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Spreepark: Leben in einem gescheiterten Traum

Seit 2001 liegt der insolvente Spreepark Plänterwald im Dornröschenschlaf. Karussells und anderen Attraktionen verrotten. Hohe Schulden und das komplizierte Erbbaurecht verhinderten bislang alle Initiativen. Doch nun will ein Großinvestor den Durchbruch schaffen.

Die grüne Fahrrinne der Wildwasserbahn ist von Rost zerfressen. Im schmuddeligen Wasser des Sees darunter dümpelt eine Bierflasche. „Als wir das Wasser eingelassen hatten, war das unser Pool“, sagt Sabrina Witte. Das ist 16 Jahre her. Witte, 28, ist die Tochter des einstigen Betreiberpaares und wuchs im Vergnügungspark Spreepark im Plänterwald in Treptow auf. Nach der Pleite 2001 ist das Lachen der Besucher gespenstischer Stille gewichen, die Anlage zerfällt. Am 3. Juli wird nun das Erbbaurecht am fast 30 Hektar großen, landeseigenen Areal zwangsversteigert. Es heißt, die belgische Plopsa-Gruppe plant einen Kinder-Vergnügungspark. Das bedeutet Hoffnung für den Park und Veränderung für die Menschen, deren Leben mit dem Gelände verknüpft sind.

Pia Witte ist die Exfrau des Ex-Betreibers Norbert Witte.
Pia Witte ist die Exfrau des Ex-Betreibers Norbert Witte.

© Mike Wolff

„Dann ist dieses Kapitel meines Lebens endlich abgeschlossen“, sagt Pia Witte, 55. Sie ist die Exfrau von Norbert Witte, mit dem sie den Park nach der Wende übernommen hatte. Der Untergang bedeutete ihre Privatinsolvenz. Für den vorbestraften Exmann unterschrieb sie Entscheidungen und Verträge und musste finanziell den Kopf hinhalten. Seit Abschluss des Insolvenzverfahrens 2008 ist sie wieder Erbbaurechtberechtigte. Im Park ist sie inzwischen wieder oft. „Wir haben da richtig viel Arbeit reingesteckt, auch mein Exmann“, sagt sie.

Über den verliert Gerd Emge kein gutes Wort. Emge, 63, bewacht das Gelände seit sechs Jahren mit seiner Securityfirma unentgeltlich. Dafür darf er es vermarkten. Es gab Technopartys und Theatervorstellungen. Am Wochenende führt Spreeparkfan Christopher Flade Schaulustige über das Gelände, manchmal springt Sabrina Witte ein. Sonst betreibt sie das Café Mythos am Eingang. Wenn Emge erzählt, klingt es, als wolle er den Park am liebsten selbst betreiben. Für einen neuen Investor möchte er weiterarbeiten, für die Sicherheit verantwortlich sein, Veranstaltungen organisieren.

So habe er zum belgischen Unternehmen Plopsa guten Kontakt aufgebaut, sagt er. Plopsa gilt als ernster Interessent. Vertreter waren bereits im Bezirksamt Treptow-Köpenick, wie man dort bestätigt. Plopsa betreibt Vergnügungsparks für Kinder und hält die Rechte für Figuren wie Biene Maja, Wicki und Tabaluga. Das Unternehmen hat 2010 schon den „Holiday Park“ in Haßloch gekauft.

Der Gewinner der Versteigerung müsste nicht einmal die Schulden übernehmen, so will es das Gesetz. Ausgezahlt wird nur der Gläubiger, der die Zwangsversteigerung angestrengt hat. Das tat das Finanzamt Treptow-Köpenick wegen nicht gezahlter Grundsteuer. Dem Bankenkonsortium um die Deutsche Bank würden 15 Millionen Euro entgehen, dem Land Berlin 4,5 Millionen. Den Verkehrswert hat das Gericht auf 1,62 Millionen Euro festgelegt.

Mit Norbert Witte wollen Exfrau und Tochter nichts mehr zu tun haben

Sicherheitsmann Gerd Emge bewacht und vermarktet den Spreepark zur Zeit.
Sicherheitsmann Gerd Emge bewacht und vermarktet den Spreepark zur Zeit.

