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Bunkerbegeistert: Björn Lasinski (links) und Sebastian Meinke (rechts) erkunden Bunkeranlagen in Brandenburg und stellen die Anlagen auf ihrer Internetseite vor.

© DAVIDS/ Sven Darmer

Bunker in Brandenburg: Auf Entdeckungstour bei Werneuchen

Sebastian Meinke und Björn Lasinski haben ein besonderes Hobby: Sie erkunden alte Bunkeranlagen in Brandenburg. Entdeckt haben sie dort schon eine Menge: Abenteuer, Müll, Lebensspuren. Ein Besuch in den Stasi-Schutzräume bei Werneuchen.

Auf den ersten Blick erinnert nichts in diesem Wald an eine Bunkeranlage. Die weißen Bungalows nahe der Einfahrt sind Bruchbuden im wahren Sinne des Wortes – die Dächer eingestürzt, ohne Türen und Fenster, innen nur Schutt. Der Wald nahe Werneuchen wird als Müllhalde genutzt: kaputte Matratzen, Betten, Staubsauger, Fernseher, Schränke, Kleidung – alles da. Hier soll eine Bunkeranlage sein? „Man muss nur wissen wo“, sagt Sebastian Meinke, der mit Björn Lasinski seit sechs Jahren Bunker in Brandenburg erkundet und sie auf ihrer Internetseite vorstellt.

Ein wenig unheimlich ist es schon, an diesem warmen Samstagmorgen. Die Sonne scheint durch die hohen Bäume auf die Baracken der ehemaligen Ferienanlage. Das war die Tarnung der „Ausweichführungsstelle der Bezirksverwaltung Berlin des Ministeriums für Staatssicherheit“: eine Ferienanlage für den SV Dynamo, die Stütze des Sportsystems der DDR. „Leider erkennt man den Sportplatz nicht mehr, das ist alles schon zugewachsen. Genau da drunter liegt aber der Bunker“, erzählt Meinke auf dem Weg zum Bunkereingang und zeigt auf einen zugewucherten Platz.

Der Abstieg erfordert ein gewisses Maß an Sportlichkeit. Ein Sprung über eine kaputte Tür, ein Balanceakt über Hausrat, Glasscherben und abgerissene Duschvorhänge – dann sind wir drin. „Heute ist der Abstieg reiner Luxus“, sagt Björn Lasinski lachend. „Manchmal sind die Eingänge bei unseren Entdeckungstouren so marode, dass wir uns durch die Lüftungsschächte quetschen müssen.“ Jede Bunkererkundung sei mit einer gewissen Gefahr verbunden: „Da könnte auch mal was einstürzen“, sagt Lasinski. Die Touren bewegen sich teilweise in einer Grauzone. „Wenn ein Zaun drumherum und alles zu ist, muss man den Eigentümer um Erlaubnis fragen.“ Andere Anlagen seien frei zugänglich.

Im Bunkerinneren ist es dunkel und kalt, es riecht muffig, die Farbe blättert von den Wänden ab, auf dem Boden finden sich immer wieder große Pfützen. Meinke holt drei große Taschenlampen hervor: „Zumindest gegen die Dunkelheit können wir etwas tun.“ Im Lichtkegel der Taschenlampen beginnt die Erkundungstour. 1000 Quadratmeter ist der Bunker groß und sehr verschachtelt. Kann man sich da nicht verlaufen? „In dem hier sicher nicht. In Falkenhagen gibt es aber einen über vier Etagen, da haben sich manche schon eine Schnur hingelegt, damit sie den Weg zurück finden“, erzählt Lasinski. Vom Inventar ist nicht mehr viel übrig geblieben. „Das waren Schrottdiebe“, sagt er. „Die bauen alles aus. Ob nun Drucktüren, die bestimmt 300 Kilo wiegen, oder kleine Relaisspulen aus Kupfer.“ Sogar das riesige Metalltor, das in einem der Bungalows den Zugang zum Bunker verdeckt hat, wurde abmontiert. „Das ist sehr schade. Als wir uns diesen Bunker zum ersten Mal angeschaut haben, war alles noch halbwegs intakt.“

Meinke und Lasinski haben sich während ihrer Ausbildung kennengelernt. Sie sind beide Techniker für Heizung und Klima an der Humboldt-Universität auf dem Campus Adlershof. Rund 150 Bunker haben sich die beiden schon angeschaut, die meisten davon in Brandenburg. Einmal im Jahr nehmen sie sogar eine Woche Urlaub und fahren zu Bunkeranlagen in anderen Bundesländern.

„Nach der Wiedervereinigung wurden die Bungalows als Asylbewerberheim genutzt. 2005 wurde es geschlossen, und jetzt verkommt alles“, sagt Meinke. Für ihre Internetseite „Untergrund Brandenburg“ fotografieren die Bunkerexperten die Anlagen, vermessen sie und erstellen am Computer 3-D-Modelle, wie der Bunker ausgesehen hat. Die Recherche, wer den Bunker genutzt hat, kostet sie viel Zeit. „Wir haben inzwischen ganze Regale voller Bücher zum Thema und informieren uns auch auf Foren im Internet“, erzählt Meinke, während er auf dem Lageplan des Bunkers zeigt, wo wir uns ungefähr befinden. „Außerdem gibt es in Brandenburg eine Bunkercommunity mit etwa 35 Personen, die sich auf den Bereich der ehemaligen DDR spezialisiert hat, die unterstützen uns.“ Manchmal werden sie von ehemaligen Mitarbeitern der NVA angeschrieben, die in den Bunkeranlagen gearbeitet haben. Auch ein Besuch bei der Stasiunterlagenbehörde sei hilfreich. Das Design ihrer Internetseite lässt vielleicht anderes vermuten, aber die beiden legen sehr viel Wert darauf, sich von Rechtsradikalen abzugrenzen: „Unser Ansporn sind die Bunker und ihre Geschichten an sich, nichts anderes.“

Wir stehen nun vor einem 100 Meter langen Tunnel und der einzigen massiven Drucktür, die die Metalldiebe noch übrig gelassen haben. Jede Bezirksverwaltung hatte einen Bunker, die alle ungefähr baugleich waren. „Dieser Tunnel ist aber eine Besonderheit“, sagt Meinke. „Er führt vom Kommandantenhaus vorne in den Bunker und war ein geheimer Zugang.“ Wollte der Kommandant allerdings in den Tunnel, musste er zuerst die Bodenbretter eines Schrankes im Keller seines Hauses rausnehmen, dann konnte der Schrank aufgeklappt werden, und der Zugang zum Tunnel war frei.

Auf dem Weg zum Bunkerausgang entdecken die beiden in einem kleinen Raum ein weiteres Highlight: ein verrostetes Fahrrad, das für den Bunker von zentraler Bedeutung war. „Wenn im Bunker der Strom ausgefallen wäre, dann hätte sich da jemand draufsetzen und strampeln müssen, damit der Notlüfter in Gang kommt“, erzählt Lasinski begeistert.

Auf dem Rückweg zu den Bungalows fährt plötzlich ein Auto mit Berliner Kennzeichen vor. Noch ein Bunkerinteressierter? Nicht ganz. Der Berliner ist zum Geocaching hier, er macht sich also mit GPS-Koordinaten, die im Internet veröffentlicht wurden, auf die Suche nach einem Behälter, in dem kleine Tauschgegenstände und ein Logbuch liegen, in das er sich einträgt. „Neben Paintball sind die Bunkeranlagen auch dafür sehr beliebt“, sagt Lasinski. „Na dann, gute Suche. Wir konnten nichts entdecken.“

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