zum Hauptinhalt
Schuss, Gegenschuss. So sieht’s am Set für den Film der Reihe „Tatort Berlin“ aus, der am Wochenende bei Oranienburg gedreht wurde.

©  Claus-Dieter Steyer

"Tatort Berlin" des RBB: Die Gladow-Bande schießt wieder

Er sah sich selbst als Al Capone Berlins: 375 Überfälle auf Banken und Geschäfte, zwei Morde und 15 Mordversuche gehen auf das Konto von Werner Gladow und seiner "Weißen Krawatte". Die Geschichte der Nachkriegsbande wird nun verfilmt.

Sie beherrschte die Berliner Nachkriegszeit wie keine andere kriminelle Gruppierung: die Gladow-Bande. Jetzt wird ihre Geschichte verfilmt, an einem der ungewöhnlichsten Orte im Berliner Umland: In der verlassenen Lungenheilstätte am Grabowsee bei Oranienburg haben junge Männer im Nadelstreifenanzug und mit weißer Krawatte ihren großen Auftritt.

„Noch schnell vor dem großen Gewitter den Überfall auf die Tauschzentrale drehen“ – Regisseurin und Autorin Gabi Schlag drückt am frühen Nachmittag aufs Tempo; es wäre schade um die Frisuren und die schönen Anzüge.

Drei Mal laufen sechs Mitglieder der Bande mit dem damals gebräuchlichen Namen „Weiße Krawatte“ dann auf ein ziemlich heruntergekommenes Klinikgebäude mit gezogenen Pistolen zu, um den brutalen Raub der Kasse des Tauschzentralenchefs in Wedding im Jahr 1948 nachzustellen. Alles klappt prima. Dann zwingt doch der starke Regen ins Innere der Gebäude – in das Polizeikommissariat aus der Dircksenstraße am Alexanderplatz, das hier täuschend echt nachgebaut wurde.

„Das wird unser sechster Film in der Reihe ,Tatort Berlin‘“, sagt Gabi Schlag während einer kurzen Drehpause. „Wir haben uns ja schon mit den Brüdern Sass, dem S-Bahn-Mörder aus Rummelsburg, dem Massenmörder Bruno Lüdke und anderen Kriminalfällen aus Berlin beschäftigt.“ Im Herbst solle die Folge über die Bande von Werner Gladow im RBB gezeigt werden.

Die Autorin trägt einen dicken Stapel historischer Fotos und Dokumente unter dem Arm. Sie könne jede Szene noch vor Ort auf ihre Authentizität überprüfen, sagt sie. Denn der Film mit dem Titel „Werner Gladow – Ein Mensch wird zum Verbrecher“ solle nicht nur die Taten der jungen Kriminellen rekonstruieren, sondern die damalige Zeit aus heutiger Sicht reflektieren.

Wie Al Capone in Chicago

Immerhin hatte die Bande zwischen 1947 und 1949 insgesamt 375 Überfälle auf Banken, Juweliere, Läden, Geschäfte und Märkte verübt. Wegen zweifachen Mordes, 15 Mordversuchen, Raubüberfällen mit Waffengewalt, schwerem Straßenraub, unerlaubtem Waffenbesitz und Entwaffnung von Volkspolizisten wurde der Metzgerssohn aus Friedrichshain 1950 zum Tode durch das Fallbeil verurteilt. Als sein großes Vorbild hatte er selbst Al Capone aus Chicago bezeichnet. Er träumte von einem Leben in einer streng bewachten Villa im Grunewald.

Max Radestock ist für den Film in die Rolle von Werner Gladow geschlüpft. Das sei ein faszinierender Stoff, sagt er. Aber die Brutalität des jungen Mannes habe ihn doch schockiert. Er könne verstehen, dass die anfängliche Sympathie der Berliner für die Bande im Laufe der Zeit gekippt sei.

Nach Überfällen Flucht in den Osten - und umgekehrt

Das Ostberliner Schwurgericht fällte am im April 1950 die Urteile gegen die Gladow-Bande.
Das Ostberliner Schwurgericht fällte am im April 1950 die Urteile gegen die Gladow-Bande: (v.l.) Dietrich Bohla (Zuchthaus), Kurt Gaebler (Todesstrafe), Werner Gladow (Todesstrafe), Wellnitz (Zuchthaus) und Papke (Zuchthaus).

© picture alliance/dpa

Tatsächlich nutzte die Bande die Teilung Berlins geschickt aus. Nach Überfällen im Westteil der Stadt floh sie in den Osten, wo die Polizei ihnen nicht folgen durfte. Am nächsten Tag machten sie es dann andersherum. Auch die Verdunkelung der Stadt während der Blockade kam ihnen zum Teil entgegen. Doch da die Zahl der Überfälle stark zugenommen hatte, ignorierte die Polizei kurzerhand die Sektorengrenzen. Die eigens gebildeten Sonderkommissariate arbeiteten eng zusammen.

„Für uns ist es ein Glücksfall, dass mit Werner Papke noch ein Bandenmitglied lebt und uns Rede und Antwort steht“, erzählt Gabi Schlag. „Er ist heute 86 Jahre alt und saß immerhin neun Jahre seiner 15-jährigen Freiheitsstrafe ab.“ Papke habe sich nach Folterungen eines Tauschmarkthändlers von der Bande losgesagt, um Boxer werden zu können. Er sei auch schon bei den Dreharbeiten am Grabowsee dabei gewesen. Über seine Erinnerungen verfasste Papke ein Buch und kann so viele Details aus erster Hand berichten.

Heilstätten waren schon Hollywood-Kulisse

Gabi Schlag und ihr Team waren durch den amerikanischen Streifen „Monuments Men“ über die Trophäentrupps der US-Truppen nach dem Krieg auf die früheren Heilstätten am Grabowsee aufmerksam geworden. Wichtige Szenen wurden hier gedreht. „Wir suchten genau nach solchen Ruinen, um die Nachkriegszeit zu dokumentieren. Für uns ist das hier ein tolles Gelände.“

Tatsächlich befanden sich die 41 Gebäude nach dem Abzug der russischen Truppen 1992 noch in einem passablen Zustand. Doch sogenannte Paintball-Unternehmen richteten mit wilden Kriegs- und Actionszenen große Schäden an. Derzeit versucht der Verein „Kids Globe“ die Anlage schrittweise wieder herzurichten. Das Geld der Filmteams kann er dabei gut gebrauchen.

Zur Startseite