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Comicsalon Erlangen: Alte Helden, frisches Blut

Am Donnerstag wurde der Comicsalon Erlangen eröffnet. Hier die ersten Eindrücke vom wichtigsten Festival der deutschen Szene – auf dem es am Abend die ersten Preise gab.

Der Tod tanzt. Vor der Musikbühne neben dem Eingang zum Comicsalon Erlangen hüpft am Donnerstagmittag der in einen Stoffanzug gesteckte Sensemann im Takt und lässt sich mit fröhlichen Besuchern fotografieren. Die Figur, in deren Kostüm bestimmt ein unterbezahlter Student in der Juni-Hitze schwitzt, macht Werbung für die morbiden Cartoons des Zeichners Joscha Sauer – aber man kann sie auch als Symbol für eine Branche sehen, der schon mehr als einmal der baldige Untergang prophezeit wurde. Wer derzeit in Erlangen ist, wo bis Sonntag das größte deutschsprachige Comic-Szene-Festival stattfindet, spürt eine Aufbruchsstimmung, wie man sie in früheren Jahren selten kannte.

Das diagnostiziert dann am späten Nachmittag auch Martin Jurgeit, Chefredakteur des Fachmagazins „Comixene“ und einer der wichtigsten Strippenzieher der Szene: Angesichts der Probleme des deutschen Buchhandels sei eine „überraschende Euphorie“ unter Zeichnern und Verlegern zu spüren. Die Gründe dafür benennt die von Jurgeit moderierte sogenannte Elefantenrunde der Verlagschefs von Panini, Carlsen, Egmont und Co.: Die deutschen Verlage veröffentlichen derzeit so viele Titel wie nie zuvor, ist zu hören. Im Buchhandel sind die einzigen Zahlen, die nach oben gehen, die für Comics und Manga. Und die digitale Konkurrenz macht den Comicverlagen bisher nicht zu schaffen, da der gemeine Comicleser doch eher zur Spezies der Jäger und Sammler gehört als zu den Digital Natives. Gute Aussichten für die kommenden drei Tage, denn hier dreht sich nach wie vor fast alles ums bunt bedruckte Papier.

Einen Boom erlebt derzeit auch die verlagsunabhängige Independentszene. Das zeigt der so originelle wie unterhaltsame „Comic Clash“, den die ohnehin schon sehr umtriebigen Macher der Comicmagazine „Moga Mobo“ und „Epidermophytie“ ins Leben gerufen haben. 18 Comic-Mannschaften (mit gelegentlicher weiblicher Unterstützung) treten gegeneinander an und haben Hefte zum Thema „Der Sinn des Lebens“ veröffentlicht, außerdem müssen sie auf dem Festival in einem symbolischen Boxring ihre Comic-Kompetenz beweisen, der Sieger wird am Samstag gekürt.

Die Festivalbesucher profitieren doppelt: Zum einen sind die meisten Hefte zeichnerisch und erzählerischen bemerkenswert gelungen. So viele gute Geschichten von bislang meist nur Insidern bekannten Autoren hat man schon lange nicht mehr auf einen Schlag zu lesen bekommen. Und zum anderen ist es höchst unterhaltsam, den Zeichnern dabei zuzugucken, wie sie sich auf der Bühne bewähren, wenn es darum geht, in Rekordzeit bekannte Comic-Figuren aufs Papier zu bringen – mit einem zwei Meter langen Mammutstift!

Die wollen nur spielen: Rod Usher, Sänger der Horror-Rockband "The Other" und der Leipziger Zeichner Schwarwel stellen ihren Comic "Der Fluch des Kultes" vor.
Die wollen nur spielen: Rod Usher, Sänger der Horror-Rockband "The Other" und der Leipziger Zeichner Schwarwel stellen ihren Comic "Der Fluch des Kultes" vor.

