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Paparazzi-Ausstellung: Fäuste, Finten, Filmstars

Pionier und Stalker: Der amerikanische Fotograf Ron Galella ist der berühmteste Paparazzo der Welt. C/O Berlin zeigt eine Auswahl seiner besten Promi-Bilder aus drei Jahrzehnten.

Mit Stolz in der Stimme spricht Ron Galella das Wort Paparazzo aus. Als sei es ein Adelstitel oder die Bezeichnung eines hoch angesehenen Berufes. Sein Selbstbild ist vollkommen frei von Zweifeln. Scham und Schuldgefühle sind ihm unbekannt. Auch mit fast 80 Jahren brennt er noch immer für seine Sache: die Prominentenfotografie. Das zeigt ein höchst aufschlussreicher Porträtfilm in der Ausstellung „Ron Galella – Paparazzo Extraordinaire!“ bei C/O Berlin, die rund 140 seiner Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus drei Jahrzehnten versammelt.

Der erste Raum gehört den Schauspielerinnen und Schauspielern. Marlene Dietrich 1967 auf einer Party, Liz Taylor und Richard Burton bei einer Filmpremiere, Steve McQueen bei Dreharbeiten. „Closed Set“ steht auf dem Schild hinter dem Schauspieler, der gerade aus einer Tasse trinkt. Er hatte das Foto nur unter der Bedingung zugelassen, dass Ron Galella nach zehn Minuten verschwindet. Die grenzüberschreitende, Gegengewalt provozierende Seite des Paparazzitums wird zum Auftakt genüsslich ausgebreitet. Dazu gehört auch die Anekdote mit Marlon Brando, den Galella 1973 in einer New Yorker Sommernacht so sehr nervte, dass er ihm mit einem Fausthieb den Unterkiefer brach und fünf Zähne ausschlug. Bei der nächsten Begegnung trug Galella, der 40 000 Dollar Schmerzensgeld von Brando erhalten hatte, einen Football- Helm und ließ sich von einem Kollegen dabei ablichten, wie er den Schauspieler mit gezückter Kamera verfolgt. Es wurde sein meistpubliziertes Foto.

Ein fast schon obsessives Verhältnis hatte Galella zu Jacqueline Onassis. Wie ein Stalker verfolgte er sie immer und immer wieder. Selbst ein gerichtliches Verbot, ihr nicht näher als 25 Fuß zu kommen, brach er mehrmals. Vom Taxi aus erhaschte er 1972 ein schönes Bild der Kennedy-Witwe: Lächelnd, mit vom Wind verwehten Haaren, geht sie eine Straße entlang. Doch das Wissen um die Hintergründe trübt die Wirkung der Aufnahme. Noch stärker der Fall ist das bei den Motiven, die Jackie mit ihrem Sohn John zeigen: voyeuristische, geraubte Bilder.

Hier kommen sich Galella und die heutige Paparazzi-Fotografie am nächsten. Ansonsten haben die bei C/O Berlin gezeigten Aufnahmen des 1931 in New York geborenen Fotografen sehr wenig mit denen seiner Nachfolger zu tun. So fotografierte er meist aus unmittelbarer Nähe, nicht mit riesigen Teleobjektiven aus einem entfernten Versteck. Seine Aufnahmen sind gestochen scharf und mitunter sogar durchkomponiert – kein Vergleich zu dem Pixelsalat, den die bunten Klatschblättchen heute abdrucken. Wie groß der Abstand zwischen dem Paparazzi-Pionier und den modernen, anonym agierenden Boulevardfotografen ist, verdeutlicht eindrucksvoll ein Bild, das Galella 1988 von Bruce Springsteen und seiner späteren Frau Patti Scialfa machte: Der Boss schaut mit ernstem Blick in die Kamera, um den Hals trägt er ein dickes Kreuz, halb verdeckt hinter ihm lächelt seine Freundin in eine andere Richtung. Es sieht so aus, als säße das Paar hinter einem goldglitzernden Vorhang. Erst auf den zweiten Blick erkennt man, dass die angeblitzten Regentropfen auf der Autoscheibe diesen Effekt erzeugen.

Ein Großteil der Fotografien entstand bei öffentlichen oder semi-öffentlichen Veranstaltungen wie Premieren, Partys, Preisverleihungen oder Pressekonferenzen, bei denen Stars damit rechnen müssen, fotografiert zu werden. Sie können diese Gelegenheiten auch zur Selbstinszenierung nutzen. Das Verhältnis zwischen ihnen und den Fotografen ist in der Balance, denn beide Seiten profitieren von einem guten glamour shot.

Ron Galella gelingen auch innerhalb dieser artifiziellen Kontexte überraschende Einblicke. So lässt sich etwa Michael Jackson nach der Grammy-Verleihung 1984 zusammen mit Brooke Shields ablichten. Er trägt Sonnenbrille und Fantasieuniform, auf dem linken Arm hält er einen kleinen Jungen namens Emmanuel Lewis. Was wir sehen, ist sein eigenes Wunschbild: der King of Pop als Zentrum einer harmonischen Kleinfamilie. Dass dieses Motiv keinerlei Anbindung an die Wirklichkeit hat, ist irrelevant, zeigt es doch Jacksons innere Wahrheit in diesem Moment. So sieht die hohe Kunst der Paparazzi-Fotografie aus, in der es Ron Galella zur Meisterschaft gebracht hat.

C/O Berlin im Postfuhramt, Oranienburger Str. 35/36, bis 26.2., tägl. 11-20 Uhr

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