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Baustellen: Wie ich zur Wegweiserin im BVG-Ersatzverkehr wurde

Die BVG baut, die Fahrgäste müssen umsteigen. Verwirrend, finden Touristen. Ein konzentrierter Blick auf den Fahrplan ist im Dschungel des Berliner Ersatzverkehrs überlebenswichtig, findet unsere Autorin, die neu in der Hauptstadt ist.

Ein Tag als Tourist in Berlin will gut geplant sein. Als Neuling in der Hauptstadt mache ich mich an meinem freien Tag auf zum Ku’damm, eine Runde Shoppen und die Gedächtniskirche fotografieren. Danach soll es zur Eastside Gallery gehen. Kunst und Konsum gepaart mit einem strategischen Vorteil: Ich kann direkt vom Kürfürstendamm mit der U1 Richtung Warschauer Straße fahren. Fast zumindest, denn zwischen Wittenbergplatz und Möckernbrücke wird gebaut, und das noch bis zum 30. September, wie mir die Plakate an der Haltestelle ankündigen.

Von Wittenbergplatz bis zum Mendelssohn-Bartholdy-Park soll ich die U2 nehmen, dann in einen Ersatzbus zur Möckernbrücke steigen und unterwegs auch noch die Ansagen beachten. So zeigt es die Laufschrift auf der Anzeigetafel am Bahnsteig an. Das klingt umständlich, also werfe ich erstmal einen Blick auf den Fahrplan, um mir den Umweg räumlich vorstellen zu können.

Mit mir steigt eine Familie aus den USA in die U-Bahn. Sie wohnen mittlerweile in London und machen noch bis Montag Urlaub in Berlin. Als die U-Bahn nach einer Station anhält, lautet die Durchsage: Bitte alles Aussteigen, Zug endet hier. Die meisten bleiben sitzen. Erst als der BVG-Mitarbeiter mit gelber Warnweste durch die Waggons geht und die Passagiere auffordert, auszusteigen, leert sich die Bahn.

Etwas verdutzt stehen die Amerikaner am Gleis und schauen sich um. "Da lang!", will ich schon sagen, da kommt mir ein Berliner zuvor. "Wohin wollen sie?", fragt er auf Englisch. "Brandenburger Tor", antwortet die Mutter. Der etwa 40-Jährige erklärt den Eltern, dass sie hier am besten in einen Bus steigen sollen. „Zum Glück hat uns der nette Herr hier geholfen“, sagt der amerikanische Vater. Ihnen bleibt der Umweg zur Möckernbrücke erspart.

Ich stiefele zum nächsten Bahngleis zur U2. Der konzentrierte Blick auf den Fahrplan darf nicht fehlen: Ich muss in Richtung Pankow, an der vierten Haltestelle aussteigen. Nach zehn Minuten habe ich es geschafft, ich steige am Mendelssohn-Bartholdy-Park aus. Schilder weisen mir den Weg zum Ersatzbus.

Kurz vor dem Ausgang treffe ich auf drei verwirrte Italienerinnen. Sie stehen vor dem Plan, brabbeln hektisch auf Italienisch, fuchteln mit den Händen, blicken auf den Fahrplan, den eine von ihnen in der Hand hält. Als sich unsere Blicke treffen, kommt die blonde Dame in grüner Regenjacke auf mich zu: Wissen sie, wie wir hier zur U1 kommen?“, fragt sie mich auf deutsch. Ich erkläre ihr, dass sie erst in die U2 Richtung Ruhleben und dann am Wittenbergplatz in die U1 umsteigen müssen.

An diesem Punkt schlägt bei der Frau das italienische Temperament durch. Sie schüttelt den Kopf und fragt aufgebracht: „Was? Aber woher soll ich das denn wissen? Ich komme hier mit dem Bus an, ok, das funktioniert. Aber dann: wohin?“  Mit ihren beiden Bekannten ist sie auf dem Weg zum Käthe-Kollwitz-Museum, aussteigen wollen sie an der Haltestelle Uhlandstraße. „Es ist kompliziert.“ Dann lacht sie und fügt hinzu: „Aber wir kommen aus Italien, da ist es alles noch schlimmer.“

Den Weg zum Ersatzbus finde ich nicht allein – ich folge einfach dem Pulk von Berlinern und Touristen. Der Bus hält direkt vor der Möckernbrücke, dort folge ich den Pfeilen zur U1 – geschafft. Den Test „Finde dich im Berliner Ersatzverkehr zurecht“, habe ich bestanden.

Die Gruppe, die ich auf dem Rückweg an der Möckernbrücke treffe, nicht ganz. Ah, Schwaben, denke ich, als ich sie vor der Bushaltestelle diskutieren höre. Nach links, wo eine Gruppe Menschen steht und auf den Bus wartet, oder nach rechts, wo die Busse bereits stehen? Sie entscheiden sich für links und liegen richtig. Was den beiden Ehepaaren und einem Sohn aber nicht klar ist: An der Endhaltestelle des Ersatzbusses, Mendelsohn-Bartholdy-Park, hält die U1 nicht. Mir ist es klar und ich weise die Vier, die aus Ravensburg am Bodensee kommen, darauf hin. „Aha“, sagt einer der beiden Herren und schaut mich an. „Bisher haben wir alles gefunden. Aber wie kommen wir jetzt zur Gedächtniskirche?“

Ich krame meinen Fahrplan aus und zeige den Weg. Erst in die U2, dann in die U1. „Also wenn die U1 gleich hier abfahren würde, wäre es einfach. Aber so…“. Der andere Mann schaut mir über die Schulter und sagt: „Lasst uns doch einfach mit der U2 zum Zoologischen Garten steigen. Von dort laufen wir dann zur Gedächtniskirche. Ist doch einfacher.“

Als wir aussteigen, bedanken sich die Vier bei mir, ich wünsche noch einen schöne Woche in Berlin. Ich fahre nach Hause und nehme die U2 Richtung Pankow. Auf der Strecke wartet gleich der nächste Schienenersatzverkehr auf mich: Zwischen Senefelderplatz und Pankow – "Alles aussteigen, dieser Zug endet hier!"

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