© Mike Wolff

Zur Versteigerung werde es gar nicht kommen, glaubt Emge nach Gesprächen mit Plopsa. „Plopsa, das Land Berlin und die Banken sind sich handelseinig“, meint er. Die Belgier würden für das Erbbaurecht einen Gesamtbetrag an die Gläubiger bezahlen. In einem zweiten Schritt solle das Grundstück erworben werden. Weder Deutsche Bank noch Liegenschaftsfonds wollten dies auf Nachfrage bestätigen. Es gebe aber Gespräche mit einem Investor, sagte eine Fonds-Sprecherin. Plopsa teilte nur mit, dass man verschiedene Optionen in Deutschland prüfe.

Interessenten für das Gelände gab es genug. Doch Schulden und Auflagen schreckten sie ab. Auch der neue Investor wird es nicht leicht haben. Er muss den Park bis zum Ende des Erbbaurechts am 31. Mai 2061 betreiben. Das Areal darf er „ausschließlich als Freizeitpark“ nutzen, so steht es in der Ankündigung der Zwangsversteigerung. „In diesem Zusammenhang sind auf dem Gelände gastronomische und Verkaufseinrichtungen einzurichten sowie kulturelle Veranstaltungen durchzuführen“, heißt es. Eingriffe in die Landschaft sind kaum möglich, der Park liegt in einem Schutzgebiet.

„Die Regelung des Verkehrs ist eines der wichtigsten Belange“, sagt Ulrike Zeidler, Leiterin des Stadtentwicklungsamts Treptow-Köpenick. Es geht um den Ausbau der Zufahrt an Dammweg und Kiehnwerderallee und den Bau von Parkplätzen. 500 000 Besucher im Jahr seien verträglich, sagt Zeidler. Damit ließe sich ein Park nicht wirtschaftlich betreiben, sagt Emge. Das Wohngebiet dürfe aber nicht belastet werden, sagt die Amtsleiterin. Wohnungsbau ist nicht vorgesehen. Das Bebauungsplanverfahren müssen die Bezirksverordneten abnicken. Wachsame Anwohner wie Erhard Redding von der Initiative Pro Plänterwald gucken dann genau hin. Ein Parkhaus mit 1000 Stellplätzen und einen großen Freizeitpark lehnt die Initiative ab. „Das Wichtigste sind der Schutz des Waldes und die denkmalgerechte Sanierung und der Betrieb der Gaststätte Eierhäuschen“, sagt Redding. Letzteres will auch der Bezirk.

Der Vergnügungspark wurde 1969 als als Kulturpark Plänterwald eröffnet. Nach der Wende übernahm das Schaustellerpaar Witte. Als die Besucherscharen ausblieben, blieb 2001 nur die Insolvenz. Norbert Witte versuchte einen Neuanfang in Peru und ging bankrott. Er ließ sich als Drogenkurier anwerben und wurde geschnappt, als er 167 Kilo Kokain nach Deutschland schmuggeln wollte. Das Ende der Ehe. Witte musste in Deutschland für vier Jahre hinter Gitter, Sohn Marcel in Peru für 20 Jahre. Dem Überführungsantrag nach Deutschland wurde noch nicht stattgegeben.

Mit Norbert Witte wollen Exfrau und Tochter nichts mehr zu tun haben. Witte sagt, dass er nicht nach Peru hätte fliehen dürfen. Dass er nicht daran glaube, dass jemand das Erbbaurecht ersteigere, weil der Erbbauzins zu hoch sei und es zu viele Klauseln gebe. Und dass er hoffe, dass es mit dem Park weitergehe. „ Es tut weh, zu sehen, wie alles zerfällt.“ Wie lange er noch mitten in seinem gescheiterten Lebenstraum wohnen kann, weiß er nicht.

Tochter Sabrina ist „zwiegespalten“, wenn ein neuer Investor kommt. Dann könnte sie im Park nicht mehr mit den Hunden spazieren gehen. Nicht mehr winters einsam Schlittschuh laufen auf dem zugefrorenen Wasser um das Riesenrad herum. „Das ist mein Zuhause“, sagt die Gastronomin. Und hofft, dass der Neue die noch vorhandenen Bahnen nicht t abreißt. Damit sie ihren Kindern eines Tages zeigen kann, wo sie aufgewachsen ist.

Über die Geschichte des Spreeparks, seine Attraktionen und vieles mehr schreiben Christopher Flade & Sacha Szabo im Buch „Vom Kulturpark Berlin zum Spreepark Plänterwald“, Tectum, 19,90 Euro.

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