© Lars von Törne

50 Jahre und immer noch ein großer Held: Die Figur des Spider-Man wird in diesem Monat nicht nur mit einem weiteren Kinofilm gewürdigt, sondern es ist auch genau fünf Jahrzehnte her, dass der junge Peter Parker sich erstmals im Spinnenkostüm durch New York schwang. Den Geburtstag würdigt eine umfassende Schau, die Comic-Publizist Klaus Schikowski mit Hilfe privater Sammler zusammengestellt hat. Bei der ersten Führung des Kurators durch die Schau am Nachmittag drängelten sich so viele neugierige Besucher, dass es fast keinen freien Blick mehr auf die Bilder gab. Auf einem goldenen Podest der Stolz der Schau: Zwei in Plastikkassetten gesicherte Erstausgaben der Heftreihe „Amazing Fantasy“ Nummer 15, mit der im Sommer 1962 alles begann. Die sind so viel wert wie ein Kleinwagen, sagt der Kurator – und mancher im Publikum ertappte sich bei dem Gedanken, ob man nicht künftig auch gut ohne Auto auskommen kann.

Am Abend dann die erste von zahlreichen Preisverleihungen des Festivals, die sich bewusst als Alternative zum Max-und-Moritz-Preis positioniert. Also grenzte Burkhard Ihme, Spiritus Rex der ICOM (Interessenverband Comic) sich in der Einführung des rappelvollen Rathaussaales von anderen Veranstaltungen ab und benannte den Zweck und Wichtigkeit des Independent-Comic-Preises, der sich die Nachwuchsförderung aufs Banner geschrieben hat. Die Laudatio erfolgte durch die Jury, diesjährig bestehend aus der eloquenten Frauke Pfeiffer vom Fachmagazin Comicgate, Comic-Journalist Klaus Schikowski und den Comic-Künstlern Gerhard Schlegel und Joachim Guhde.

Der Sonderpreis der Jury für eine besondere Leistung oder Publikation wurde von Reprodukt-CEO Dirk Rehm an Levin Kurio, die treibende Kraft hinter Weissblech-Comics verliehen. Das war grandios, denn gegensätzlichere erfolgreiche Self-Made-Herausgeber nebeneinander zu sehen, ist einem selten vergönnt. Füllt doch der eine mittlerweile selbst Bahnhofsbuchhandlungen mit seinem künstlerisch hochwertig produzierten Schund, während der andere mit Kunstproduktion hochliterarisch in Feuilleton und Buchhandlungen Eingang fand.

Ausgezeichnet: Schwarwels Graphic Novel "Seelenfresser", von der bislang der erste Band veröffentlicht wurde, ist am Donnerstagabend zum besten Independent-Comic des Jahres gekürt worden.
Ausgezeichnet: Schwarwels Graphic Novel "Seelenfresser", von der bislang der erste Band veröffentlicht wurde, ist am Donnerstagabend zum besten Independent-Comic des Jahres gekürt worden.

© Promo

Danach wurde „Perry, unser Mann im All“ mit dem Sonderpreis der Jury für eine bemerkenswerte Comicpublikation geehrt. Eine weitere Lanze für den Trash, das lässt hoffen. Und richtig, die „Ungezwungenheit“ von David Fülekis Kunst bescherte dem eigenwilligen Humor in „Entoman“ den Preis für herausragendes Artwork. Der Preis für ein herausragendes Szenario ging endlich an eine Dame, nämlich „Trommelfels“ von Marijpol und den Preis für die beste selbstverlegte Publikation beziehungsweise den besten Kurzcomic in einer solchen heimste „Biografikation“ und darin Till Hafenbraks Abba-Beitrag ein. Der Hauptpreis Bester Independent Comic ging an Schwarwel und seinen „Seelenfresser“, lobende Erwähnungen gab’s für „Saarland“ von Bernd Kissels, Regina Haselhorsts BlackLabel Comic, Geiers und Stephan Hagenows „Tumba“ sowie „Ziegensauger“ von Thomas Wellmann. Als Dessert gab’s noch den Kurt Schalker-Preis für den besten Web-Comic und erhalten hat ihn Leo Leowald für „Zwarwald“. Es gibt den digitalen Comic also doch in Erlangen – wenn auch minimiert.

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