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Der Neue: 12 Meter lang, dreieinhalb Meter hoch und 350 PS und 18 Tonnen stark

© Stefan Rost

Neuer Bücherbus für Steglitz-Zehlendorf: Eine fahrende „Bühne“ aus Büchern

Er ist zwölf Meter lang, knapp dreieinhalb Meter hoch - und hat 350 PS: Dass der neue Bücherbus, eine Sonderanfertigung aus Finnland, nun in der Garage der Gottfried-Benn-Bibliothek bereitsteht, erfüllt alle Beteiligten mit Stolz.

Noch sind die Regale nur teilweise gefüllt. Hier stehen drei DVDs, dort acht Bücher und an anderer Stelle zwei CDs. Es riecht nach neu: nach frischer Farbe, nach Gummi und nach Holz. Weil einige Regale nachjustiert werden müssen, liegen Zange, Bohrer und Schraubendreher bereit. Es ist noch viel zu tun, bis der neue Bücherbus der Stadtbibliothek Steglitz-Zehlendorf seine erste Haltestelle im Bezirk anfahren kann. Annähernd 4000 verschiedene Medien müssen in die Regale sortiert, die Mitarbeiter eingewiesen, die Nummernschilder angeschraubt werden. Zuletzt gibt es noch eine technische Abnahme des Busses. Am Sonnabend, den 21. Januar, soll alles perfekt sein. Vor dem Rathaus Zehlendorf wird dann ab 11 Uhr der neue Bücherbus offiziell eingeweiht.

Stefan Rost, Leiter der Fahrbibliothek Steglitz-Zehlendorf, wirkt in diesen Tagen angespannt und gelöst zugleich. Einerseits hofft er, dass sein Zeitmanagement bis zur Einweihung funktioniert, andererseits scheint eine Last von ihm abzufallen. Denn ein neuer Bücherbus war längst überfällig, wie er betont. „Seit 1999 habe ich jährlich einen Antrag gestellt, dass wir einen neuen Bus brauchen.“ Denn der ältere der beiden Busse, die bisher im Einsatz sind, 28 und 23 Jahre alt, hätte nicht mehr lange durchgehalten. Vor allem der Rost mache den Fahrzeugen schwer zu schaffen. Deshalb müssen sie oft in die Werkstatt und deshalb kommt es oft zu Ausfällen.

Erst durch die beherzte Initiative der Bürgerstiftung Steglitz-Zehlendorf und des Freundeskreises der Stadtbibliothek Steglitz-Zehlendorf kam das Projekt endlich ins Rollen, sagt Rost. Im April 2015 starteten sie einen Spendenaufruf unter dem Motto: Ein Bücherbus ist ein Muss! Schirmherr war der Regisseur und Filmproduzent Volker Schlöndorff. Bei der Aktion kamen insgesamt 15.000 Euro zusammen. „Ohne die Spenden hätten wir den neuen Bus nicht kaufen können“, erklärt der Leiter der Fahrbibliothek weiter.

Die Gesamtkosten für das neue Fahrzeug belaufen sich auf rund 470.000 Euro. Den größten Teil der Summe trägt der Bezirk. Doch warum ist das so teuer? „Die Frage höre ich oft“, sagt Stefan Rost und erklärt, „dass ein solcher Bus für eine Lebensdauer von 25 Jahren bestimmt ist.“ Ein Bus im normalen Stadtverkehr werde nach zehn bis zwölf Jahren ausrangiert. Ein Bücherbus hingegen fahre wenig und stehe viel. Der alte Bus sei zum Beispiel nur 160.000 Kilometer gefahren. Damit die Karosserie also nicht zu schnell rostet, müssen hochwertige Materialien verbaut werden. „Deshalb sind die Außenwände aus Edelstahl und das ist teuer.“

Dass der zwölf Meter lange, rund zweieinhalb Meter breite und knapp dreieinhalb Meter hohe neue Bücherbus heute nun in der Garage hinter der Gottfried-Benn-Bibliothek in Zehlendorf steht, erfüllt alle Beteiligten mit Stolz. Denn das Fahrzeug mit einer Leistung von 350 PS und zugelassenen 18 Tonnen ist eine Sonderanfertigung und wurde in dem kleinen Ort Kausala in Finnland extra für Steglitz-Zehlendorf gefertigt. Das Team der Fahrbibliothek - fünf Bibliothekare und fünf Busfahrer – beschäftigt sich seit etwa einem Jahr intensiv mit diesem Projekt. Wie beim Bau eines Hauses, mussten vorher etliche Fragen geklärt werden, etwa: wohin kommen die Türen, Fenster, der Eingang und die Toilette? Oder: wie wird ein barrierefreier Zugang ermöglicht?

