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Reaktionen nach Rücktritt: „Es ist tragisch, dass die politische Karriere von Annette Schavan so endet“, meinte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann.

© dpa

Ortstermin in Südafrika: Schavan bemüht sich um Normalität

Die Forschungsministerin versucht, sich bei ihrer Reise auf den wissenschaftlichen Austausch mit Südafrika zu konzentrieren. Dabei wollen alle nur von ihr wissen, ob sie wohl zurücktritt. Am Abend wird sie in Deutschland zurückerwartet.

Es könnte alles so unbeschwert sein: Vor einer Stunde ist die Abendsonne hinter dem Westabhang des Tafelbergs versunken, und langsam legt sich die Dunkelheit über den prunkvollen Wohnsitz des deutschen Botschafters im Kapstädter Nobelvorort Bishopscourt. Ein paar Dutzend Gäste haben sich im Garten unter dem Festzelt zum Empfang für Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) versammelt, darunter führende Vertreter deutscher Forschungsinstitute und Wissenschaftseinrichtungen, aber auch einige Akademiker der lokalen Universitäten von Kapstadt und Stellenbosch.
Das Problem ist: Während die Ministerin sich zumindest offiziell ausschließlich für den wissenschaftlichen Austausch mit dem Land am Kap interessiert und dessen Schlüsselstellung in Afrika lobt, interessieren sich viele der Besucher vor allem für die Zukunft Schavans. Genauer für die Frage: Bleibt sie auch nach dem Entzug ihres Doktortitels durch die Universität Düsseldorf im Kabinett?
Es ist der letzte Termin für die 57-Jährige in Südafrika, nachdem sie am Mittag die Cape Peninsula-Universität für Technologie am Fuße des Tafelbergs besucht hatte und dort von dem schwarzen Vizekanzler Chris Nhlapo ausdrücklich mit „Professor Doktor Schavan“ ans Mikrofon gebeten worden war. Seit Tagen schaut ganz Deutschland mit Spannung darauf, wie die Ministerin für Bildung und Wissenschaft auf den Entzug ihrer Doktorwürde reagiert und ob sie von ihrem Amt zurücktritt, an das sie sich zumindest auf ihrer Südafrikareise noch fest klammert.

Sie selbst versucht an diesem Abend mit Erfolg, sich ganz entspannt zu geben: Nach den Reden und einem Imbiss posiert sie für Fotos mit Gästen und spricht anschließend sogar mit Vertretern der Presse, wobei das Thema Doktorentzug natürlich tabu bleibt. Schavan will so viel Normalität wie möglich demonstrieren - und zumindest an diesem Abschlussabend in Südafrika gelingt ihr das auch, zumal sie durchaus auch Unterstützung aus der mitgereisten Wissenschaftsdelegation erhält. Bisweilen wirkt sie sogar fast befreit, ganz so, als hätte sie, fast 10 000 Kilometer entfernt vom Berliner Haifischbecken, in den Tagen am Kap in Ruhe über ihre Zukunft nachgedacht.

Nach außen hin scheint die Sache für Schavan dennoch klar: "Die Entscheidung der Universität Düsseldorf werde ich nicht akzeptieren und dagegen Klage einreichen", hatte sie noch zum Auftakt ihrer Südafrikareise in Johannesburg erklärt - und anschließend jede weitere Stellungnahme zu dem Thema abgelehnt, als sie sagte: "Mit Blick auf die juristische Auseinandersetzung bitte ich um Ihr Verständnis, dass ich heute keine weitere Stellungnahme abgeben werde." Doch Schavan ist schon lange in der Politik und kennt die Mechanismen der Macht und des Medienbetriebs. Und deshalb weiß sie auch, wie schwer es sein wird, diese Linie auch nach der Rückkehr noch länger aufrechtzuerhalten. Sie mag eine gute Ministerin gewesen sein, doch ist sie zumindest im gegenwärtigen Posten und nach der selbstgerechten Abkanzelung ihres früheren Ministerkollegen Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) dauerhaft beschädigt.
Schade, dass wegen all der Spekulationen über ihre politische Zukunft der eigentliche Anlass des Abends an die Seite gedrängt wird: die posthume Erstvergabe einer neu geschaffenen Forschungsauszeichnung der Alexander-von-Humboldt-Stiftung an den im vergangenen Jahr verstorbenen Sozialwissenschaftler Neville Alexander, einen farbigen Südafrikaner, der seinen Doktortitel 1961 in Tübingen über Gerhart Hauptmann erwarb. Nicht ohne Grund wird Alexander in eine Reihe herausragender Südafrikaner wie Nelson Mandela gestellt. Denn wie der Gründervater des neuen Südafrika hat sich auch Alexander bis zuletzt wie ganz wenige andere für ein ausgesöhntes, farbenblindes Südafrika eingesetzt – und seine Landsleute immer wieder davor gewarnt, Rassenkriterien erneut zur Grundlage der neuen Gesellschaft zu machen– diesmal nur mit umgekehrtem Vorzeichen.
Vielleicht lag es daran, dass Alexander in zwei sehr rassenbewussten Ländern wie Deutschland und Südafrika lebte, dass er besser als andere wusste, wie sehr der fortgesetzte Nachdruck auf Rassenkriterien und Hautfarbe, etwa bei der Vergabe von Posten und Positionen, die soziale und wirtschaftliche Entwicklung eines Landes bremsen kann. Bis zuletzt war er deshalb auch ein steter Dorn im Fleisch jener Kollegen an der Universität Kapstadt gewesen, die heute abermals die ethnische Herkunft der Studenten und erst dann die akademische Befähigung zum entscheidenden Kriterium für eine Zulassung an der medizinische Fakultät machen - und dabei nun oft zugunsten von Schwarzen diskriminieren.

Für Annette Schavan ist der Empfang im Wohnsitz des deutschen Botschafters auf jeden Fall ein versöhnlicher Ausklang, den sie nach dem Spießrutenlauf der vergangenen Tage und Wochen offensichtlich genießt: Die Presse hält sich an den vereinbarten Waffenstillstand und stellt nicht immer neue Fragen nach ihrem Rücktritt. Und die Ministerin gibt sich im Gegenzug jovial und plaudert zwanglos, allerdings ohne mit auch nur einem Wort ihre politische Zukunft zu erwähnen. Es ist bereits weit nach 22 Uhr, als der Ministertross schließlich in die warme Kapnacht aufbricht. Ob es die letzte offizielle Visite von Schavan als Ministerin war, wird sich womöglich bereits bei dem für Freitagabend geplanten persönlichen Gespräch mit Angela Merkel entscheiden.

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