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Rainer Nowotny, Geschäftsführer der Hanffaserfabrik Uckermark.

© picture alliance/dpa

Bio-Cannabis für Berlin-Kreuzberg: Versorgung aus Brandenburg noch ohne Hanf und Fuß

Brandenburgs Bauern sollen die Coffeeshops in Kreuzberg versorgen. Doch das ist gar nicht so einfach – nicht nur rechtlich, sondern auch landwirtschaftlich.

Von Sandra Dassler

Mindestens zwei Coffeeshops möchte Monika Herrmann in ihrem Bezirk einrichten. Und am liebsten wäre der grünen Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, wenn dort in der Region, sprich: in Brandenburg, produzierter Bio-Cannabis verkauft würde. Ein schöner Traum, meint Jens-Uwe Schade, Sprecher des Brandenburger Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft: „Aber erstens ist der Anbau von Cannabis in Deutschland verboten. Man würde also eine Sondergenehmigung benötigen. Und zweitens braucht man dafür eine Menge Erfahrung.“

Sie haben in Brandenburg zwar einige Landwirte, weil in den 90er Jahren gerade hier viel mit zertifizierten Industriehanfsorten mit maximal 0,2 Prozent Tetrahydrocannabinol (THC) experimentiert wurde. Doch die Erfahrungen mit dem sogenannten THC-freien Hanf waren nicht sehr ermutigend.

„Der wurde vor allem für die Textilindustrie verwendet“, sagt Jens-Uwe Schade.„Aber er war sehr schwer zu verarbeiten, nicht ohne Grund hatte sich ja im Laufe der Zeit die Baumwolle durchgesetzt.“ Schade erinnert sich, dass es um die Jahrtausendwende sogar noch sogenannte Hanf-Modeschauen auf der Grünen Woche gab. „Aber inzwischen haben die meisten Landwirte wohl aufgegeben.“ Einer, der immer noch Hanf anbaut, ist Rainer Nowotny, Geschäftsführer der Hanffaserfabrik Uckermark.

Landwirte sollten Erfahrunng mit Hanf haben

In den 90er Jahren gegründet, produziert sie aus den drei bis vier Meter hohen Hanfpflanzen vor allem Dämmstoffe für Dächer, aber auch Wandelemente. 12 Mitarbeiter verdienen in der Genossenschaft mit dem Hanf Lohn und Brot. Er ist eine nachhatige Nutzpflanze und hat als Baustoff gute Eigenschaften. Auch eignen sich die Böden im Norden Brandenburgs offenbar besonders dafür. Nowotny betrat mit dem Hanfanbau damals Neuland. Nicht nur, dass er um die Genehmigung kämpfen musste, es gab auch keine geeigneten Maschinen, erinnert er sich. „Ich habe viel lernen müssen.“

Deshalb sollten Landwirte ohne Erfahrungen mit Hanf sich nicht an die Produktion von Bio-Cannabis wagen: „Die wären in den ersten fünf Jahren völlig überfordert“, sagt Nowotny: „Dafür kann man überhaupt nur weibliche Pflanzen verwenden, keine einzige männliche Pflanze darf dazwischen geraten.“

Cannabisagentur muss eingerichtet werden

Damit sei klar, dass die Produktion Bio-Cannabis nicht auf Äckern unterm freien Himmel stattfinden kann, sagt Nowotny, eine Fremdbestäubung wäre dann nicht ausgeschlossen und damit würde der Gehalt des rauscherzeugenden Wirkstoffs THC drastisch sinken. Man müsste also große Hallen oder Gewächshäuser für den Anbau mieten und diese dann auch noch hundertprozentig mit Wachschützern vor Dieben sichern.

Denn das wäre eine der Auflagen, die alle Cannabis-Produzenten erfüllen müssten, wenn denn der Anbau erlaubt würde, sagt ein Sprecher des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Hier hat Bezirksbürgermeisterin Herrmann kürzlich ihren lange diskutierten Antrag zur kontrollierten Abgabe von Cannabis abgegeben.

Das BfArM ist eine selbständige Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit, wo man bislang nicht in Erwägung zieht, den Anbau von Cannabis für medizinische Zwecke und schon gar nicht für eventuelle künftige Coffeeshops zu gestatten.

„Nach dem internationalen Einheits-Übereinkommen der Vereinten Nationen von 1961 über Suchtstoffe muss ein Vertragsstaat, der den Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken gestattet, eine sogenannte Cannabisagentur einrichten“, sagt BMG-Sprecher Sebastian Gülde: „Derzeit erfolgt die Versorgung mit Medizinalhanf, also getrockneten Cannabisblüten in Arzneimittel-Qualität, in Deutschland durch Import aus den Niederlanden.“ Dass sich das irgendwann einmal ändern könnte, vermuten manche.

Erst die Coffeeshops, dann der Anbau

„Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“, sagt beispielsweise Michael Wimmer von der im Jahr 2000 gegründeten Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg (FÖL): „Wenn entsprechender Druck aufgebaut wird, könnten relativ schnell rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, um einen Versuch in Brandenburg zu starten. Warum nicht?“ In den Coffeeshops von Friedrichshain und Kreuzberg soll das Gramm Cannabis für rund zehn bis elf Euro verkauft werden – natürlich nur an erwachsene Bewohner des Bezirks, die sich vorher registriert haben.

Ob sich der Anbau für Landwirte rechnen könnte, kann Hanfanbauer Rainer Nowotny nicht sagen. Dazu müsste man die genauen Produktionskosten kennen, meint er, sieht aber derzeit noch keinerlei Hinweise auf eine Genehmigung. Sascha Langenbach, Sprecher des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg, ist da sehr viel optimistischer: „Wenn erstmal die Coffeeshops genehmigt sind, wird man sicher auch den Anbau erlauben“, sagt er: „Und wenn die Bauern in Brandenburg das nicht machen wollen, dann fragen wir eben ihre Kollegen in Sachsen-Anhalt oder Mecklenburg.“

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