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Volltreffer für Deutschland: Mesut Özil schießt das Tor zum 2:0 im EM-Qualifikationsspiel gegen die Türkei im Berliner Olympiastadion.

© dapd

Weblog: Deutschland - Türkei: Alles rund ums Spiel

Ein Spiel dauert viel länger als 90 Minuten. Vor allem dieses hier: Deutschland - Türkei. Wir haben hier den ganzen Tag über das EM-Qualifikationsspiel in Berlin und das Drumherum gebloggt.

00.00 Uhr: Die letzte Nachricht vom Kurfürstendamm: Einzelne hupende Autos mit jubelnden Fans sind immer noch unterwegs. Für einen Korso hat es heute nicht gereicht. Die Polizei korrigiert derweil ihre Bilanz leicht nach oben: Acht Festnahmen sind es jetzt, ansonsten blieb es am Abend des großen Spiels ruhig in der Stadt. Gute Nacht und vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren!

23.46 Uhr: Noch eine schöne Nachricht für Hertha-Fans: Zwar spielt kein Berliner mehr in der deutschen Nationalelf, ein Manko, das Michael Rosentritt hier beschreibt. Doch ein Herthaner traf am heutigen Abend international: Roman Hubnik erzielte das 1:0 der Tschechen im Spiel gegen Schottland. Es blieb das einzige und damit entscheidende Tor dieses Spiels.

Und Lothar Matthäus? Kaum ist er im neuen Amt, diesmal als bulgarischer Nationaltrainer, gewinnt das bislang desolate bulgarische Team, und zwar 1:0 in Wales. Eine Zusammenfassung der EM-Qualifikationsspiele des Abends finden Sie hier.

23.37 Uhr: Noch einmal "fröhlich Miteinandersitzen" (siehe unten): Nach Abpfiff und Jubel durften sich die deutschen Spieler eine Dankesrede der Bundeskanzlerin in der Kabine anhören, meldet "ntv". Wie Angela Merkel mit Recep Tayyip Erdogan und Christian Wulff das Spiel erlebt hat, zeigt unsere staatstragende Fotostrecke:

23.10 Uhr: Knapp drei Dutzend deutsche Fans feiern an der Gedächtniskirche. Die Polizei erwartet wohl noch ein paar mehr und sperrt vorsichtshalber trotz des bislang geringen Andrangs die Straßen. Aber nur für kurze Zeit. Bald sind die Straßen wieder frei. Von Autokorsos keine Spur. Auch der Ku'damm ist zunächst wie ausgestorben, meldet unser speziell entsandter Reporter Cay Dobberke. Bald kommen einzelne hupende Autos angefahren, zu wenige für einen Korso. Das hätte hier wohl etwas anders ausgesehen bei einem türkischen Sieg. Der Oranienplatz in Kreuzberg hat sich derweil so gut wie geleert. 99 Prozent waren dort laut einem Polizeisprecher türkische Fans, die "geknickt, still und leise verschwanden". Die Polizei zieht eine erste Bilanz: nur wenige Festnahmen, nach ersten Auswertungen genau fünf, ansonsten keine besonderen Vorkommnisse bislang.

22.43 Uhr [3:0]: Abpfiff im Olympiastadion. Deutschland gewinnt nach einem überzeugenden Auftritt 3:0 gegen die Türkei. Den Spielbericht von Stefan Hermanns lesen Sie hier. Kasachstan, wir kommen. Für den nächsten Gegner spielt übrigens - noch so ein Multikulti-Phänomen -der kasachische Westfale oder westfälische Kasache Heinrich Schmidtgal von Rot-Weiß Oberhausen. Noch so ein Multikulti-Phänomen. Am Oranienplatz strömen die Fans auseinander. Nur einige Wenige jubeln. Auch einige wenige Böller sind in Kreuzberg zu hören. Enttäuschung auch in der Türkei: Die hier schon mehrfach zitierte "Fanatik" titelt nach der 0:3-Niederlage sinngemäß: "Eingeschüchterte Türken von deutschen Panzern 3:0 besiegt."

22.41 Uhr [3:0]: Miroslav Klose trifft in der 85. Minute zum 3:0. Gut, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, sagt Kollegin Sandra Dassler (Energie-Cottbus-Fan und heute Abend Spätdienst im Berlin-Ressort des Tagesspiegels). Viele türkische Fans verlassen das Olympiastadion. Die Deutschen singen "O, wie ist das schön". Unser Leserkommentator "jorhovetter" schreibt: "Deutschland kann auf Klose nicht verzichten. Nicht 2010, nicht 2012, nicht 2014, nicht 2016, nicht 2018, nicht 2020, nicht 2022 ..."

