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Lilienthalpark im Mai

© Boshena Kaiser

Im Porträt: Hobby-Fotografin Boshena Kaiser: Der Himmel über Steglitz-Zehlendorf

Ihre Motive sind Häuser, Parks, Denkmale oder öffentliche Verkehrsmittel in Steglitz-Zehlendorf - am liebsten bei typischem Aprilwetter. Mehr als zweitausend Follower hat die Hobby-Fotografin Boshena Kaiser bereits. Ein Porträt.

Der S-Bahnhof in Lichterfelde-Ost: Es ist März, am späten Nachmittag. Der Himmel färbt sich langsam rot. Doch nicht gleichmäßig. Die Farbtöne wechseln ständig: von zartrosa, beinahe weiß, über Himbeer- zu Blutrot. Dazwischen wenige Wolken, die das Licht der Abendsonne reflektieren. Boshena Kaiser schaut hinauf. Ihre Augen huschen hin und her und visieren einen bestimmten Ausschnitt des Himmels an. Sie zückt ihr Smartphone. Zack. Schon ist das Bild für immer festgehalten und schnell bei Twitter, Facebook, Flickr und Instagram gepostet. Die 35-Jährige aus Lankwitz liebt es, zu fotografieren und ihre Bilder anschließend im Internet zu veröffentlichen; vor allem den #HimmelüberBerlin.
Unter diesem Hashtag hat sie sich inzwischen in den sozialen Netzwerken der Hobby-Fotografie-Szene in die Herzen vieler User fotografiert. Allein bei Twitter folgen ihr etwa 2500 Personen, genau so viele Abonnenten hat sie bei Instagram, wo sie vor allem unter dem Hashtag #WeloveSteglitz postet. Eines der erfolgreichsten Bilder von ihr war zum Beispiel das Motiv einer verfallenen Villa in der Beymestraße in Steglitz. Erfolg ist zwar immer relativ, aber im Internet in den sozialen Netzwerken bemisst sich dieser hauptsächlich mit der Anzahl von Retweets oder Likes.

189 Likes und 91 Retweets bekam sie unter anderem für den Schnappschuss eines vollständigen Regenbogens über dem Tempelhofer Feld. Ihr Name bei Twitter ist @berlinka_lg. Das Wort „BerlinKa“ kommt aus dem Russischen und bedeutet auf Deutsch soviel wie Berlinerin. Boshena Kaiser ist in der ehemaligen Sowjetunion geboren und aufgewachsen; genau gesagt in Asgabat, der Hauptstadt vom heutigen Turkmenistan. Ihre Großeltern sind Russlanddeutsche, deshalb kam sie mit ihrer Familie als Spätaussiedlerin 1998 nach Berlin. Da war sie gerade 17, musste Klassenkameraden und Freunde in der Heimat zurücklassen. „Es gab damals viele Tränen“, erinnert sie sich. Doch heute sei sie hier Zuhause; hier in Steglitz-Zehlendorf, wo ihre Familie seither wohnt.
Sie machte in Steglitz das Abitur nach, studierte einige Semester Psychologie an der Technischen Universität (TU) Berlin, bekam ein Kind und konzentrierte sich zunächst auf ihre Familie. Heute ist ihr Sohn neun Jahre alt und sie arbeitet als Verwaltungsangestellte für das Stadtteilzentrum Steglitz; derzeit konkret im Büro einer Notunterkunft für Geflüchtete. Sie sagt, man könne ihren Neuanfang damals in Deutschland nicht mit dem der Flüchtlinge heute vergleichen. „Wir sind ja nicht aus einem Kriegsgebiet geflohen.“ Trotzdem versucht sie ihre Erfahrungen bei den Asylsuchenden einzubringen. Sprache lernen, Termine nicht verpassen und pünktlich sein - das sei am wichtigsten.

Eigentlich fotografiert sie nur nebenher: Ihre neue Heimat Steglitz-Zehlendorf bietet der gebürtigen Turkmenin immer wieder neue Motive
Eigentlich fotografiert sie nur nebenher: Ihre neue Heimat Steglitz-Zehlendorf bietet der gebürtigen Turkmenin immer wieder neue Motive

© Anett Kirchner

Und außerdem? Papiere, Briefe und Dokumente sammeln. Nichts wegwerfen. „Das erste, was ich gelernt habe, war, dass ich viele Ordner kaufen musste.“ Sie lächelt und schaut etwas verlegen zu Boden. Die vielen Fragen. Sie wisse gar nicht, ob sie auf alles richtig antworte. „Das ist mein erstes Interview“, sagt sie. Doch Themenwechsel. Es geht wieder um die Fotografie. Sie setzt sich aufrecht hin und wirkt gleich selbstbewusster. „Ich habe mir alles selbst beigebracht“, erklärt sie und verrät, dass ihr vor allem die Beschreibungen im Internet geholfen hätten. Zum Beispiel wie man die Belichtung oder Verschlusszeit einstellt.

Fast immer fotografiere sie manuell; außer die Bilder mit dem Smartphone. Im Vergleich zu heutigen Jugendlichen, habe sie relativ spät einen eigenen Fotoapparat bekommen. „Da war ich schon 20 und die Kamera hatte noch einen Film mit nur 36 Bildern, die ich entwickeln lassen musste.“ Aus heutiger Sicht: undenkbar. Wenn Boshena Kaiser auf Reisen ist, fotografiert sie pro Woche schon mal 10.000 Bilder. Doch nicht nur auf Reisen, auch hier in Berlin hat sie ihre Spiegelreflex-Kamera fast immer dabei. Manchmal geplant bei bestimmten Veranstaltungen, manchmal einfach so auf dem Weg zur Arbeit, bei einem Familienausflug oder wenn sie abends mit Freunden ausgeht. Sofern es ihre Zeit erlaubt, setzt sie sich auch gern für einen Moment hin, hält inne, schaut dem quirligen Stadtleben zu und beobachtet, wie sich ständig alles verändert.

Bald beginnt ihr Lieblingsmonat - was das Fotografieren betrifft

Weil sie hier im Bezirk lebt und arbeitet, sind die meisten Motive ihrer Fotos Momentaufnahmen aus diesem Stadtteil, wie etwa Schlossstraße, Rathaus und Stadtpark Steglitz, Gemeindepark Lankwitz, Teltower Damm in Zehlendorf oder die S-Bahnhöfe. Selten fotografiert sie Menschen: „Weil ich die Fotos veröffentliche und nicht ungefragt jemanden ins Netz stellen möchte.“ Die Privatsphäre der Menschen müsse geschützt werden. Das sei ihr auch für sich selbst wichtig. Und dann verrät Boshena Kaiser noch ihr Lieblingswetter: es ist das typische Aprilwetter, wenn sich blauer Himmel, Sonne, Wolken und Regen abwechseln. „An solchen Tagen ist das Licht besonders schön“, schwärmt sie. Dann ziehe es sie hinaus zum Fotografieren: Häuser, Parks, Denkmale, Straßen oder Öffentliche Verkehrsmittel – jeweils in einem bestimmten Kontext, mit einer festlichen Beleuchtung zum Beispiel oder mit einem besonders auffälligen Himmel. So, wie an diesem Nachmittag in Lichterfelde-Ost. Sie sieht es als Vorgeschmack auf das, was demnächst kommen mag. Denn in wenigen Tagen beginnt wieder der April.

Der Text erscheint auf Tagesspiegel Zehlendorf, dem digitalen Stadtteil- und Debattenportal aus dem Berliner Südwesten. Folgen Sie der Redaktion Zehlendorf auch auf Twitter.

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