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Flugsimulator: Pünktliche Landung am BER

Der neue Flughafen wird nicht fertig? Von wegen, der ist längst in Betrieb. In Wedding können ihn Piloten nämlich am Simulator anfliegen. Ein Selbstversuch.

Gut, die Landung war jetzt nicht perfekt. Der Flieger schaukelt und kommt auch ganz schön schief rein. Und dass wir eben fast die Air-Berlin-Maschine auf der Landebahn gerammt haben – geschenkt. Immerhin, wir sind unten und vor allem sind wir pünktlich. Und das soll ja was heißen auf der BER-Baustelle in Schönefeld.

Der neue Flughafen, der eigentlich an diesem Sonntag in Betrieb gehen sollte, steht auch gar nicht in Schönefeld, zumindest nicht dieser, auf dem wir stehen. Es ist vielmehr ein Bürogebäude nahe dem Virchow-Klinikum in Wedding. Darin befindet sich ein Flugsimulator: eine echte Kanzel einer alten Boeing 737 aus dem Jahr 1967. Die war bis in die 90er im Einsatz, musste dann allerdings in Belgien notlanden und kam nicht heil aus der Sache raus. Diagnose: Fahrwerksbruch.

Jetzt üben hier Berufspiloten und Menschen, die schon immer mal ein Steuerhorn halten wollten. Sie klettern in das enge Cockpit, setzen sich in einen der zwei Sessel, schnallen sich an und starren auf eine große Leinwand, auf die drei Beamer eine 180-Grad-Rundumsicht projizieren. „Kann’s losgehen?“, fragt Maik Schindler, der Kopilot an diesem Tag. Er fliegt sonst einen Privatjet aus der Flugstaffel eines Dubai-Scheichs, heute dreht er eine Runde über Brandenburg – von BER nach BER, Kurzstrecke quasi. Im realen Leben ist das auf der Flughafenbaustelle ja nicht möglich.

Unsere Maschine steht vor der Glasfront des gigantischen BER-Terminals, in der im wahren Leben angeblich so viele Bauarbeiter tätig sind. Auf dem Bildschirm ist niemand zu sehen, verwaist sind die Fluggastbrücken für die A380-Vögel. Dann geht’s auch schon los und zwar ganz schön gemächlich. Der Weg zieht sich, etliche Kilometer rollt das Flugzeug über das neue Vorfeld zur nördlichen Startbahn. Die Piste ist fast 4000 Meter lang. Kopilot Schindler beruhigt: Auch er müsse warten, in New York schon mal 70 Minuten, am BER werde das hoffentlich nicht so schlimm.

„Ready for Take-off“, knarzt es aus dem Lautsprecher. Der Tower meldet sich, die Geräte piepen, alles blinkt, alles quatscht, das Triebwerk röhrt auf, der Wind dröhnt – kann denn hier nicht mal kurz Ruhe sein, bitte?! Und gilt im Cockpit eigentlich Anschnallpflicht?

Dann rollt die Maschine los, übrigens ohne Passagiere, aber das ist vielleicht auch besser so. Wir haben den Schubhebel nach vorn geschoben, die Turbinen drehen hoch, leichte Vibrationen sind spürbar. Bei 130 Knoten – das müssten umgerechnet knapp 250 Stundenkilometer sein – wird das Steuerhorn nach hinten gezogen, erheblich stärker, als man es vermuten würde. Dann hebt die 55 Tonnen schwere Maschine ab.

Wir fliegen!

Bevor Erkner unter uns auftaucht (der Lärmschutz), drehen wir eine lang gezogene Kurve nach Süden, überqueren Zeuthen, Königs Wusterhausen und gehen anschließend wieder auf Westkurs. Die lange Schlange da unten, das müsste der Berliner Autobahnring sein und das da – das ist Rangsdorf. Wirklich viel erkennt man allerdings nicht, allerdings soll man ja als Pilot auch nicht die Landschaft bestaunen, sondern ein Flugzeug steuern.

Weiter geht’s gen Westen, da liegt auch schon Potsdam vor uns. Am Seddiner See drehen wir eine Runde, kippen das Flugzeug scharf nach rechts und machen uns auf den Weg zurück nach Schönefeld. Gut 30 Kilometer müssten es bis zum neuen Flughafen BER sein. Aus dem linken Cockpitfenster, also im Norden, ist der Fernsehturm zu sehen und auch die Hochhäuser am Potsdamer Platz.

Der Flugsimulator, zu dessen Team acht Piloten gehören, ist gut ausgelastet. An Wochenende ist die 737 von sieben bis 23 Uhr im Einsatz. Ein einstündiger Flug plus Einweisung kostet 130 Euro. Von Wedding geht es am Simulator in die ganze Welt, Hongkong, Mombasa, Paderborn. Und wie der Simulator in der Luxemburger Straße werden auch die anderen Anlagen in allen Ländern auf den BER umgerüstet. Auch Computerspielehersteller planen neue Szenerien.

Die Boeing schaukelt plötzlich ganz schön stark beziehungsweise: das Bild auf dem Monitor. Das Flugzeug reagiert nämlich auf nahezu realistische Weise auf Wind- und Wettereinflüsse. Und für den Piloten bedeutet dies, dass er die Flugbewegungen ständig ausgleichen muss.

Knapp 3000 Fuß über dem Autobahndreieck Nuthetal – dort, wo man vom Ring zur Avus abbiegt – gehen wir langsam in den Sinkflug über. Bei Ludwigsfelde wird es dann ziemlich hektisch, die nördliche Landebahn wird angepeilt. Fahrwerk raus, der Anflug wird durch die Thermik von Wald und Wiesen sehr unruhig, ständig muss korrigiert werden.

„Links, links, links“, sagt der Kopilot.

„Rechts, rechts!“, ruft der Kopilot.

Und: „Nase nach oben, nach oben!“

Ein paar Mal hat Maik Schindler den neuen Flughafen schon virtuell angeflogen. Für einen erfahrenen Piloten stellt „Willy Brandt“ genauso wenig eine Herausforderung dar wie Frankfurt am Main. Interessanter und bei den Kunden des Flugsimulators noch beliebter sind New York, Hawaii, aber auch Mallorca – und Tempelhof. Aber der ist nun wirklich seit 2008 Geschichte.

Die letzte Phase des Anflugs auf den Flughafen BER hat begonnen, das Flugzeug kommt schief rein, Schindler nimmt den Schub zurück, hilft bei der Korrektur der Seitenlage, dann setzt die Maschine in Schönefeld auch schon auf.

Gelandet.

Die Hände sind nass.

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