22.35 Uhr [2:0]: Jetzt ist es passiert: Mesut Özil antwortet auf seine ganz eigene Art auf Pfiffe und Buhrufe und trifft in der 79. Minute für Deutschland, sein Land, und gegen die Türkei, das Land seiner Vorfahren. Er jubelt verhalten, aber er lächelt sein bestes Jungslächeln. Was wird "Fanatik" dazu sagen? Unser Leserkommentator "paule" jedenfalls meint abgeklärt: "Özil demonstriert, dass er Profi ist. Deutschland hat da schon einen sehr feinen Spieler." "Sieg" rufen die deutschen Fans im Stadion. Heimsieg, Auswärtssieg, ganz egal. Aber sind die Türken, die oft späte Tore schießen, wirklich schon besiegt?

22.27 Uhr [1:0]: Bescheidene Stimmung am Oranienplatz, meldet unser Reporter Christoph Spangenberg. In einer nahe gelegenen Kreuzberger Teestube schauen türkische Fans türkisches Fernsehen. Draußen steht eine Polizistenkette und kiebitzt durchs Schaufenster mit.

22.11 Uhr [1:0]: Nach einer Stunde führt Deutschland weiter durch Kloses Tor mit 1:0. Die Türken werden mutiger, aber dadurch ergeben sich Konterchancen für die deutsche Elf. Podolski vergibt nach präzisem Zuspiel von Özil freistehend vor dem gegnerischen Tor. Joachim Löw kann es nicht fassen und tobt an der Seitenlinie und zeigt Podolski, wie man es besser gemacht hätte. Kurz darauf vergibt Müller ebenfalls halbwegs freistehend. Auf der anderen Seite muss Halil Altintop, der eben die große Chance zum Ausgleich vergeben hat, vom Feld. Guus Hiddink bringt Semih Sentürk und sofort sind die türkischen Fans wieder voller Hoffnung. Das Spiel in Bildern gibt es übrigens in unserer neuesten Fotostrecke. Gleich hier:

22.04 Uhr [1:0]: Gebürtige Gelsenkirchener unter sich: Manuel Neuer klärt in der 52. Minute brillant vor dem in kurzer Distanz freistehenden Halil Altintop. Zuvor: Bengalisches Feuer unter türkischen Fans. Der Stadionsprecher mahnt zur Ruhe.

22.03 Uhr [1:0]: Prügelei im Oberring, meldet unser Reporter Jan Ludwig: Deutscher Fan schlägt türkischen Fan blutig und flieht quer über die Sitzreihen. Die Polizei wird eingeschaltet.

21.59 Uhr [1:0]: Migrantenkombi gleich zu Beginn: Özil auf Khedira auf Klose, knapp vorbei.

21.56 Uhr [1:0]: Leserkommentator "olwin" sagt und fragt: "Schon sehr schade, dass einige Zuschauer sich 'nen Wolf pfeifen, so bald Özil am Ball ist.....ist das der Neid ...oder was?????." Anpfiff zur zweiten Halbzeit. Beide Teams unverändert.

Der polnisch-deutsche Bayer Klose läuft dem türkisch-sauerländischen Borussen Nuri Sahin davon.
Der polnisch-deutsche Bayer Klose läuft dem türkisch-sauerländischen Borussen Nuri Sahin davon.

© AFP

21.47 Uhr [1:0]: Selbst im aufrecht-borussisch-linken Kreuzberger "Intertank" brechen sich nationale Gefühle Bahn, meldet unser unermüdlicher Reporter Johannes Schneider. Großer Jubel bei Kloses Tor. Nüscht mit dem Lüdenscheider Sahin bislang. Ein Altlinker skandiert: "Wir woll'n die Türken sehen" und kündigt an, später "extra übern O-Platz nach Hause zu fahren", um trauernde Türken zu sehen. Soweit muss er gar nicht gehen, denn die betretenen Gesichter zeigen sich schon in der Teestube "Kanarya", mit der sich das "Intertank" den Hauseingang teilt. Unterdessen melden Polizei und Feuerwehr: Alles im friedlichen Bereich.

Aus nicht einmal einem Meter trifft Miroslav Klose zum 1:0 für Deutschland. Zuvor hatte Thomas Müller die Latte getroffen. Für den deutschen Torjäger war der Abschluss dann nur noch Formsache.
Aus nicht einmal einem Meter trifft Miroslav Klose zum 1:0 für Deutschland. Zuvor hatte Thomas Müller die Latte getroffen. Für den deutschen Torjäger war der Abschluss dann nur noch Formsache.

