zum Hauptinhalt

Zum Weltfrauentag: Zwischen Herd und Vorstandsposten

Für Sonntagsreden ist das Wort Gleichstellung unentbehrlich. Im Alltag tut sich die Gesellschaft damit noch schwer. Wo bewegt sich etwas?

Von Antje Sirleschtov

Das Jahr 1957 war zweifellos eins der wichtigsten Jahre für Frauen im Westen Deutschlands. Es war das Jahr, in dem das bürgerliche Gesetzbuch in Gleichstellungsfragen endlich der zu diesem Zeitpunkt schon acht Jahre geltenden Verfassung angeglichen wurde. Seither dürfen Frauen ihr eigenes Vermögen selbst verwalten und Ehemänner die Jobs ihrer Frauen nicht mehr kündigen. Man muss sich als Frau nur einen Augenblick vorstellen, was in heutiger Zeit ein Mann zu hören bekäme, der beim Chef seiner Frau auftauchen und ihre Stellung kündigen würde – dann kann man ahnen, welchen Wert das Jahr 1957 hatte.

Das zurückliegende Jahr 2012 kann mit solchen Wegmarken zur Gleichstellung nicht aufwarten. Und doch wird man es auch als ein frauenpolitisch wichtiges Jahr bezeichnen können. Denn in beinahe allen Fragen, die sich mit den Interessen vor allem der Frauen befassen, entbrannten intensive öffentliche Diskussionen. Und wenn es richtig ist, dass man mit Öffentlichkeit etwas bewegen kann, dann sollte sich nach 2012 etwas mehr bewegen, als in davorliegenden Jahren.

Die wohl weitreichendste Diskussion befasste sich mit der Einführung einer Frauenquote in den Führungsetagen der Wirtschaft. Warum das wichtig ist, obwohl es doch „nur Führungspositionen“ und damit zahlenmäßig so wenige Frauen betrifft? Eine Statistik der Antidiskriminierungsbeauftragten der Bundesregierung zeigt: Obwohl es in Europa kein Land gibt, in dem die Erwerbstätigenquote der Frauen (68 Prozent) so hoch ist wie in Deutschland, gibt es gleichzeitig kein Land, in dem Frauen in Führungsetagen (30 Prozent) so wenig vertreten sind, so viele Frauen in Teilzeit arbeiten (45 Prozent) und damit die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen (22 Prozent) so groß ist. Kurz gesagt: Deutschland ist das Land der schlecht bezahlten Servicekräfte, Sekretärinnen und Assistentinnen. Lediglich im öffentlichen Dienst können Frauen damit rechnen, im Durchschnitt beinahe so gut bezahlt zu werden wie ihre männlichen Kollegen und in etwa die gleichen Chancen auf eine Führungsposition haben. In allen anderen Branchen ist von Gleichberechtigung kaum eine Spur.

Mit dem Aufflammen der Quotendiskussion ist dieser Missstand wieder zum Thema geworden. Ausgerechnet die CDU, in Fragen der Gleichstellung bis dato nicht gerade Vorreiter, hat die Debatte befeuert – durch die unterschiedlichen Positionen der Familienministerin Kristina Schröder und der Arbeitsministerin Ursula von der Leyen. Während es Erstere den Unternehmen mit einer „Flexiquote“ selbst überlassen will, in welchem Umfang sie sich zur Besetzung von Führungspositionen mit Frauen verpflichten wollen, sieht Leyen die Zeit einer festen Quote gekommen, nachdem alle Appelle zur Freiwilligkeit in den letzten Jahren nicht viel gebracht haben. Selten wurde die Diskussion in Politik und Unternehmen so heftig geführt wie in diesem Jahr.

Vorstände und Aufsichtsräte befassten sich damit, in Medienunternehmen gaben Chefs Selbstverpflichtungen zur Erhöhung des Frauenanteils ab und selbst in der FDP, der diesem Thema wohl abgeneigtesten Partei im Bundestag, wurde heftig debattiert. Die zuständige EU-Kommissarin Viviane Reding hat jetzt eine Initiative zur europaweiten Einführung einer Quote für Aufsichtsräte auf den Weg gebracht, die, so ist zu hören, die deutsche Bundesregierung stoppen will. Es kann sein, dass das Schwarz-Gelb jetzt noch einmal gelingt. Aber die Quote wird kommen, das scheint sicher zu sein.

Weil Frauen im Vergleich mit Männern häufiger in Teilzeit arbeiten und weniger verdienen, sind sie die größte Gruppe der Nutznießerinnen der Debatte um Kinderbetreuung und Mindestlohn. Schließlich ist es in den häufigsten Fällen die fehlende Betreuung für Kinder, die Frauen in kleine Jobs zwingt. Auch beim Mindestlohn für Branchen, die keine oder kaum Tarifbindung haben und in denen meist Frauen arbeiten, ist Deutschland in diesem Jahr vorangekommen. Bei SPD, Grünen und Linken ist das Thema ohnehin unumstritten. Auch in der Union hat sich etwas bewegt, und selbst in der FDP setzt sich mittlerweile die Erkenntnis durch, dass eine Partei, die sich als Verfechter der sozialen Marktwirtschaft bezeichnet, Stundenlöhne von 3,50 Euro nicht mehr begründen kann. Gelingt es, in der nächsten Legislaturperiode Frauen ein Rückkehrrecht in Vollzeit zu sichern, wenn sie wegen der Kinderbetreuung Teilzeit arbeiten, dann wäre auch das ein Erfolg.

Noch im Stadium der Ideen- und Geldfindung, aber für betroffene Frauen immens wichtig: die Frage, wie sie im Alter auskömmliche Renten erhalten, wenn sie Kinder erzogen und nur in geringem Maße gearbeitet haben. Armutsrenten und die Anerkennung von Kindererziehungszeit sind topaktuelle Frauenthemen für dieses Jahr.

Den wohl wichtigsten Schritt – das Recht auf einen Betreuungsplatz für Kleinkinder in Kitas – wird Deutschland in diesem Sommer gehen. Parallel übrigens zum Betreuungsgeld, um das heftigst gestritten wurde – und zwar nicht aus der Sicht der betroffenen Kinder, sondern aus der Sicht der Frauen. Wird es eine „Herdprämie“, die Frauen wieder an Haus und Hof fesselt, oder eine Hilfe für Mütter, die ihre kleinen Kinder selbst betreuen wollen? Am 8. März 2014 wird man schon bilanzieren können.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false