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Kammermusik in besonderem Ambiente im Zehlendorfer Primussaal.

© Morement Events

Neue Klassikkonzert-Location in Zehlendorf: Schöner Saal, perfekte Akustik

Alteingesessene Zehlendorfer erinnern sich sicher an Kino-und Theatervorführungen im Konzertsaal oberhalb des Restaurants Tomasa an der Berliner Straße. Jahrelang stand die Location leer. Jetzt veranstaltet eine Sopranistin dort wieder Konzerte - "eine Herzensangelegenheit".

Barbara Krieger lehnt sich entspannt in ihrem Sessel zurück. Sie ist umgeben von etwa 100 weiteren Sesseln und Sofas. Zwischendrin kleine Beistelltische, auf denen LED-Kerzen stehen. Gemütlich. Es erinnert an eine Lounge im Hotel oder in einer Bar, ist jedoch um einiges größer. Vorn auf der Bühne vor einem samtroten Vorhang steht ein Steinway-Flügel. „Ein schöner Konzertsaal“, schwärmt sie. „Und eine perfekte Akustik!“ Jedes Instrument könne solitär und zugleich als homogener Klang gehört werden. Ihre Augen leuchten und sie beginnt zu erzählen - von ihrem Traum, in Zehlendorf anspruchsvolle Kammermusik in entspannter Atmosphäre auf die Bühne zu bringen.

Stücke von Johann Sebastian Bach gespielt mit Flöte, Oboe und Fagott oder der aktuelle Echopreisträger Fabrice Millischer auf der Posaune werden demnächst hier zu erleben sein. „Jahrelang habe ich nach einem solchen Saal gesucht“, sagt Barbara Krieger. Denn ihrer Ansicht nach ist der Berliner Südwesten musikkulturell unterrepräsentiert. Sie möchte den Bezirk beleben; mit Klassik in modernem Ambiente. Doch bisher fehlte die passende Location.

Als sie an einem schönen Sommerabend im Biergarten des Zehlendorfer Restaurants Tomasa saß, entdeckte sie am Haus nebenan die Aufschrift: Ehemaliger Theatersaal zu vermieten. „Ich konnte es nicht fassen, dass dieser Saal die ganze Zeit vor meiner Nase lag“, erinnert sie sich. Viele Zehlendorfer kennen den etwa 560 Quadratmeter großen Veranstaltungsraum an der Berliner Straße bestimmt noch als ehemaligen Theater- und Kinosaal. Heute wird er offiziell Primussaal genannt und vom Tomasa betrieben.

Hier finden eigentlich sonst Hochzeiten, Tagungen und Firmenjubiläen statt. Seit kurzem jedoch verwandelt sich dieser Raum alle zwei Wochen donnerstags oder sonntags in einen gemütlichen Kammermusiksaal. „Ich möchte nicht, dass das Publikum auf klapprigen Holzstühlen sitzt“, verrät Barbara Krieger ihre Gedanken hinter dem Konzept. Die Gäste sollen sich wohl fühlen. Während der Konzerte dürfen sie essen, trinken, lachen, sich unterhalten. Wenn jemand lieber woanders sitzen möchte, werden die Sessel und Sofas spontan verrückt. Kein Thema.

Es soll ganz anders sein, als Barbara Krieger es aus der Kindheit kennt: „Wenn ich mit meinen Eltern zu einem Kammerkonzert gegangen bin, musste ich immer still und gerade sitzen.“ Schlimm, findet sie und will dieses triste Image aufpolieren. Trocken und ernst? Mitnichten. Es soll unterhaltsam, gemütlich und dennoch hochwertig sein.

Barbara Krieger kennt sich im klassischen Musikgeschäft aus. Seit 20 Jahren ist sie Profi-Sängerin und hat als lyrisch-dramatische Sopranistin bereits an Opernhäusern wie der Wiener Staatsoper und dem Gran Teatru del Liceu in Barcelona gesungen. Seit 16 Jahren lebt die gebürtige Wiesbadenerin nunmehr mit ihrer Familie in Zehlendorf.

Dass dieses neue Klassikkonzert-Angebot im Primussaal eine Herzensangelegenheit für sie sein muss, ist an ihrem hundertprozentigen Einsatz zu erkennen. Während Barbara Krieger auf ihrem Smartphone die Nachrichten überfliegt, rückt sie die Sessel und Sofas zurecht und hat gleichzeitig eine Richard-Wagner-Partitur von Lohengrin unterm Arm.

"Idiotisch viel Arbeit - aber ich würde es wieder machen"

„Einsam in trüben Tagen“, singt sie leise. Zum ersten Mal wird Barbara Krieger die Elsa im Lohengrin interpretieren. Sie ist spezialisiert auf die Musik von Wagner und Strauss. Das Gefühl, das sie auf der Bühne hat, wenn sie singt, beschreibt sie so: „Ich konzentriere mich auf diesen einen Moment und kann alle Eindrücke, die sonst auf mich einprasseln, ausblenden.“ Das sei etwas Besonderes in der heutigen Zeit. Dieser Moment gehöre ihr allein.

Obwohl sie hauptberuflich Sängerin und viel unterwegs ist, versucht sie, bei jedem Konzert in Zehlendorf dabei zu sein. Die künstlerische Gesamtleitung liegt immer in ihren Händen; unterstützt von zwei Mitarbeitern. Getränke und Essen kommen vom Tomasa. „Im Grunde ist es idiotisch viel Arbeit und kostet unsäglich Energie, aber ich würde es wieder machen“, verrät sie. Gewinne fahre das Projekt derzeit nicht ein. Vielmehr sei sie froh, wenn am Ende des Jahres eine Null stehe.

Anspruchsvolle Kammermusik in entspannter Atmosphäre: Das möchte Barbara Krieger, die seit 20 Jahren das Klassik-Musikgeschäft kennt, im Primussaal in Zehlendorf auf die Bühne bringen
Anspruchsvolle Kammermusik in entspannter Atmosphäre: Das möchte Barbara Krieger, die seit 20 Jahren das Klassik-Musikgeschäft kennt, im Primussaal in Zehlendorf auf die Bühne bringen

© Anett Kirchner

Und gelegentlich zieht es die couragierte Sängerin auch selbst auf die Bühne „ihres“ Zehlendorfer Konzertsaales. Zum Beispiel singt sie am 4. Dezember in dem speziell für diesen Abend ausgearbeiteten Konzertprojekt „Music from Behind the Lines“. Es spielt das Horenstein Ensemble unter der Leitung von Julien Salemkour. Zu hören sein werden Stücke von im Ersten Weltkrieg gefallenen Komponisten.

Wenige Tage später, am 7. Dezember, steht dann ein Familien-Adventskonzert auf dem Spielplan. Mitglieder und Akademisten der Staatskapelle Berlin spielen Sergej Prokofjews „Peter und der Wolf“ und Camille Saint-Saëns „Karneval der Tiere“. Na dann heißt es „Platz nehmen“ in den gemütlichen Sesseln und auf den Sofas des neuen Kammermusiksaales im Herzen von Zehlendorf. Weitere Informationen dazu gibt es hier.

Die Autorin Anett Kirchner ist freie Journalistin, wohnt in Steglitz-Zehlendorf, und schreibt seit Januar 2014 als lokale Reporterin regelmäßig für den Zehlendorf-Blog des Tagesspiegels.

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