© AFP

21.31 Uhr [1:0] Und dann das, 42. Minute, gut integrierte Bayern leiten es ein: Lahm flankt, Müller köpft an die Latte. Klose muss nur noch abstauben. Wo kam der nochmal her? Wurscht. Tor für Deutschland beim Heimspiel vor türkischer Fan-Übermacht in Berlin. Bald darauf ist Halbzeit.

21.25 Uhr [0:0]: Mesut Özil wird von den türkischen Fans ausgepfiffen, dafür müssen türkische Spieler bluten. Ansonsten tut sich auf dem Platz nichts Zwingendes. Erwähnenswert vielleicht ist noch Lukas Podolskis Kerze vor dem fast leeren türkischen Tor. Beide Teams zeigen immer wieder Ansätze, es ist auch Tempo im Spiel, aber richtige Chancen gibt es kaum.

Aus dem Takt? Dass Erdogan nicht mitsingt, ist ja klar - trotz Schwarz-Rot-Gold am Hals. Aber warum schmettert die Kanzlerin, während der Bundespräsident schweigt? Ist Wulff endgültig ins muslimische Lager gewechselt?
Aus dem Takt? Dass Erdogan nicht mitsingt, ist ja klar - trotz Schwarz-Rot-Gold am Hals. Aber warum schmettert die Kanzlerin, während der Bundespräsident schweigt? Ist Wulff endgültig ins muslimische Lager gewechselt?

© dpa

20.58 Uhr [0:0]: Die geschätzten Kollegen und Kollaborateure von "11Freunde" haben die Lyrics der türkischen Hymne für uns geradezu simultan übersetzt: "Fürchte nicht, die in dieser Morgendämmerung wehende rote Fahne kann nicht vergehen, solange das allerletzte Herdfeuer, das in meiner Heimat brennt, nicht erloschen ist. Sie ist der Stern meines Volkes, sie wird leuchten; Mein ist sie, allein meinem Volk gehört sie." Mehr Literatur im nunmehr preisgekrönten "11-Freunde-Liveticker" aus Dirk Gieselmanns Wohnzimmer - heute mit Stargast Helmut "Das Runde muss ins Eckige" Schümann vom Tagesspiegel. Siehe zwischendurch gerne mal hier.

20.50 Uhr [0:0]: Wie geht das Spiel aus? Rund 2000 Leser haben an unserer Umfrage teilgenommen. Und die Tendenz ist eindeutig: 67 Prozent glauben an einen deutschen Sieg, nur 20 an einen türkischen Erfolg und 13 Prozent tippen ein Remis. Vielen Dank, Ihr Lieben.

Trotzreaktion: Die deutschen Fans wollen sich nicht so einfach ins Schicksal fügen, in Berlin auf einmal auswärts zu spielen.
Trotzreaktion: Die deutschen Fans wollen sich nicht so einfach ins Schicksal fügen, in Berlin auf einmal auswärts zu spielen.

© Reuters

20.48 Uhr [0:0]: Das Spiel läuft. Ein für Berliner Verhältnisse durchaus pünktlicher Anpfiff. Die deutschen Fans haben kurz zuvor noch trotzigen Humor gezeigt - mit einer Heimspiel-Choreographie. Länger davor: "Türkye, Türkye" schallte es durch die Straßen des Westend, in denen Thilo Sarrazin zu Hause ist. Da schlängelt sich ein Rollerfahrer mit umgehängter Deutschlandfahne zwischen den Autos aus Berlin, Ratzeburg, Oberhausen und Hanau hindurch und ruft: "Auswärtssieg, Auswärtssieg!"

Ob Thilo Sarrazin das gefällt? Wohl eher Christian Wulff: Schwarz-Rot-Gold im Zeichen des Halbmonds.
Ob Thilo Sarrazin das gefällt? Wohl eher Christian Wulff: Schwarz-Rot-Gold im Zeichen des Halbmonds.

