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Beinahe 2,5 Millionen Berliner sind am 18. September aufgerufen, ein neues Abgeordnetenhaus zu wählen.

© dpa

Wahl in Berlin: Linke Kandidaten müssen um Wahlkreise bangen

Eine Prognose für den Tagesspiegel zeigt: Die SPD könnte ihrem Koalitionspartner wichtige Wahlkreise streitig machen. Vor allem in der Innenstadt werden sich viele Kandidaten ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der große Verlierer der Berliner Wahlen am 18. September wird wohl die Linkspartei sein. Der bisherige Koalitionspartner der SPD muss voraussichtlich selbst in seinen Hochburgen im Osten der Stadt weiteres Terrain aufgeben, und zwar in Mitte und Friedrichshain, Lichtenberg und Marzahn. Zwar sieht es so aus, als wenn die Linke bei der Abgeordnetenhauswahl ihr bescheidenes Ergebnis von 2006 (13,4 Prozent) behaupten könnte. Doch die Partei muss damit rechnen, prestigeträchtige Wahlkreise zu verlieren.

Der Hamburger Wahlinformationsdienst election.de hat diese Prognose im Auftrag des Tagesspiegel erstellt. Demnach werden mehrere prominente Linken-Politiker das Rennen um die Wählergunst in ihren Wahlkreisen verlieren. Das gilt für die Sozialsenatorin Carola Bluhm, die rund um Museumsinsel und Friedrichstraße direkt kandidiert. Die Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher muss in Friedrichsfelde (Lichtenberg) um den Wahlkreis bangen. Ebenso geht es dem Linken-Landeschef Klaus Lederer in Niederschönhausen (Pankow) und dem Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Udo Wolf. Er kandidiert ebenfalls in Pankow, und zwar an der Schönhauser Allee.

In all diesen Wahlkreisen liegen zurzeit nach Einschätzung der Wahlforscher SPD-Kandidaten vorn. Nur der Spitzenkandidat der Linken, Wirtschaftssenator Harald Wolf, wird voraussichtlich seinen Wahlkreis in der Umgebung von Karlshorst (Lichtenberg) vor der politischen Konkurrenz behaupten.

Die bisherigen Koalitionspartner SPD und Linkspartei liefern sich einen Wettlauf um Direktmandate, davon abgesehen ist aber nur bei wenigen Wahlkreisen vorauszusehen, dass sie von einer anderen Partei gewonnen werden als bisher. In Mitte, rund um den Rosenthaler Platz, könnte die Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop einen bisherigen SPD-Wahlkreis gewinnen. Die frühere Sozialdemokratin Canan Bayram, die 2009 zu den Grünen wechselte, hat gute Chancen, der SPD den Wahlkreis am Frankfurter Tor (Friedrichshain) wegzuschnappen. Der CDU droht der Verlust eines Wahlkreises im südlichen Reinickendorf. Dort könnte am Wahltag der SPD-Kreischef Jörg Stroedter siegen.

Dies sind jedoch Momentaufnahmen. In innerstädtischen Kiezen wird es zwischen den Direktkandidaten von SPD, Grünen, CDU und Linken zu Kopf-an-Kopf-Rennen kommen. Das gilt vor allem für Tempelhof-Schöneberg und Pankow sowie für Teile von Mitte und von Charlottenburg-Wilmersdorf. Wenig Bewegung sieht der Geschäftsführer von election.de, Matthias Moehl, hingegen im Westen der Stadt – "sieht man davon ab, dass die Grünen etwas zulegen". Sie können ihr Kerngebiet Kreuzberg ein wenig ausbauen, ebenso wie Prenzlauer Berg im Osten der Stadt. Die westlichen Hochburgen von CDU und SPD scheinen aber ein Hort der Stabilität zu sein. Die CDU behauptet die Außenbezirke mit Ausnahme Spandaus, aber auch den wohlhabenderen Teil Charlottenburgs. Mit Ausnahme Kreuzbergs bleibt den Sozialdemokraten der innerstädtische Bereich.

Sehr viel mehr Dynamik, so Moehl, sei in den östlichen Bezirken zu beobachten, und das gehe eindeutig zulasten der Linken. "Davon profitiert die SPD." Sie kann im Osten nicht nur Treptow-Köpenick und den größten Teil Pankows halten, sondern dringt auch nach Lichtenberg und Marzahn vor.

Der SPD-Spitzenkandidat Klaus Wowereit wird laut Prognose keine Mühe haben, seinen Wahlkreis in Halensee (Charlottenburg-Wilmersdorf) zu behaupten. Gegen ihn kandidiert unter anderem der FDP-Landeschef Christoph Meyer. Er hat keine Chancen. Auch der CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel wird seinen Wahlkreis im südlichen Tiergarten (Mitte) wohl nicht gewinnen können.

Election.de ist kein klassisches Meinungsforschungsinstitut. Das kleine Institut in Hamburg erarbeitet seit 2001 für Presse und Rundfunk, aber auch für Parteien und Kandidaten Wahlanalysen. Grundlage ist ein sogenanntes Projektionsverfahren, das neben aktuellen Umfragen auch lokale Trends, demographische Daten und langfristiges Wahlverhalten einbezieht. Dadurch wird es möglich, politische Meinungstrends nicht nur landesweit, sondern auch regional bis in die städtischen Kieze aufzuspüren.

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