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Ausgespielt. An die denkmalgeschützten „Tennisplätze am Ku’damm“ erinnern nur noch Schilder; nun sind dort 70 Wohnungen geplant.

© Cay Dobberke

Streit um Wohnungsbau in Wilmersdorf: Tennisplatz-Anwohner kritisieren Geheimniskrämerei

Auf den einstigen Tennisplätzen hinter der Schaubühne trafen sich viele Prominente. Nun sind dort Wohnungen geplant, was die überraschten Nachbarn empört.

Außer alten Eingangsschildern ist fast nichts mehr zu sehen von der 2007 geschlossenen Tennisanlage an der Cicerostraße in Wilmersdorf, gleich hinter der Schaubühne am Lehniner Platz. Früher aber galten die neun Tennisplätze dank ihrer Nähe zum Ku’damm als Institution: Hier spielten Prominente wie die Schriftsteller Erich Kästner und Vladimir Nabokov, Regisseur Luc Bondy oder der Schauspieler und heutige Schlossparktheater-Intendant Dieter Hallervorden. Willy Brandt soll gerne mal zugeschaut haben und Johannes Mario Simmel hier einen Roman geschrieben haben, vermutlich in der dazugehörigen Gaststätte.

Anlage gehört zum denkmalgeschützten Mendelsohn-Ensemble

Nun plant ein Investor 70 Wohnungen auf der rund 5800 Quadratmeter großen, verwilderten Brache – obwohl sie als Teil des 1925 bis 1931 erbauten „WOGA-Komplexes“ des Architekten Erich Mendelsohn unter Denkmalschutz steht. Im Stil der Neuen Sachlichkeit gestaltete Mendelsohn ein Quartier mit dem „Kino Universum“, das später zur Schaubühne wurde, einem Kabarett sowie Cafés, Läden und Wohnungen an der Cicerostraße, in deren Hof die Tennisplätze entstanden.

Mieter und Wohnungseigentümer in den Häusern und einige Nachbarn wehren sich gegen die Bebauung. Mehrmals hatten sie in den vorigen Jahren beim Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf angefragt, ob es konkrete Baupläne gebe; dies wurde stets verneint.

Erst jetzt bestätigte Baustadtrat Marc Schulte (SPD) im BVV-Stadtentwicklungsausschuss, dass im April mit einem Bauantrag zu rechnen sei. Er habe die Fraktionen im September 2015 grundsätzlich darüber informiert, dass es ein Projekt gebe. Mehr dürfe er nicht sagen, der Investor bestehe auf Vertraulichkeit. Die denkmalschutzrechtliche Prüfung laufe noch.

Für Schulte ist „eine Nachverdichtung vertretbar und sinnvoll“. Mendelsohn habe die Tennisplätze nur entworfen, weil seinem Auftraggeber das Geld für Wohnungsbau ausgegangen war. Heute „wären sie so nicht mehr genehmigungsfähig“ wegen des Lärms, die Umgebung sei ein reines Wohngebiet. Laut Stadtplanungsamtsleiter Rainer Latour scheiterte daran schon einmal ein Versuch, die Sportanlage wieder in Betrieb zu nehmen.

Soeben fand die Bezirksverordnete Nadia Rouhani (Grüne) bei einer Akteneinsicht im Bezirksamt den Namen des Investors heraus: die britische Immobiliengesellschaft Shore Capital. Sie hatte die Ex-Tennisanlage 2008 erworben und ist auch Wohnungsvermieterin an der Cicerostraße. Zwar wechselte das Areal 2013 für 435 000 Euro erneut den Eigentümer, doch war dies nur ein Geschäft zwischen zwei Tochterfirmen mit derselben Büroadresse. Auf eine Bitte um Auskünfte reagierte Shore Capital bisher nicht.

Bauamt sprach seit 2014 mit dem Investor

Zu den empörten Bürgern gehört der Architekt Reinhardt Brüggemann. Er beklagt die „Zerstörung eines einzigartigen Ensembles“, das eine Art „Sony-Center der 20er Jahre“ gewesen sei. Anwohnerin Christiane von Trotha bringt sogar einen Grundstückskauf durch die Nachbarn ins Gespräch – doch dafür scheint es zu spät.

Alte Zeiten. Auf der Tennisanlage konnte jeder spielen, feste Mitgliedschaften gab es nicht.
Alte Zeiten. Auf der Tennisanlage konnte jeder spielen, feste Mitgliedschaften gab es nicht.

© privat

Das Bezirksamt wusste seit mindestens Mai 2014 von Wohnungsbauplänen, wie Akten belegen. Zwei Monate später sah Amtsleiter Latour ein „hohes Konfliktpotenzial“ und empfahl in einer internen E-Mail „eine frühzeitige Begleitung im politischen Raum“.

Im Juni bis Oktober 2015 folgten städtebauliche Beratungen in einem „konkurrierenden Gutachterverfahren“. In der Jury saßen Latour sowie Vertreter des Landesdenkmalamts und des Investors, als Berater waren ein Bauhistoriker und die Untere Denkmalschutzbehörde im Bezirk beteiligt.

Laut Stadtrat Schulte waren die BVV-Fraktionen „als Gäste eingeladen“ und nahmen mit einer Ausnahme auch teil. Die fraktionslose Verordnete Nadia Rouhani hatte dagegen keine Einladung erhalten.

„Hinter dem Rücken der Öffentlichkeit“

Nach Rouhanis Ansicht zeigen die Akten, „wie der Baustadtrat, die Interessen eines Bauherren bis heute schützend, seit spätestens Mitte 2014 Baurecht gängig macht, wie er hinter dem Rücken von BVV, zuständigem Ausschuss und der Öffentlichkeit mithilfe des Landesdenkmalamts öffentliche Schutzgüter aufweicht“.

Bis heute lasse das Bauamt die Nachfragen der Anwohner „ins Leere laufen“. Pikant sei auch, dass der Eigentümer der Ex-Tennisplätze „derselbe ist, der die Mietwohnungen im Mendelsohn-Komplex verwaltet“ und „als solcher Glücksritter unerkannt mit in der Eigentümerversammlung sitzt“.

Statt Wohnungen schlägt Rouhani übrigens vor, eine Kita zu bauen.

- Am Mittwoch, 24. 2., ab 17.30 Uhr diskutiert der BVV-Stadtentwicklungsausschuss im Rathaus Charlottenburg (Minna-Cauer-Saal) weiter.

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