© Reuters

20.43 Uhr: Die Bundeskanzlerin schwört uns live aus dem Olympiastadion im Beisein des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan und in authentischem Merkel-Sprech aufs Spiel ein: "Bei allem fröhlichen Miteinandersitzen" sei es doch wichtig, am Ende für die eigene Mannschaft zu jubeln. Was die Kanzlerin nicht weiß: Sitzen is für'n Arsch! Grüße an die Organisatoren der morgigen Fußballfan-Demo zur Rettung der Fankultur. Während im Olympiastadion die Hymnen laufen - beide gesungen von einem türkischen Tenor und von einigen Dummbaseln auf beiden Seiten gegenseitig ausgepfiffen - hier mehr zum Thema Fankultur und zur Demo morgen, in Bildern:

20.40 Uhr: Unser Reporter Jan Mohnhaupt berichtet von ersten Autokorsos am Kottbusser Tor. Die Stimmung ist ausgelassen, aber friedlich. Auch der türkische Sänger Mohabbet ist sich sicher, dass das so bleibt, denn: "Die Türken gehören zu Deutschland wie die Currywurst." Sagt es und steigt am Kotti schnell in ein Taxi. Beschaulicher geht es derweil im Vereinsheim von Türkiyemspor zu. 50 meist ältere Herren sorgen für Teestubenatmosphäre - wie bei der Jahreshauptversammlung von Tennis Borussia.

20.30 Uhr: Kreuzberg meldet: Oranienplatz voll ausgelastet, Platz großflächig abgesperrt, niemand wird mehr reingelassen. Der Public-Viewing-Bereich ist auf 4000 Besucher ausgelegt und platzt aus allen Nähten. Mehrere hundert Fans wollen noch rein, einige haben bereits die Absperrung überwunden. Wer jetzt noch im deutsch-türkischen Epizentrum Kreuzberg das Spiel verfolgen will, sollte dort Freunde oder Verwandte haben oder eine verschwiegene Kneipe mit Fernseher kennen.

20.10 Uhr: Die deutsche Aufstellung ist da: Joachim Löw lässt mit Heiko Westermann und Toni Kroos (für den verletzten Schweinsteiger) spielen und verzichtet ansonsten auf Überraschungen. Und so sieht das dann gegen die Türken aus: Neuer - Lahm, Mertesacker, Badstuber, Westermann - Khedira, Kroos - Müller, Özil, Podolski - Klose. Pech hingegen für Kevin Großkreutz. Der Dortmunder verpasst nicht nur das Duell mit der Türkei, sondern auch das Spiel am Dienstag in Kasachstan. Wie der DFB mitteilte, kann der Nachwuchsmann wegen einer Grippe am Montag nicht mit nach Astana reisen. Bundestrainer Joachim Löw wird aber wohl keinen weiteren Spieler nachnominieren.

19.40 Uhr: Berlin hat zwar ein Länderspiel, aber keinen Nationalspieler mehr. In den letzten 13 Jahren war das anders. Doch mit dem Abstieg von Hertha BSC und dem Wechsel Arne Friedrichs zum VfL Wolfsburg haben sich die Zeiten geändert. "Berlin guckt zu", fasst Michael Rosentritt die momentane fußballerische Tristesse in der Hauptstadt zusammen und blickt zurück auf bessere Zeiten.

19.20 Uhr: Das zentrale Public Viewing läuft heute Abend nicht am Brandenburger Tor, sondern stilecht auf dem Oranienplatz in Kreuzberg. Dort sind inzwischen mehrere Tausend Fans versammelt, die meisten feuern die Türkei an. Bei Einlasskontrollen wird von freundlichen Sicherheitskräften gecheckt, ob sie womöglich Getränke oder Böller oder Schlimmeres in mitgebrachten Taschen verstecken. Im bunten Rahmenprogramm rappte unter anderem Alpa Gun. Seine ganz persönliche Botschaft: "Ich bin ein Ausländer, doch Berlin ist meine Heimat" - und das alles im Deutschland-Jersey.

18.50 Uhr: Knapp zwei Stunden vor dem Anpfiff um 20.45 Uhr bestimmen auch am Olympiastadion die türkischen Fans noch deutlich das Bild. Doch mehr und mehr mischen sich Schwarz und Gold unter das viele Rot. Die türkische Nationalelf bringt jetzt noch eine andere Farbe hinzu: Mit Blaulicht wird ihr Bus derzeit von Tiergarten aus durch die Stadt Richtung Olympiastadion eskortiert.

