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Grünes Debüt: Auch Künast kellnerte auf Zanders Weihnachtsparty

Frank Zander lud wieder zum Weihnachtsfest für Bedürftige ins Estrel nach Neukölln. 2800 Gäste kamen. Renate Künast debütierte als Kellnerin.

Warum kann nicht viel öfter Weihnachten sein? Es gibt Gänsebraten mit Knödeln und Rotkohl, Kekse und Kuchen, Tabak und Kaffee – ach ja, und Schlafsäcke, Mützen und Schals, Pflaster und Zahnbürsten: Das Weihnachtsfest, das am Dienstagnachmittag zum 16. Mal im Neuköllner Hotel Estrel stattfand, ist kein gewöhnliches. Hier verbringen, eingeladen von Frank Zander, rund 2800 Gäste in Wärme und Geselligkeit, bei gutem Essen und Musik fünf Stunden, die sich extrem von den Erfahrungen unterscheiden, die wohnungslose Menschen an den restlichen 364 Tagen des Jahres machen.

Heinz-Dieter Alpert ist zum dritten Mal dabei. Allein, so wie er auch lebt. Die Kinder wohnen im Sauerland, mit seiner früheren Lebensgefährtin hat der 63-Jährige nur noch sporadisch Kontakt. Zwar hat Alpert in Kreuzberg zurzeit eine vom Sozialamt finanzierte Wohnung, doch er muss dort schon länger ohne Strom und Gas auskommen – als Diabetiker und Herzpatient braucht er acht Medikamente, das Geld dafür werde ihm vom Sozialamt nicht mehr erstattet. „Dieses Fest ist eins von wenigen Highlights im Jahr“, sagt er. Tränen laufen ihm bei diesen Worten über die Wangen, doch seine Augen und auch der Mund mit den wenigen verbliebenen Zähnen lächeln. Zweimal war der seit 2003 trockene Alkoholiker schon länger obdachlos. „Im Winter habe ich in U-Bahnen geschlafen und bin ziellos durch die Stadt gelaufen, damit meine Füße warm bleiben”, erzählt er. Früher hat er mal am Kurfürstendamm gelebt, als Schweißer gearbeitet und gutes Geld verdient, doch durch die Drogenabhängigkeit seiner Lebensgefährtin und den eigenen Alkoholismus geriet er in eine Spirale der Armut und Hoffnungslosigkeit.

Heute versucht er, trotz der großen Einsamkeit, die er oft spürt, stark zu bleiben: Er liest viel, zurzeit die Reportagen, Rezensionen und Gedichte von Erich Kästner – „einem der am meisten unterschätzten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts“, so Alpert – und möchte nicht aufgeben, immer Neues lernen. „Es wäre schön, wenn ich einen Internet- oder Fotografiekurs machen könnte“, sagt er. Dann wenden sich seine Augen zur Bühne. Dort begrüßt Marcus Zander, der Sohn von Frank, – den Sänger verehrt Alpert schon seit dessen Anfangszeiten bei den Gloomys – gerade die Gäste.

Finanziert und getragen wird das Fest ausschließlich aus Spenden und von freiwilligen Helfern. Auch die BVG beteiligt sich und setzt für den Transport der Gäste an die Sonnenallee fünf doppelstöckige Busse ein. Das Hotel gibt 2800 Gänsebraten zum Sonderpreis heraus und stellt kostenlos sein Convention Center, Technik und Personal zur Verfügung. Dazu kommen rund 40 weitere Firmenspenden und auch Geldspenden von Berliner Bürgern. Auf diese Weise können sich die Gäste unter anderem die Haare schneiden und massieren lassen, es gibt zahlreiche Geschenke, Obst und Süßigkeiten, auch für Kinder.

Eine Besonderheit der Feier ist das Personal, das an den 270 festlich geschmückten Elfer-Tischen serviert. Traditionell übernehmen Prominente den Tischdienst, in diesem Jahr sind rund 30 gekommen. Darunter Nina Hagen, Heidi Knake-Werner, Heinz Buschkowsky und Wolfgang Lippert. Viele waren schon in den letzten Jahren dabei und haben wie Buschkowsky und Lippert bei der Balance mehrerer großer Teller des Öfteren echtes Servicetalent bewiesen.

Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast ist zum ersten Mal dabei. „Es macht großen Spaß, diesen Menschen mit angemessenem Respekt zu begegnen und ihnen formvollendet zu servieren“, sagt sie und jongliert souverän zwei Teller mit Gänsekeulen in ihren Händen. Woher sie das so gut kann? „Ich war als Studentin Kellnerin.“ Ihr Konkurrent von der SPD, der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, ist nicht da.

Nach dem Weihnachtsessen sollte der unterhaltsame Teil des Abends beginnen. Auf der großen Bühne wurden unter anderem Nina Hagen, Die Wildecker Herzbuben, das Deutsche Fernsehballett des MDR und Frank Zander mit Band erwartet. Getanzt werden sollte dann auch bald unten im Saal, denn lange hielt es viele Gäste nicht auf ihren Plätzen. Manche tanzen allein, versunken und mit glücklichem Gesichtsausdruck schunkeln sie zu einem alten Rockklassiker. Andere schwofen zu zweit, eine vielleicht nicht immer ganz taktsichere, dafür aber um so fröhlichere Disco-Fox-Version. In ihrem strahlenden Lächeln spiegelt sich die Freude am gegenwärtigen Moment, zu dem Kälte, Einsamkeit und Not keinen Zutritt haben. Heinz-Dieter Alpert sitzt am Rand der Tanzfläche, tanzen kann er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr. Doch seine Augen glänzen.

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