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Ein Kamerawagen von Google, wie er wieder einmal durch Berlin fährt.

© dpa

Neue Aufnahmen für Street View: Google fotografiert wieder in Berlin

Von Steglitz bis zum Palast der Republik, vom Bahnhof Zoo bis zum Restaurant Paris-Moskau: Wie sehr sich Berlin verändert hat, kann man nicht nur in Geschichtsbüchern nachlesen - sondern auch auf "Google Street View". Neue Aufnahmen werden gemacht - aber nicht veröffentlicht.

Wieder einmal fahren die Kamerawagen von Google durch die Zentren von Deutschlands Städten. Seit Montag sind sie unterwegs, auch in Berlin – aber die Aufregung früherer Zeiten bleibt aus.

Das hat auch seinen Grund, denn die Touren haben wenig mit dem umstrittenen „Street View“ zu tun. Das Unternehmen teilt in seinem Blog mit, dass die jetzt aktuell gewonnenen Informationen allein dazu dienen, den Kartendienst „Google Maps“ zu präzisieren. Alle Fotos, so heißt es, würden sofort anonymisiert, und dies sei nach der Speicherung in der Datenbank auch nicht mehr rückgängig zu machen. Pläne zur Veröffentlichung gebe es nicht. Google hatte bereits 2011 mitgeteilt, dass es kein Update der Bilder aus den Jahren 2008 und 2009 geben werde – ganz im Gegenteil zu den Satellitenbildern: Die wurden gerade ausgetauscht und zeigen Berlin im Herbst 2014.

Wenig Widerspruch von Datenschützern und Bevölkerung

Die Datenschützer haben gegen die Fahrten durch die Innenstadt keine Bedenken. Die Berliner Behörde verweist auf den Hamburger Datenschutzbeauftragten Johannes Caspar, der federführend ist, weil Googles deutscher Hauptsitz in der Hansestadt liegt. Da eine Veröffentlichung nicht geplant sei, heißt es dort, sei auch ein Widerspruch gegen die Veröffentlichung der Bilder – wie im Zusammenhang mit den Aufnahmefahrten zu Google Street View – nicht möglich. Während also das Kartenwerk von Google immer weiter aktualisiert wird, nähern sich viele der Street-View-Bilder allmählich der Verfallsgrenze. Gerade in den Berliner Zentren gewinnen sie deshalb besonderen Reiz, weil sie zeigen, wie sehr sich die Innenstadt allein in den vergangenen fünf Jahren verändert hat.

Beispielsweise der Breitscheidplatz: Da steht noch das einst so bestaunte Kugelkino von 1989, das später Schauplatz von Sabine Christiansens Talkshow war und schließlich 2010 nach Babelsberg verschenkt wurde, um Platz für den Umbau des Bikini-Hauses zu schaffen. Dieses ist auf den Fotos natürlich auch noch in alter Version zu besichtigen, mit den verkramten Läden im Erdgeschoss.

Längst abgerissene Bauten sind noch zu sehen

Fährt man mit der Maus in Richtung Westen, steht da groß und breit das Schimmelpfeng-Haus mit der für Tagesspiegel-Nostalgiker wichtigen vierteiligen Leuchtreklame: „Gründlich – sachlich – kritisch – für Berlin“. Gleich dahinter sieht man die Baustelle, auf der in den folgenden Jahren endlich das Hotel Waldorf-Astoria entstehen sollte.

Nicht ganz so krass ist der Kontrast zur Gegenwart auf der Steglitzer Schlossstraße. Das „Schloss“ ist schon fertig, aber auf dem Weg nach Osten steht hinter dem Bierpinsel noch das alte Wertheim-Kaufhaus mit den blau-weißen Markisen, dann folgen die heute verschwunden Einmündung der Treitschkestraße und der Rohbau des Karstadt-Hauses. Dann wird es wieder vertrauter, mit Altneubauten wie dem Titania-Palast und dem Forum Steglitz; auch das neue Schloss-Straßen-Center ist schon da.

Oder nehmen wir den Hauptbahnhof. Der ist auf dem Foto vom Oktober 2009 zwar in schönster, unverbauter Pracht zu bewundern – aber drum herum lehnt sich nur das wegen seiner Architektur viel gescholtene Meininger-Hotel an die Gleise. Die Grundstücke für die anderen Hotels an der Bahnhofs-Westseite sind schon abgesperrt, liegen aber sonst unberührt da.

Baustelle statt der Architektursünde

Fahren wir weiter zum Alexanderplatz. Da steht zwar schon groß und breit das Alexa, jener Bau, bei dem selbst Klaus Wowereit zum Architekturkritiker wurde, aber das Saturn-Haus nördlich der Bahngleise ist eine Baustelle. Auf der anderen Seite am Fuß des Fernsehturms scheint die Oktobersonne des Jahrs 2009 wohlgefällig auf eine Grünanlage, die längst einem Geschäftshaus gewichen ist. Und auf dem Schlossplatz sieht man sogar noch die Stummel des Palasts der Republik.

Nun noch ein Stück die Spree hinauf, bis zur O2-World, die – das Foto ist vom Juni 2008 – schon ziemlich fertig ausschaut, aber noch ohne Außenanlagen im märkischen Sand steht. Gleich daneben die Zeltstadt des Cirque du Soleil – gegenwärtig steht dort das Palazzo-Spiegelzelt.

Mit einem 180-Grad-Dreh lässt sich gegenüber die East Side Gallery abschreiten, praktisch unverändert. Postieren wir uns auf der Weidendammer Brücke: 2008 war die Ecke gerade dabei, ihre architektonische Unschuld an das dunkle „Spree-Dreieck“ gegenüber dem Admiral-Palast zu verlieren; hier aber sind nur zwei relativ lichte Türme des Rohbaus zu sehen. Und jenseits der Spree, in der Grünanlage „Am Zirkus“, türmen sich im Herbst 2009 erste Baucontainer für das heute dominante Apartmenthaus am Berliner Ensemble.

Die drastischsten Effekte erbringt Street View wohl im Regierungsviertel, wo das Restaurant „Paris-Moskau“, das heute vom neuen Innenministerium praktisch aufgefressen wird, in grüner Idylle überm damaligen Busparkplatz schwebt. Und wer um die Ecke zur Luisenstraße geht und die luftigen Baulücken zur Spree hin betrachtet, der könnte richtig ein wenig Angst vor der Expansionslust der Bundespolitik bekommen: Die Gegend hat sich in fünf Jahren komplett verändert.

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