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Update

Explosion in Berlin-Mariendorf: Schließfächer geleert, Sparkasse gesprengt

Knall am Sonntagmorgen: Mit der Explosion in einer Sparkasse in Mariendorf, bei der die Filiale schwer beschädigt wurde, sollten wohl Spuren verwischt werden. Die Täter hatten es auf Schließfächer abgesehen.

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Die ältere Dame, die sich ihren Weg am rot-weißen Flatterband entlang durch Wasser, Laub und Scherben bahnt, ist sehr aufgeregt: "Ich habe es geahnt", sagt sie zu einem der Polizisten, der die stark zerstörte Sparkassenfiliale am Mariendorfer Damm 118 absichert: "Ich war verreist und hatte deshalb alle Wertpapiere, aber auch Geldkarten und Schmuck hier im Schließfach deponiert. Am Freitag bin ich zurückgekommen und wollte es wieder nach Hause holen. Aber dann habe ich keinen Parkplatz gefunden und es auf Montag verschoben."

Der Polizist darf der Frau keine Auskunft geben, aber tatsächlich sind fast alle Schließfächer im Keller der Filiale - mehr als hundert - leer. Zunächst sah es so aus, als wäre wieder ein Geldautomat gesprengt worden. Doch der Einbruch hatte die Schließfächer zum Ziel. Und die Explosion, die am Sonntagmorgen viele Anwohner aufgeschreckt hatte, sollte offenbar nur Spuren verwischen.

Es war um 6.50 Uhr, als bei der Polizei die ersten Anrufe beunruhigter Anwohner eingingen: Sie hatten einen lauten Knall gehört - eben die Explosion in der Sparkasse, die im Erdgeschoss eines mehrstöckigen Nachkriegsbaus untergebracht ist.

Die Beute des Sparkassenüberfalls von Mariendorf 2014 soll zum Kauf von Immobilien verwendet worden sein.
Die Beute des Sparkassenüberfalls von Mariendorf 2014 soll zum Kauf von Immobilien verwendet worden sein.

© Wolfgang Kumm/dpa

Als kurz darauf die ersten Beamten am Tatort eintrafen, bot sich ihnen ein Bild der Zerstörung: Mehrere große Schaufensterscheiben waren zu Bruch gegangen, der Kassenraum war verwüstet - und im Keller standen fast alle Schließfächer offen und waren leer.

Gefährliche Explosion. Die Täter hatten versucht, die Spuren eines Bankeinbruchs zu verwischen.
Gefährliche Explosion. Die Täter hatten versucht, die Spuren eines Bankeinbruchs zu verwischen.

© Sandra Daßler

Nach ersten Erkenntnissen der Polizei waren die Täter über den Seiteneingang in die Filiale eingedrungen, indem sie die Tür aufbrachen. Dann bahnten sie sich ihren Weg in den Keller, wo sich laut Polizei Dutzende Schließfächer befinden. Diese brachen die Täter auf und nahmen den Inhalt mit. Die Geldautomaten, in der Vergangenheit meist das Ziel von Bank-Einbrechern, blieben hingegen unangetastet.

Vermutlich Gas zur Explosion gebracht

Ob die Täter auf dem Weg hinaus eine Flüssiggasflasche leerten und damit das Luft-Gas-Gemisch zur Explosion brachten, ist eine Vermutung, die sich bislang nicht bestätigt hat. "Wir haben jedenfalls bislang keine Hinweise auf ein Flüssiggasflasche gefunden", sagt ein Sprecher. Auch zu Spekulationen, wonach sich die Einbrecher verkalkulierten und die Detonation stärker ausfiel als von ihnen gewünscht, will er sich nicht äußern. Die Zerstörungen waren jedenfalls erheblich. Dabei setzten die Täter nicht nur ihr eigenes Leben aufs Spiel, sondern auch das der Menschen, die in den vier Etagen über der Sparkasse wohnen. Ein derart massiver Einbruch samt Explosion ist auch für erfahrene Polizisten "schon etwas Besonderes", sagte ein Polizist am Tatort, während mehrere Kriminaltechniker ermittelten, was sich in der Filiale genau zugetragen hat. Nach dem Knall wollen Zeugen gesehen haben, wie ein graues Auto vom Tatort wegfuhr. Ob es sich dabei um das Fluchtfahrzeug handelte, ist bislang unklar. "Wir ermitteln und werten die Zeugenbefragungen aus", sagt der Sprecher: "Aber bislang fehlt von den Tätern jede Spur. Die Polizei sucht dringend nach Zeugen.