Mit einer Fähre wurde der fertige Bus von Helsinki nach Travemünde gebracht

Nachdem die Firma Volvo den fahrbaren Untersatz, ein so genanntes Bus-Chassis gefertigt hatte, konnte ab Mai 2016 mit dem Aufbau begonnen werden. Zunächst wurde ein Stahlgerüst zusammengeschweißt und auf den Chassis montiert, dann die Außenwände angebracht. Es folgte der Innenausbau mit Regalen, Fußboden, Heizung, Klimaanlage, Toilette, Fahrerraum und einem Arbeitsplatz. „Wir haben jetzt zum ersten Mal einen ergonomischen Schreibtisch und Stuhl, beide sind höhenverstellbar“, erläutert Stefan Rost. Auch die Beleuchtung im Bus sei besser als vorher und bei greller Sonne könne der Innenraum abgedunkelt werden.  

Anfang Dezember 2016 war es dann soweit: Mit einer Fähre wurde der fertige Bus von Helsinki nach Travemünde gebracht und später nach Hamburg gefahren. „Dort gab es noch eine technische Abnahme und den TÜV“, sagt Rost.

Was bis dahin fehlte? Die Außengestaltung des Busses. Dazu hatte der Bezirk zuvor einen Wettbewerb ausgelobt. Aus sieben Vorschlägen wurden drei ausgewählt, danach waren die Bürger gefragt. Online und in den Bibliotheken konnten sie für ihren Favoriten stimmen. Es beteiligten sich 500 Personen. Ganz knapp mit nur fünf Stimmen Vorsprung gewann ein Entwurf, der eine Silhouette der Wahrzeichen von Steglitz-Zehlendorf zeigt. So schmücken den Bus jetzt auf grau lackiertem Untergrund Motive wie die Glienicker Brücke, das Strandbad Wannsee, die Freie Universität, der Bierpinsel und das Rathaus Steglitz.

Stefan Rost leitet seit 1999 die Fahrbibliothek Steglitz-Zehlendorf
Stefan Rost leitet seit 1999 die Fahrbibliothek Steglitz-Zehlendorf

© Anett Kirchner

Es kann also losgehen. Die neue „Bühne“ für Stefan Rost ist bereitet. So nennt er selbst die Bücherbusse. „Denn sie müssen bespielt werden“, beschreibt er. „Ich kenne hier 80 Prozent der Medien und 80 Prozent der Menschen, die zu uns kommen.“ Wer liest was gern und was nicht, wer hat privat Probleme, ist jemand krank, wurde ein Kind geboren oder ist jemand verstorben? Stefan Rost ist ganz nah an den Lesern dran und hat inzwischen mehrere Generationen begleitet. Seit 1993 ist er in den Bücherbussen im Bezirk unterwegs und seit 1999 leitet er die Fahrbibliotheken.

Pro Jahr zählt er etwa 200.000 Ausleihen in den Bussen. Im Vergleich zu den anderen sechs Berliner Bezirken, in denen es auch Fahrbibliotheken gibt, hat Steglitz-Zehlendorf hierbei die Nase vorn. Fünfmal pro Woche, vormittags und nachmittags fahren die Busse 28 Haltestellen an; davon 16 Grundschulen. Bei der feierlichen Einweihung am 21. Januar können in dem neuen Bücherbus zum ersten Mal Medien ausgeliehen werden. Bezirksbürgermeisterin Cerstin Richter-Kotowski (CDU) und Volker Schlöndorff werden den neuen Bus taufen. Zudem ist in der Gottfried-Benn-Bibliothek eine Ausstellung mit Bildern aus 60 Jahren Fahrbibliothek in Steglitz-Zehlendorf geplant. Der alte, marode Bücherbus hat damit ausgedient. Er soll demnächst versteigert werden.      

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