18.30 Uhr: Eine besondere Sicht auf das große Spiel hat der türkisch-stämmige Berliner Grünen-Politiker Özcan Mutlu. Er nennt es ein „Lokal-Derby“. Auf den Straßen in Berlin hat Mutlu in den vergangenen Tagen viele bekannte Persönlichkeiten aus der Türkei getroffen, ehemalige Fußballstars und andere Prominente. „Es ist so viel los“, sagt er und ist sich sicher: „Es wird ein bombastisches Fußballfest.“ Als Deutsch-Türke könne man doch bei so einem Spiel nur gewinnen: „Ob nun Özil oder Altintop gewinnt, das ist uns doch egal. Wir haben beide Male etwas zu feiern.“ Und so wird es seiner Meinung nach wieder kommen: „In Kreuzberg und in ganz Berlin.“ Der türkisch-schwäbischstämmige Grünen-Chef Cem Özdemir legt sich fest: "Deutschland ist meine Mannschaft!" Darauf eine Fotostrecke. Nachdem so viel vom Deutsch-Türken Mesut Özil die Rede war, haben wir hier mal die Deutsch-Türken im türkischen Team aufgelistet. Auch sie könnten alle für Deutschland spielen:

18:08 Uhr: In der City-West rund um den Kurfürstendamm sind die türkischen Fans klar in der Überzahl. Trikots, Schals und Mützen der deutschen Nationalmannschaft sind hier schwer an den Mann zu bringen. Am Breitscheidplatz beklagt sich ein Verkäufer: "Ich hätte besser türkische Fan-Utensilien anbieten sollen." Ein Deutschland-Anhänger nimmt es mit Humor: "So ist es eben, wenn man in der Minderheit ist." Nur an einem Ort in Ku'damm-Nähe sind die deutschen Fans deutlich in der Überzahl: In der Fußball-Kneipe der Hertha-Legende Hans Weiner, "Hanne am Zoo". Der Laden ist voll, die Stimmung ist gut, in der Kneipe sind derzeit mehr deutsche Fans als auf dem gesamten Ku'damm. Wie deutsche und türkische Fans feiern, sehen Sie in unserer Bildergalerie, die wir laufend aktualisieren:

17.45 Uhr: Gespaltene Stimmung bei Türkiyemspor im Vereinsheim in Kreuzberg. Und das liegt ausnahmsweise nicht an den zwei Herzen in der Brust der Berliner Deutsch-Türken. Das liegt daran, dass man sich einerseits auf das große Fußballspiel heute Abend freut, aber andererseits tiefe Trauer trägt wegen der drohenden Insolvenz des inzwischen schon legendären türkisch-kreuzbergischen Fußballklubs. "Wir brauchen jetzt wirklich jemanden, der uns hilft", sagt Vorstandsmitglied Armahan Sahin und appelliert an die Berliner Sportgemeinde und die Berliner Politik. Mehr zu den Problemen des Vereins hier.

17.28 Uhr: 40 bin Türk! (40.000 Türken!) So viele Fans werden im Olympiastadion das Gästeteam anfeuern, behauptet zumindest die türkische Sportzeitung "Fanatik". Weder Hiddink noch Sahin bereiten den Deutschen demnach wirklich Angst. Sie sind es - die türkischen Fans. Der Trainer der "Deutschen Panzer", Feldmarschall Jogi Löw, meinte zu "Fanatik": "Wir werden in Berlin wohl kein Heimspiel haben"

17.01 Uhr: Unser Reporter Christoph Spangenberg schaut mal bei Ibrahim Bassal bei "Bassal's Elektro-Shop" in Neukölln vorbei. Während der Fußball-WM hatte der Berliner Libanese Bassal vor seinem Laden eine riesige schwarz-rot-goldene Fahne entrollt. Sie reichte vom fünften Stock fast bis zum Parterre. Das gefiel erklärten Internationalisten im Kiez offensichtlich nicht. Mehrfach wurde die Fahne abgerissen und angekokelt, mehrfach wurde Bassal als "Nationalist" beschimpft. Beim Spiel gegen die Türkei heute fehlt die Fahne. "Aber nur, weil dies nur ein Qualifikationsspiel ist", sagt Bassal. Immerhin aber stehe er im Deutschland-Trikot hinterm Ladentresen. Und heute Abend geht er zum Spiel ins Stadion - um Deutschland anzufeuern.

16.30 Uhr: Im Bierhaus Urban interessiert man sich nicht so sehr für das Spiel, "aber warum sollen die Türken nicht auch mal feiern?", meint einer der Gäste zu unserem Reporter Johannes Schneider, der hart am Mann recherchiert. An die türkischen Mitbürger im Bezirk haben sich die Gäste der altdeutschen Kneipe schon längst gewöhnt. "Die schlimme Entwicklung kommt erst noch", sagte einer und meint damit den Zuzug unter anderem von Prenzlauer-Bergern, die Neukölln als neuen In-Bezirk entdeckt hätten. Von dem Trubel um das Spiel lassen sich die Herren nicht stören, anstecken lassen sie sich von der Stimmung aber auch nicht:  "Fußball, dit sind 22 Bekloppte, die nem Ball hinterherrennen", sagt Olaf Scholz. "Ne wartma", fügt er hinzu, "20 loofen un zwee warten uffn Ball."

