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„Love Song“ von Christopher Longé: Good Times Bad Times

In „Love Song“ erzählt Christopher Longé von der Liebe zur Rockmusik und vier Freunden, die zusammen gute und schlechte Zeiten erleben. Der Zeichner ist einer der internationalen Gäste des Comicfestivals München, das heute beginnt.

Der Statistiker Manu steht kurz vor der Hochzeit mit der Schwester seines besten Freundes Greg. Dieser ist Anästhesist und spielt mit Manu in der Band The Sleeping Watermelons, die durch Samuel und Boulette komplettiert wird, einen notorisch untreuen Polizisten und einen etwas schrägen Bestatter. Seit 20 Jahren begeistern sich die vier Franzosen, inzwischen alle jenseits der Fünfunddreißig, für Rockmusik und eifern ihren Idolen aus England nach. Der Traum vom großen Durchbruch, den sie in ihrer Jugend noch hegten, wird allerdings immer schwieriger gegen die Wirklichkeit zu verteidigen, zumal auch das Leben und der ganze Rest keinesfalls einfacher geworden sind.

Jetzt sind die vier Freunde erwachsen, und lediglich bei ihren Bandproben, die nach wie vor regelmäßig in Meinungsverschiedenheiten über ihre selbstkomponierten Songs enden, fühlen sie sich noch unbekümmert und jung. An allen anderen Fronten schlägt das Leben mit voller Härte zu: Denn ob so gut wie unter der Haube, schon länger zusammen oder gerade wieder mal getrennt – Beziehungen sind neben der Musik das zweite große Thema im Dasein der vier Sonntagsrocker. Dazu kommt, dass ihr Stammplattenladen dicht machen soll, und überhaupt geben sich echte Glücksmomente und schreckliche Tragödien die Klinke in die Hand, folgt einem fröhlichen Lied stets ein trauriges. Es geht eben um die Good Times und die Bad Times. Die guten und die schlechten Zeiten ...

Vier Freunde, vier Sichtweisen

Christopher alias Christopher Longé wurde 1969 im englischen Middlesbrough geboren, wuchs jedoch in Südfrankreich in der Nähe von Aix-en-Provence auf und absolvierte in Paris später ein Studium der angewandten Künste. Danach arbeitete er unter anderem für das französische Fernsehen, bevor er ab Mitte der 1990er-Jahre in der Welt der Comics debütierte. In den vier Alben „Manu“, „Sam“, „Boulette“ und „Greg“, die zusammen die Serie „Love Song“ ergeben, kanalisiert und kombiniert Christopher als Autor und Zeichner seine eigene Liebe für Rock’n’Roll und sein Geschick, in Texten und Zeichnungen zwischenmenschliche Beziehungen einzufangen und zu beleuchten. Auf Deutsch liegt seine „Love Song“-Tetralogie komplett im Verlag Salleck Publications vor.

Männer, Frauen, Musik: Eine Seite aus der Reihe.
Männer, Frauen, Musik: Eine Seite aus der Reihe.

© Salleck

Jedes schön gezeichnete Hardcover beschäftigt sich mit dem Innenleben eines Mitglieds der Band und des Freundeskreises. Neben einer individuellen Tracklist von den Beatles, den Stones, den Kinks und The Who hat jedes Album daher eine eigene Stimme und Sichtweise, wobei die letzten beiden Teile die Perspektiven innerhalb der Gruppe – und die Sicht des Lesers auf die Gruppe und die Bände eins und zwei – mitten in der Story radikal verändern. Ein starker erzählerischer Kniff, nachdem „Love Song“ bereits im zweiten Band, in Folge eines herben Schicksalsschlags für alle Beteiligten, ziemlich düster wird. Es bleibt also nicht dabei, dass vier Kumpels und ihre Freundinnen, wie zu Beginn des ersten Albums, an einem gemeinsamen Grillabend über das generelle Verhältnis von Männern und Frauen philosophieren und zanken. Diese Clique hat mehr zu bieten, und zwar im Guten wie im Schlechten.

Inspiriert vom Nachhall der Rock-Revolution, diesem modernen Märchen für Erwachsene, erzählt Christopher in seinen vier überzeugenden ‚Alben’ von alten und neuen Träumen, Fehltritten und Seitensprüngen, Lügen, Geheimnissen und Masken, und natürlich den Höhen und Tiefen langer Freundschaft. Davon, dass es manchmal Heilung gibt, und manchmal nur Verlust. Das macht „Love Song“ zu mehr als einer gelungenen Hommage an die Giganten der Rock-Geschichte und ihre Hits, und vor allem anderen zu einer realistischen Tauchfahrt in die Gefühls- und Gedankenwelt der Hauptfiguren.

Christopher: Love Song, Band 1–4, Salleck Publications, Hardcover, je 48 bis 56 Seiten, je 12,90 Euro.

Veranstaltungshinweis: Christopher ist einer der internationalen Gäste auf dem diesjährigen Comicfestival in München, das vom 4. bis 7. Juni in die bayrische Landeshauptstadt lockt. Hier finden Sie die Top-10-Empfehlungen aus der Tagesspiegel-Redaktion zum Festival, hier gibt es einen Überblick über alle Titel, die für den Peng!-Preis des Festivals nominiert sind.

Weitere Artikel unseres Autors Christian Endres finden Sie hier. Sein Blog findet sich hier: www.christianendres.de.

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