichtig

„Ein Clown sollte wie ein Wandbild sein“, sagt Usov. Das Bild fragt nicht, wie man es findet. Es reagiert nicht auf das Publikum, auch wenn es noch so heiter wirkt, sagt er. „Du kannst es überschwänglich loben, aber es kommt nichts zurück.“ Diese innere Haltung ist ihm wichtig, um bei seinen Auftritten Präsenz zu zeigen.

In der spektakulärsten Nummer, die Usov bei Roncalli zeigen wird, hat er Kochtöpfe aus Aluminium auf den Schultern und Füßen. Der Größte von allen ist auf seinem Kopf befestigt. Alle Böden zeigen nach oben, Usov wirft Tischtennisbälle in die Luft und jongliert sie mit den Topfböden, schlägt die Bälle von Kopf bis Fuß hin- und her. Beachtliche Flugbahnen. Höchste Konzentration. Und das unglaubliche an diesem Spiel: Jeder Aufprall erzeugt verschiedene Klänge. Dazwischen tanzt er mit den Töpfen, das Gesicht zum Publikum gewandt, die Bühne entlang.

Er probt bereits seit mehreren Wochen

Für diese Performance hat Mikhail Usov fünf Jahre lang geübt. Seine Kollegen hielten die Idee für unmöglich. Bis er sie vom Gegenteil überzeugte. Er wollte unbedingt eine Nummer aufführen, die kein Zweiter beherrscht. Seitdem lautet sein Motto: „Alles ist möglich.“ Mittlerweile hat er die Rechte dieser Aufführung auch an einen Clown in Singapur verkauft. Mikhail unterrichtete ihn intensiv. Nach neun Monaten saß das Ping-Pong-Kunststück.

Ob er in den 32 Jahren seiner Karriere mal als Clown in einem Kinderkrankenhaus gearbeitet hat wie die Berliner Klinikclowns „Rote Nasen“? „Ich kann keine fröhlichen Scherze machen, wenn ich weiß, dass die Kinder krank sind“, sagt er. Usov zieht es eher in die große Manege. Was er im Berliner Roncalli Weihnachtscircus noch so alles zeigt? Neben dem Ping-Pong-Spaß und der Plastiktütennummer will er mithilfe eines Schafs einen Fernseher verlosen. Außerdem, verrät er, gibt es eine Performance mit einer Primaballerina aus Moskau.

Für Roncalli im Tempodrom probt er bereits seit mehreren Wochen täglich Zuhause. Auch Konzentrationsübungen gehören zum Training. Es ist die Kunst, sich ganz auf sich selbst zu besinnen. Denn beim Vorbereiten gelten ähnliche Regeln wie beim Lustigsein „Da kommt ganz viel von innen.“

Kathrin Merfort

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