16.10 Uhr: Durchaus lebhaft in Erinnerung ist vielen Berlinern noch die große Party, die Deutsche und Türken nach dem EM-Halbfinale 2008 gemeinsam auf dem Ku'damm feierten. „Die Stimmung war fantastisch“, erinnert sich Baris Arpaci, 27, der als Sohn eines Türken und einer Deutschen damals mitten drin war. Arpaci hofft, dass es heute Abend wieder so sein wird, vor allem friedlich. Dass es 2008 keinen Ärger gab blieb, lag seiner Meinung nach daran, dass die Türkei das dramatische Spiel in letzter Minute 2:3 verloren hat. „Es war ein spannendes Spiel und die Türken konnten stolz sein und die Deutschen waren natürlich froh.“ Sollten heute die Türken gewinnen, könnte es kritischer werden, fürchtet Arpaci. „Ich glaube, die Türken sind bessere Verlierer als Gewinner“, sagt er. „Sie würden den Deutschen auf der Nase herumtanzen – und das würde denen sicher nicht gefallen.“ Wie die Party 2008 war, hier noch einmal die Bilder:

15.50 Uhr: Tür an Tür mit der Teestube: Der Kreuzberger Borussen-Treff "Intertank" in der Manteuffelstraße verbrüdert sich mit der türkischen Nachbarschaft, berichtet unser Reporter Johannes Schneider. Die Dortmunder Fans haben bei diesem Spiel ohnehin ein Identitätsproblem, denn Nuri Sahin ist sowohl bei den Borussen als auch bei den Türken inzwischen ein ganz wichtiger Mann. "Ich hoffe auf ein Unentschieden", sagt "Intertank"-Wirt Udo. "Aber ich fürchte, dass der Nuri uns einen einschenkt." Udo ist übrigens gebürtiger Berliner, ging aber 1966 der Hertha unwiederbringlich verloren, weil er als kleiner Junge mit seinem Vater den Dortmunder Europacupsieg (Libuda und so) anschauen durfte.

15.37 Uhr: Nach langen Diskussionen in der Redaktion wissen wir jetzt, dass die "Kicker"-Statistik (siehe unten), derzufolge Berlin mit einer Quote von nur 40,5 Prozent Siegen für die deutsche Elf die schlechteste Statistik aller deutschen Spielorte hat, heute Abend keine Rolle spielt. In dieser Statistik sind nur Heimspiele der deutschen Elf aufgelistet. Heute Abend hat Deutschland ein Auswärtsspiel - und gewinnt!

15.23 Uhr: Unser Leserkommentator tristan_99 antwortet auf die Fragen des türkischen Sportblatts "Fanatik" (siehe unten), was das denn für ein Deutschland sei mit so vielen Migrantenkindern im Team: "Das ist offensichtlich ein Deutschland, in dem sich diese Fußballer zu Hause fühlen und alles geben, um für ihre Nationalmannschaft spielen zu dürfen. Richtig so!"

Er fühlt sich auf sein Äußeres reduziert: DFB-Stürmer Mario Gomez.
Er fühlt sich auf sein Äußeres reduziert: DFB-Stürmer Mario Gomez.

© AFP

15.05 Uhr: Zurück zum Sport! Sowohl auf türkischer als auch auf deutscher Seite gibt es vor dem Spiel noch Sorgen: Während die Türken um Hamit Altintop bangen und auf Nuri Sahin von Beginn an hoffen, sieht sich Mario Gomez in der Öffentlichkeit in einem "schiefen Licht" wahrgenommen: "Wenn ich eine Chance versemmelt habe, hieß es wieder: Da ist er wieder, der Gomez. Und bei einem Tor hieß es: Den muss er ja machen", beklagte sich der DFB-Stürmer im Interview mit dem „Express“. Außerdem werde ihm bei Misserfolgen sein Aussehen vorgeworfen: Die Haare zu lang und ein "zu muskulöser Körper". Gomez zu schön für den Torerfolg? Karl Dall für Deutschland!