Baufaufsicht musste das Haus begutachten

Noch am Mittag standen einige Mieter auf den Balkonen und diskutierten über den Einbruch. "Alle sind froh, dass wenigstens niemand verletzt wurde", sagte ein Anwohner dem Tagesspiegel. Der junge Mann wohnt nicht direkt über der Sparkasse, sondern im Hinterhaus. "Ich habe auch einen Knall gehört", sagte er: "Aber ich dachte, es sei ein Unfall auf dem Mariendorfer Damm. Da knallt es häufiger, seitdem es eine Baustelle gibt." Seit dem Morgen habe seine Wohnung keine Wasserversorgung mehr, auch das Telefon funktioniere nicht. Die Bauaufsicht des Bezirks, die am Vormittag ebenfalls zur Stelle war, muss nun entscheiden, ob das Gebäude eventuell geräumt werden muss. Die Mieter der unteren Etagen waren unmittelbar nach der Detonation von der Polizei aufgefordert worden, ihre Wohnungen zu verlassen. Inzwischen durften sie diese aber wieder betreten.

Erbstücke aus den Fächern gestohlen

Der Verkehr am Mariendorfer Damm war wegen der Ermittlungen am Sonntagmorgen bis 10 Uhr gesperrt, seitdem ist die Straße wieder freigegeben. Der Bürgersteig war weiter auf einer Länge von etwa 300 Metern mit rot-weißen Flatterleinen abgesperrt, das neben der Sparkasse liegende Autohaus mit mehreren zum Verkauf angebotenen Wagen blieb unversehrt. Vor der Sparkasse vermischten sich die Scherben mit Herbstlaub und Löschwasser. Durch die Detonation war auch ein Brand entstanden, den die Feuerwehr aber schnell unter Kontrolle hatte.

Zu den Schaulustigen, die sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite versammeln, gesellten sich im Laufe des Tages immer mehr Betroffene. Neben der älteren Dame, meldete sich auch ein Mann, dem eines der Schließfächer gehört. Ihm standen die Tränen in den Augen. Er habe in der Sparkasse Schmuck, darunter einige Erbstücke von seiner verstorbenen Frau, deponiert. Alles sei nun weg, sagte er traurig. Hoffnung auf Ersatz mache er sich kaum: In der Filiale weise ein Schild darauf hin, dass Schmuck und Geld im Schließfach nicht versichert seien.

Anfang Mai war eine Bankfiliale am Mehringdamm Ziel einer Gruppe von Kriminellen. Sie sprengten dort allerdings einen Geldautomaten und entkamen mit der Beute. Auch damals hörten Zeugen nach Angaben der Polizei erst einen lauten Knall, dann stieg Rauch aus der Bankfiliale auf. Sie riefen die Polizei und sahen drei Personen, die aus der Bankfiliale kamen. Die Unbekannten luden etwas - vermutlich die Beute - in ein bereitstehendes Auto und fuhren in Richtung Platz der Luftbrücke davon. Es gab keine Verletzten.

Verschlusssache

Alle vier Minuten brechen Kriminelle in Deutschland in eine Wohnung oder ein Haus ein. Die Zahl der Fälle steigt jährlich, auch in Berlin. Verbraucher machen sich deshalb Sorgen um den geerbten Schmuck, die Münzsammlung oder wichtige Unterlagen. Die Nachfrage nach Bankschließfächern ist daher in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. So sind bei der Berliner Sparkasse derzeit 80 Prozent der kleinen Fächer im Tresorraum belegt.

Die Konditionen sind sehr unterschiedlich und die Größen der Schließfächer nicht standardisiert: In Berlin kosten Fächer je nach Größe zwischen 35 und 476 Euro im Jahr.

In den meisten Filialen haben die Kunden nur zu den Öffnungszeiten Zugriff auf ihre Schließfächer. Sie müssen sich am Schalter mit Personalausweis oder Reisepass ausweisen, damit der Bankmitarbeiter ihnen den Tresorraum aufschließt.

Einlagern darf man fast alles. Ausgenommen sind nur Waffen oder radioaktives Material. Allerdings macht es nicht bei allen Dokumenten auch Sinn, sie im Banksafe zu lagern, das eigene Testament zum Beispiel. Die Erben kommen dann nur schwer heran.

Der Inhalt ist bei den meisten Banken nicht automatisch versichert. Um die Wertsachen dennoch zu schützen, verkaufen die Banken meist eine zusätzliche Schließfachversicherung – zu unterschiedlichen Konditionen.

Manchmal ist ein Schließfach bereits über die Hausratversicherung versichert – ins Kleingedruckte schauen.

Nach dem Einbruch in die Steglitzer Volksbank („Tunnelcoup“) bot das Institut nicht versicherten Kunden eine Entschädigung an – 30 Prozent des Werts.

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