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West-östliche Soap. Regisseur Ali Al Ali bespricht mit dem Schauspieler Mohammad Almusalam die nächste Szene.

© Sven Davids/Darmer

Filmstadt Berlin: Arabisches Fernsehen dreht Soap in der Hauptstadt

In Berlin entsteht eine 30-teilige Serie fürs arabische Fernsehen. Die Stadtvermarkter versprechen sich davon vor allem eine Menge neuer Touristen aus der Golf-Region.

Schade, nur Schiller. Wäre Goethe nicht viel passender gewesen? „West-östlicher Divan“ und so? Aber der marmorne Goethe steht leider im Tiergarten, dem man – Wald ist Wald – nicht ohne Weiteres ansieht, dass er in Berlin liegt. Das Schiller- Denkmal auf dem Gendarmenmarkt dagegen, im Hintergrund Schinkels Schauspielhaus, zur Rechten der Französische, zur Linken der Deutsche Dom – das ist Berlin pur, das erkennt man sofort, zumal wenn vielleicht gerade noch das Brandenburger Tor durchs Bild gehuscht ist. Da wird jeder Zuschauer, er sitze in Kuwait, Dubai oder sonst wo am Golf vor dem Fernseher, sich gleich sagen: Na klar, det is Berlin.

Schiller also. Am Mittwochvormittag der klassische Hintergrund für eine Szene der Fernsehserie „Memory of a Paper“ – oder besser: „Zakira Min Waraq“, wie sie auf Arabisch heißt. Schließlich ist das Filmteam arabisch, die Helden der Geschichte sind es sowieso, und die Zuschauer werden es ebenfalls sein. Eine Golfrunde an der Spree, sozusagen.

Als vor fünf Jahren Indiens Topstar Shah Rukh Khan in Berlin den Thriller „Don – The King is back“ drehte, waren die Leute vom Stadtmarketing schier außer sich vor Freude, versprachen sich eine enorme Werbewirkung aufs indische Publikum, das bald ganz scharf darauf sein würde, sich die Stadt an der Spree mit all den tollen Drehorten mal selbst anzusehen. Im Vorjahr waren es immerhin 17 306 Gäste vom Subkontinent, gegenüber 2013 eine Steigerung von 8,4 Prozent – ob nun dank Shah Rukh Khan oder warum auch immer, wer kann das wissen.

Aber geschadet hat die indische Hatz durch Berlin dem Tourismus sicher nicht, und so ist Burkhard Kieker, Geschäftsführer vom Stadtvermarkter „Visit Berlin“, wieder voller Optimismus, dass „Memory of a Paper“ sich auf seinen Papieren in steigenden Zahlen von Golf-Touristen niederschlägt. Im Vorjahr waren es bereits 36.758, also 9,1 Prozent mehr als 2013, die Übernachtungen stiegen sogar um 24,6 Prozent. Da sollte sich noch was machen lassen.

Kulturaustausch zur besten Sendezeit

Eine Art Schlüsselfigur ist dabei Sam Hasner, ausführender Produzent der Serie, Libanese mit deutscher Biografie, PR-Mensch in Dubai und mit seiner Website www.almaniah.com eine Art Mittler zwischen den Golfstaaten und Good Old Germany. Zudem mit erprobten Beziehungen zu den Leuten von Visit Berlin, mit denen er den Berliner Dreh einfädelte.

Ein Projekt von beträchtlichem Werbepotenzial, angelegt als west-östliche Soap: Eine Gruppe von Studentinnen und Studenten aus Kuwait, erstmals fern der Heimat, eingeschrieben an der Humboldt-Universität für Fächer wie Theaterwissenschaften, Medizin und anderes mehr. Sie tummeln sich in der fremden Kultur, lernen hiesigen Lifestyle, das Nachtleben kennen, zuletzt gibt es sogar eine Hochzeit zwischen einer jungen Araberin und einem Deutschen.

Kulturaustausch zur besten Sendezeit eben, von Dubai aus produziert, bereits an vier arabische TV-Sender verkauft, darunter den Marktführer MBC. Vorgesehene Sendezeit der 30-teiligen Serie: vom 18. Juni bis 16. Juli, zum Ramadan also, wenn sich arabische Familien das Fasten besonders gern durch Fernsehen versüßen. Potenzielle Zuschauerzahl: 220 Millionen. Und schon jetzt haben die zwölf arabischen Jungstars während der seit 9. März laufenden und noch bis 30. April dauernden Dreharbeiten fleißig über die sozialen Medien aus Berlin berichtet, mit teilweise bis zu 1,7 Millionen Followern.

Und Berlin zeigt sich in dem Film, geht man nach den Drehorten, offenbar von der besten Seite. Brandenburger Tor, Frankfurter Allee, Humboldt-Universität, Köpenicker Altstadt, Kurfürstendamm, Schiffbauerdamm, Schloss Charlottenburg, Prenzlauer Berg, Tiergarten mit dem Teehaus im Englischen Garten und dem Café am Neuen See – alles dabei, und selbst eine Klinik-Szene wurde eingebaut, die auf arabische Patienten schielende Medizinbranche der Stadt wird es freuen.

Tränendrüse und Agenten-Dramen

Nervenzerfetzende Spannung darf man von Regisseur Ali Al Ali nicht erwarten, eher werden es wohl Szenen sein wie die, in der eine verschleierte Kuwaiterin weinend durch die Straßen läuft und ihr eine Berlinerin mitfühlend ein Taschentuch reicht. Weinen? Nicht doch in Berlin. Aber nur Friede, Freude, Eierkuchen gibt es keineswegs, und die Studenten vom Golf sind nicht alle nur positive Helden. Vielmehr lässt sich einer vom Bruder einer jungen Studentin als Spitzel missbrauchen, ob die junge Frau denn auch auf dem Pfad der Tugend bleibt, was deren Freund, an sich mit dem Moral-IM dick befreundet, tief enttäuscht.

Den Freund der Kuwaiterin spielt Abdullah Al Saif, im Film Student der Theaterwissenschaft, der in dieser Rolle sogar ein Bühnenprojekt realer Berliner Studenten in einer Szene stolz wie Oskar als sein eigenes präsentieren darf. Für den Schauspieler ist es der erste Berlin-Aufenthalt, und er machte dabei offenbar ganz ähnliche Erfahrungen wie seine Figur und die seiner Kollegen. Und zwar ausgesprochen positive, so erzählte er am Mittwoch beim Termin auf dem Gendarmenmarkt. Als ausgesprochen nett und hilfsbereit habe er die Deutschen erlebt, ganz anders als ihr Ruf. Erwartet hatte er einen eher eingebildeten, alles andere als kooperativen Menschenschlag, Leute, die gar nicht erst versuchen, Englisch mit Fremden zu reden. Und überrascht hat ihn auch, dass so viele Menschen aus dem arabischen Raum hier leben.

Und sein Lieblingsort in Berlin? Er muss nicht lange nachdenken: Es ist der Kurfürstendamm mit seiner Mischung aus Spazieren, Kaffeetrinken, Einkaufen, die dort möglich ist. Ein Boulevard, wie er sein soll. West-Berlin lebt!

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