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Die bunten Hofmauern werden jeden Tag unzählige Male fotografiert. Hier entsteht gerade das Wandbild zum 20-jährigen Jubiläum des Vereins Schwarzenberg. Er hat das Haus zu dem gemacht hat, was es heute ist.

© Thilo Rückeis

Jubiläumsvernissage in Berlin-Mitte: Das Haus Schwarzenberg feiert 20 Jahre Subkultur

Der Verein Schwarzenberg wird 20 Jahre alt. Gefeiert wird auch das Überleben am Hackeschen Markt, das derzeit einmal mehr ungesichert ist. Zum Jubiläum besetzen Künstler das Haus.

Eine spanische Schulklasse schiebt sich durch die Einfahrt der Rosenthaler Straße 39, sofort zücken die Jugendlichen ihre Handys und Kameras. Unzählige Graffiti und Papierkunstwerke zieren den Innenhof, aus einem bunt bemalten Waschbecken an der Wand sprießt eine zarte Pflanze. Während draußen vor der Einfahrt, gleich gegenüber vom Hackeschen Markt, Designer-Shops und Cafés eine glänzende, glatte Oberfläche bilden, offenbaren dieser Hof und der ganze Altbau um ihn herum eine Rohheit, die es so in Berlins Mitte kaum noch gibt. Dass hier noch nicht Kleidung für mehrere hundert Euro pro Teil verkauft wird, ist das Werk des Vereins Schwarzenberg, nach dem das ganze Haus benannt ist.

An diesem sonnigen Vormittag hockt ein junger Mann vor einer schwarz gestrichenen Mauer im Hof und zeichnet mit sorgfältigen Pinselstrichen die Umrisse des Schriftzugs „20 Years“ – ein gut sichtbarer Hinweis auf das Jubiläum, das der Verein in diesem Jahr feiert. 1995 mietete sich die Künstlergruppe Dead Chickens in dem Haus ein, schuf nicht nur selbst Kunst und Kultur, sondern zog weitere Projekte an. Es entstanden Ateliers, Werkstätten, eine Bar, ein Kino, später kamen auch das Anne-Frank-Zentrum, das Museum Blindenwerkstatt Otto Weidt und die Gedenkstätte Stille Helden dazu.

Mietvertrag läuft Ende des Jahres aus

„Mehr als 100 Menschen arbeiten im ganzen Haus Schwarzenberg“, sagt Meike Danz. Noch 2004 bangten sie und die anderen Vereinsmitglieder um die Zukunft des Ortes. Die damalige jüdische Eigentümergesellschaft wollte verkaufen, auch zwei Investoren bewarben sich um die attraktive Immobilie. Letztlich bekam aber die Wohnungsbaugesellschaft Mitte den Zuschlag – auch unter der Auflage, die Mischnutzung aus Kunst, Kultur und Geschichte beizubehalten. Insofern ist der Verein Schwarzenberg mit seinen Untermietern quasi unverzichtbar.

Der Mietvertrag läuft zum Ende des Jahres aus, aber Meike Danz ist optimistisch, dass sie bleiben können und hofft, dass ihnen nun eine Mietzeit von mindestens 20 Jahren zugesichert wird. „Wir wünschen uns einfach mehr Planungssicherheit.“ Die käme auch den Künstlern zugute, denen der Verein mit dem Shop und der Galerie Neurotitan eine Basis bietet. Weil große Ausstellungsräume und bezahlbare Ateliers immer knapper werden, steigen die Anfragen von Künstlern an den Verein Schwarzenberg spürbar. „Dem können wir längst nicht mehr gerecht werden, und so entstand auch die Idee zur jetzigen Ausstellung“, sagt Meike Danz.

Zum Jubiläum wird das Haus besetzt

Die Jubiläumsschau hat wenig mit gängigen Präsentationen gemeinsam: Zum Beginn vor zwei Wochen durften Künstler die Galerieräume im dritten Stock symbolisch besetzen. Bis Ende Mai sollen sie den Ort nach ihrem Willen nutzen und werden dabei von den Besuchern beobachtet – die Ausstellung verändert sich also immer wieder. „Was da passiert, ist unvorhersehbar und deshalb so spannend“, sagt Meike Danz. Erste Ergebnisse werden bei der Vernissage an diesem Sonnabend (25.April) um 20 Uhr offiziell präsentiert.

Die Idee der Schau ist dabei auch ein politisches Statement. „Es nehmen viele Freunde des Hauses teil, die keine eigenen Ateliers haben oder denen wenig Zeit für die Kunst bleibt, weil sie irgendwie ihr Studio finanzieren müssen“, erklärt Rebecca Lilliecrona, die ebenfalls im Verein Schwarzenberg aktiv ist. Insofern sei der Ausstellungstitel „Yes, we’re open“ doppeldeutig: Zum Einen wolle man zeigen, dass man den Veränderungen im Kiez getrotzt hat, aber es gehe auch darum, sich noch mehr als bisher für Berlins Künstler zu öffnen. „Wir sind eine der wenigen verbliebenen gentrifizierungsfreien Inseln, wir sind wichtig für die Kunst“, betont Lilliecrona.

Kreative Arbeit ohne Verkaufsdruck

Die Bedeutung des Vereins ist auch Annika Hirsekorn wichtig. Die 29-Jährige ist eine der temporären Besetzerinnen in den Ausstellungsräumen von Neurotitan und arbeitet selbst im Verein. Die junge Frau ist hier mit dem Siebdruckkollektiv Vetomat vertreten, das sie mitgegründet hat. Noch hat das Kollektiv eigene Räume in Friedrichshain, wo auch Veranstaltungen in einer kleinen Bar stattfinden. Im Oktober 2016 ist aber Schluss damit, die Kündigung ist unabwendbar. „Selbst wenn wir neue Räume finden, wird es finanziell sicher enger für uns, und dann müssen wir vielleicht auch kommerzieller arbeiten.“ Das sei für sie das Beste am Verein Schwarzenberg: die kreative Arbeit ohne den Verkaufsdruck gängiger Ausstellungsräume, dafür aber mit viel Freiheit in den eigenen künstlerischen Entscheidungen.

Dass es kaum noch Möglichkeiten und Räume zum Experimentieren gebe, sei der Grund, warum in Berlin vor allem Kunst gemacht wird, die hip sei und Einnahmen verspreche. Das Interesse an freier, unabhängiger Arbeit hingegen habe abgenommen. „Vetomat hat eine Bedeutung in der alternativen Kunstszene. Es wäre schade, wenn das einfach verloren geht“, sagt Hirsekorn. Wie es weitergeht, weiß sie nicht – auch das Haus Schwarzenberg kann nicht alle Künstler retten.

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