14.40 Uhr: Damit dieser Blog nicht zu türkeilastig wird, hier mal was von der deutschen Mannschaft. DFB-Chef Theo Zwanziger befasst sich im ZDF multikultitrunken und leicht haspelig noch einmal mit Mesut Özil und den anderen Spielern nicht-deutscher Herkunft im Nationalteam: "Es ist die Botschaft an Kinder und Jugendliche: Wenn ihr euch anstrengt, habt ihr eine Chance in diesem Land, auch wenn ihr eine andere Hautfarbe habt, auch wenn ihr einen anderen Glauben habt als die Mehrheitsgesellschaft", sagt Zwanziger. Na dann schönen Gruß an die Vertreter der Minderheitsgesellschaft in unserem Nationalteam! Philipp Lahm dagegen fällt mal wieder mit einem deutlich klügeren Satz auf: "Diese Mannschaft ist ein Sinnbild unserer Gesellschaft. Aber man darf nicht vergessen, wir sind alle auf dem gleichen sozialen Stand.“ Vergesst nicht, dass es hier um ein Elitephänomen geht, sagt uns der Kapitän. Ähnliches hat übrigens Tagesspiegel-Sportchef Robert Ide in seinem Kommentar vor dem Türkei-Spiel geschrieben, siehe hier. Puuh, das war jetzt alles etwas abstrakt. Zur Entspannung ein paar aktuelle Bilder von der deutschen Elf in Berlin:

14.25 Uhr: Schlecht vorbereitet fühlt man sich bei Karstadt am Hermannplatz in Neukölln. Die Türkei-Trikots sind ausverkauft. "Seit zwei, drei Tagen ist Nachfrage extrem gestiegen, da konnten wir aber nicht mehr reagieren", sagt ein Mitarbeiter. Die Folge: Vor einer riesigen Installation von Deutschland-Trikots und Fanartikeln steht jetzt ein kleiner Stand mit türkischen Autofähnchen. Die können die Türkeifans auch brauchen – für ihre Hupkonvois rund um den Hermannplatz, wo sich langsam Stimmung aufbaut.

14.05 Uhr: Die ersten Fans sind schon am Olympiastadion, obwohl das Spiel erst um 20.45 Uhr beginnt. Hier der fotografische Beweis:

Die Roten kommen: Türkische Fans heute Mittag am Olympiastadion.
Die Roten kommen: Türkische Fans heute Mittag am Olympiastadion.

© dpa

13.46 Uhr: Auf kicker.de nahmen bislang 10.200 Teilnehmer an einer Umfrage zum Ausgang des heutigen Spiels teil: Sieg für Deutschland: 71% - Sieg für Türkei: 16% - Unentschieden: 11%

77.520 Teilnehmer stimmten hingegen schon auf der Homepage von Fanatik mit bislang folgendem Ergebnis: Sieg für Deutschland: 29% - Sieg für Türkei: 55% - Unentschieden: 16%

Der Tagesspiegel, bekanntlich keine Sportzeitung, brachte es immerhin auf 1.685 Stimmen mit folgendem Ergebnis: Sieg für Deutschland: 67% - Sieg für Türkei: 20% - Unentschieden: 13%

13.37 Uhr: "Emotionen ja, Krawall nein" - durchaus beschaulich sieht man im Polizeipräsidium dem Spiel heute Abend entgegen, weiß unser Polizeireporter Jörn Hasselmann. Ausschreitungen seien nicht zu erwarten, es gebe keine Hinweise, dass "störungsrelevante Personen" anreisen. Dennoch sind 1200 Polizisten im Einsatz, Hunderte werden alleine gebraucht, um den Verkehr zu regeln. Vor und nach dem Spiel, denn schließlich spielen autokorsoträchtige Teams gegeneinander. Zudem wird die Polizei den privaten Sicherheitsdienst am Stadion unterstützen, vor allem um das Einschmuggeln von Feuerwerk zu unterbinden. Die Zahl der Ordner ist drastisch erhöht worden, von den etwa 400 bei Bundesligaspielen auf 1400.

"Was ist das für ein Deutschland?"
"Was ist das für ein Deutschland?"

© fanatik

13.07 Uhr: "Was ist das für ein Deutschland?" fragt "Fanatik", die türkische Sportzeitung und bildet die deutschen Nationalspieler in den Trikots ihrer Herkunftsländer ab. Dass die Deutsche Nationalmannschaft überhaupt bis ins WM-Halbfinale kam, sei ein Verdienst der Spieler mit Migrationshintergrund. Hier die Spieler: Dennis Aogo – Nigeria, Jerome Boateng – Ghana, Cacau – Brasilien, Mario Gomez – Spanien, Sami Khedira – Tunesien, Miroslav Klose – Polen, Marko Marin – Bosnien Herzegowina, Mesut Özil – Türkei, Lukas Podolski – Polen, Serdar Tasci – Türkei, Piotr Trochowski - Polen.

