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In der Schulpolitik geht es drunter und drüber.

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Kontrapunkt: Die Schulexperimente der CDU

Die CDU widerruft ihre Irrlehren bezüglich der Hauptschulen - genauso panisch wie alles andere. Man müsse die Wirklichkeitsveränderung zur Kenntnis nehmen. Die Wirklichkeit in Schulen ist allerdings vor allem ein riesiges Durcheinander.

Wenn die CDU zum letzten Schultag ein Zeugnis bekommen hätte, würde wohl drinstehen: Sie war stets bemüht, die ihr von sich selbst zugewiesenen Aufgaben wenigstens halbwegs zu erledigen. Leider schrieb sie dabei ziemlich viel von anderen ab. Alles in allem sind Angela und ihre Klasse nicht mehr wiederzuerkennen.

Tatsächlich macht die Union ja gerade fast alles dicht, was sie Jahrzehnte wie eine Monstranz vor sich hergetragen hat: Kreiswehrersatzämter, Atomkraftwerke, jetzt auch die Hauptschulen, demnächst vielleicht sogar noch die Kirchen. Nach allem, was die CDU schon auf den Kopf gestellt hat, ist wohl auch nicht mehr auszuschließen, dass die Physikerin Merkel knapp 400 Jahre nach Galileos Widerruf den Spieß umdreht und die römisch-katholische Kirche inquisitorisch zwingt, ihren Irrlehren abzuschwören.

Einstweilen hat die CDU ihre eigenen Irrlehren bezüglich der Hauptschulen widerrufen - allerdings genauso panisch und undurchdacht wie alles andere. Die letzten Gralshüter der Dreiklassengesellschaft haben im CDU-Bundesvorstand schnell noch eine Hauptschul-Kann-Klausel eingebaut, und jetzt geht mit der CDU wirklich alles. Im verzweifelten Streben nach Beliebtheit setzt die Union voll auf Beliebigkeit. Und das macht Schule.

Allein in Berlin hat es seit den frühen neunziger Jahren zwanzig Schulreformen gegeben, mal hierhin, mal dorthin, und bei jeder hat man das Gefühl, Politiker egal welcher Partei denken, Schüler seien so eine Art Automat, da kommt dann ein politisch programmierter Chip hinein und das gewünschte Ergebnis heraus.

Bei den neuen Sekundarschulen allerdings kommt mal dieses heraus und mal jenes; mal sind sie etwas bessere Hauptschulen, mal etwas schlechtere Gymnasien, aber allen gleich ist die Klassenlotterie, bei der ein Teil der Plätze verlost wird, als wäre Schule ein Glückspiel.

Trotzdem sind einige dieser Sekundarschulen eine echte Konkurrenz zu traditionellen Gymnasien geworden, und das liegt wieder an einer anderen Reform: dem Turbo-Abi. Es gibt Gymnasien, an denen bis zu dreißig Prozent der Schüler lieber die 12. Klasse noch mal machen, weil ihnen die 11. Klasse dann doch fehlte und sie den Rückstand nicht haben aufholen können, um gute Noten zu erreichen.

Es ist ja sowieso eine dieser Wahnvorstellungen, dass immer alles schneller gehen muss. Wer jetzt zur Schule geht, hat eine Lebenserwartung von etwa 100 Jahren. Aber eingeschult werden sollen die Kleinen am liebsten mit fünf, es folgt das Turbo-Abi nach der Zwölften, mit kurz nach zwanzig sind sie dann schon Dr. Dingsbums und ein Jahr drauf haben sie den ersten Burnout.

Aber schlimmer noch als pisapanische Bildungspolitiker sind vom Leistungswahn infizierte Eltern. Bereits in der Kita soll die Vergleicherei beginnen, spätestens in der Grundschule wird auf Noten gepocht, auf dass Super-Sara mit ein paar Zehntelnoten Vorsprung vor Turbo-Timmi in der zweiten Klasse einläuft. Und dann?

In der CDU heißt es zur Begründung für die - richtige - Kehrtwende weg von der Hauptschule, man müsse die Wirklichkeitsveränderung zur Kenntnis nehmen. Die Wirklichkeit in Schulen ist allerdings vor allem ein riesiges Durcheinander, mal ganz abgesehen vom Schrottzustand, in dem die meisten Gebäude sind. Das irre daran ist, dass die Politik diese Wirklichkeitsveränderung selbst erst geschaffen hat.

Ganz früher, als die CDU noch CDU war, ist sie mit dem Slogan "Keine Experimente" in den Wahlkampf gezogen. So adenauerartig das auch klingt, in der Bildungspolitik wäre das mal ein echter Segen.

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