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Ausstellung zu Berliner Mauer: Immer an der Wand lang

Schießereien, Anschläge, wilde Fluchten – und zu allen Seiten die Berliner Mauer. Eine neue Ausstellung mit packenden Fotos zeigt den früheren Alltag in Klein Glienicke.

Viele Glienickes gibt es in der Berliner Umgebung, aber nur eins davon wurde berühmt – durch die Glienicker Brücke: Klein Glienicke, ein Dorf zwischen Wannsee und Babelsberg. Doch auch ohne die Brücke wäre es zum exemplarischen Ort der deutschen Teilung geworden, zu einer versteckten Enklave im Bauch West-Berlins. Der Dokumentarfilmer Jens Arndt, der über die Geschichte des Orts bereits ein Buch geschrieben hat, ergänzt dies nun um eine Ausstellung: „Hinter der Mauer“ ist vom heutigen Sonntag an in der Orangerie des Glienicker Schlosses in Wannsee zu sehen.

Bewegende Bilder sind darin zusammengetragen. Drei Menschen stehen vor einem Stacheldrahtzaun, die Köpfe gesenkt. Drüben wird jemand zu Grabe getragen, mit Pfarrer und Trauergemeinde – doch sie, die West-Verwandtschaft, darf nicht auf die andere Seite; auch DDR-Bewohner konnten den Ort, eine „Sonder-Sicherheitszone“, nur mit besonderer Genehmigung betreten. Mit dem Mauerbau 1961 waren die etwa 500 Einwohner von der Umgebung abgeschnitten, bekamen 1966 ihre eigenes Stück Mauer quer durch die Gärten.

Klein Glienicke, ein ursprünglich unbedeutendes Dorf, wurde auf Initiative Prinz Carls von Preußen um 1860 zu einem Schweizer Dorf mit zehn originalgetreu nachgebauten Häusern umgestaltet. Später, nach dem Bau des Bahnhofs Griebnitzsee, wandelte es sich sogar zu einer kleinen Sommerfrische, wuchs und zog Gäste an, die den „Bürgerhof“ bevölkerten und auf der Kurfürstenstraße, der heutigen Waldmüllerstraße, flanierten.

Der ehemalige Reichskanzler Kurt von Schleicher wohnte dort, bis er 1934 von den Nazis in seinem Haus erschossen wurde, Ufa-Star Lilian Harvey besaß nebenan eine Villa, bevor sie 1939 emigrierte. Durch den Mauerbau wurde der Ort isoliert, blieb nur durch eine Brücke von Babelsberg her erreichbar, verspottet als „Blinddarm der DDR“. Zeitzeugen erinnern sich an Schießereien und wilde Fluchten. Auf den Grenzkommandeur von Glienicke wurde von Westen her ein Bombenanschlag verübt, der jedoch scheiterte.

Die Bilder, die Arndt zusammengetragen hat, zeigen aber vor allem das Leben in der Enklave, den auf Wagenbreite zusammengeschobenen Zugang, den er „die engste Stelle der DDR“ nennt, den Wachturm, die Gärten hinter der Mauer. Die Ausstellung erinnert an das Alltagsleben, an die Männer vom „Grenzsicherheitsaktiv“, die jederzeit klingeln konnten, um beispielsweise zu kontrollieren, ob die Gartenleiter vorschriftsmäßig gesichert war, um niemanden auf dumme Gedanken zu bringen. Zu sehen gibt es auch ein Modell des Grenzabschnitts, das ein NVA-Kommandeur einst detailfreudig gebastelt hat.

Jens Arndt ist mit seiner Frau 1999 nach Glienicke gezogen. Sofort begann er, die Nachbarn nach ihren Erinnerungen zu fragen, trug Fakten und Erinnerungstücke zusammen und veröffentlichte schließlich das Buch „Glienicke - Vom Schweizerdorf zum Sperrgebiet“, das anlässlich der Ausstellung in zweiter Auflage neu erscheint.

Schloss Glienicke, Orangerie, Königstraße, vom 19. Juni bis 3. Oktober täglich außer Montag von 10–18 Uhr. Vom S-Bahnhof Wannsee fährt der Bus 316 bis vor die Tür. Der Eintritt beträgt 8 Euro beziehungsweise 5 Euro für eine ermäßigte Karte. Im Netz unter www.hinter-der-mauer.de

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