12.54 Uhr: An der Sehitlik-Moschee macht das Gerücht die Runde, dass auch die türkische Elf noch zum Freitagsgebet vorbeikäme. Jeder Bus wird mit kritischen Blicken genau gescannt. Bis jetzt kamen aber nur weitere deutsch-türkische Reisegruppen zum Beten an den Columbiadamm. Wo die türkische Mannschaft sich tatsächlich aufhält, sehen Sie in dieser Fotostrecke:

12.41 Uhr: Ein erster Vorort-Bericht von der Sehitlik-Morschee in Neukölln. Unser Reporter Johannes Schneider meldet: Überall rote Trikots. In die Moschee zum Freitagsgebet darf man damit auch, so lange die Fußballschuhe ausgezogen werden. Auch eine Gruppe bekennender Fenerbahce-Ultras ist da. Viele Berliner allerdings nicht. Die meisten Roten hier sind Deutsch-Türken aus Bayern, dem Ruhrgebiet, ganz Deutschland. Ibrahim Kasap kommt aus München. Eines liegt ihm am Herzen: "Mesut Özil bleibt immer Türke. Ich hoffe, dass er heute nicht trifft." Aber falls Özil heute doch das Siegtor gegen die Türkei schießen sollte, dann sei ihm das immer noch lieber als ein Tor von Klose oder Kroos. "Denn dann können wir sagen: Ihr habt nur durch das Tor eines Türken gewonnen."

Kreuzberg ist vorbereitet. Das EM-Qualifikationsspiel Deutschland - Türkei kann beginnen.
Kreuzberg ist vorbereitet. Das EM-Qualifikationsspiel Deutschland - Türkei kann beginnen.

© AFP

12.25 Uhr: Was der Deutsch-Türke Mesut Özil, inzwischen Träger des Silbernen Lorbeerblatts der Bundesrepublik, so meint und sagt, haben wir ausführlich gehört diese Woche. Aber was sagt der Türkei-Deutsche Nuri Sahin, gebürtiger Lüdenscheider von Borussia Dortmund? Dass er so spielen werde, als wäre dies ein Heimspiel für ihn. Weil er sich als Deutscher und zugleich als Türke fühle, hat dieses Spiel für ihn eine ganz besondere Bedeutung. "Wir haben ein starkes Team und werden auf jeden Fall hoch motiviert antreten", meinte Sahin in der türkischen Sportzeitung "Fanatik".

12 Uhr: Willkommen und Hos geldiniz im Live-Blog. Von jetzt an bis in die Nacht berichten und bebildern wir hier alles Wichtige, Schöne, Kuriose und wenn's sein muss auch weniger Schöne rund ums große Spiel in Berlin. Zunächst zur sportlichen Gesamtlage: Schlägt man heute den "Kicker" auf, dann wird das alles nicht leicht für Deutschland, und dass nicht nur, weil Schweinsteiger ausfällt: Herthas Trainer Markus Babbel, beim EM-Qualifikationsspiel in München 1999 noch selbst auf dem Platz, sagt: "Auswärtsspiel in Berlin: Der Druck liegt bei uns". Dazu die Statistik, dass die deutsche Elf in Berlin nur 40,5 Prozent ihrer Heimspiele gewonnen hat. Die schlechteste Bilanz aller deutschen Spielorte. Und dann auch noch die Frage: "Packt er das?", gerichtet an Mesut Özil, den Deutsch-Türken und Mann der Woche, der mit der Nationalelf auf das Land seiner Vorfahren trifft und hier wie dort entsprechend mit Fragen gelöchert wurde. Leicht pikiert erwähnt das Fußball-Fachblatt übrigens jene Menschen, "die in dem Spiel eher ein gesellschaftspolitisches als ein sportliches Ereignis sehen". Große Skepsis beim Fußball-Fachblatt. Und wie sehen Sie's, liebe Leser?

Was meinen Sie zum Spiel und dem ganzen Drumherum? Die Diskussionen über Mesut Özil, die Stimmung in Berlin, die politische Komponente mit dem Erdogan-Besuch etc. Kommentieren und diskutieren Sie mit. Nutzen Sie dazu bitte die leicht zu bedienende Kommentarfunktion etwas weiter unten auf dieser Seite.

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