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Ausstellung im Berliner Filmhaus: Bernd Eichinger in einer großen Schau

Er war Deutschlands erfolgreichster Produzent der letzten Jahrzehnt. Das Berliner Filmhaus widmet dem Erfolgsproduzenten Bernd Eichinger eine große Ausstellung, eine Nahaufnahme seiner Passionen und Manien, Ängste und Mutmacher.

Wenn es um Bernd Eichinger geht, ist man hin- und hergerissen, das hört einfach nicht auf. Da sind zwei meterlange Wandvitrinen, vollgestopft mit Publikums- und Branchenpreisen, Goldenen Leinwänden, Goldenen Tickets, Bogeys und Jupiters, lauter kiloschweren, schrecklich hässlichen Trophäen, und darüber hängen Plakate von „Manta Manta“, „Werner – Beinhart!“ oder „Ballermann 6“, all die Komödien, mit denen Bernd Eichinger zuverlässig ein Millionenpublikum versorgte. Auf dem Monitor läuft ein brüllend komischer Ausschnitt von „Der Schuh des Manitu“, schräg gegenüber ein Youtube-Zusammenschnitt von „Untergang“-Parodien mit Hitler als Rapper, Vielfraß oder Science-Fiction-Trashheld – ein großer Spaß. Und man begreift wieder, er war der Kommerzproduzent der 80er, 90er Jahre, er hatte es drauf. Ohne Blockbuster, ohne Blödeln, ohne Frechheit keine funktionierende Filmindustrie.

Aber dann geht man ein paar Meter zurück an die blaue Zeitleiste, die der Ausstellung „Bernd Eichinger – Alles Kino“ im Berliner Filmhaus chronologischen Halt verleiht, und sieht den Produzenten als blutjungen Mann neben Hans-Jürgen Syberberg, Käthe Gold und Helmut Käutner. Ein Foto von den Dreharbeiten zu Syberbergs „Karl May“ – auch das ist Eichinger: einer, der Anfang der 70er Jahre Syberberg produzierte. Die anderen sind ins Gespräch versunken, Inkarnationen des grübelnden, gründelnden Deutschland. Nur Eichinger, der Schlaks, schaut in die Kamera, ungeschützt, unverblümt, was kost’ die Welt. Ohne Wagemut, ohne Wahnsinn funktioniert keine Filmkunst.

Bernd Eichinger kämpfte zeitlebens gegen seine Ängste

Oder die Vitrine im letzten Raum dieser Schau, die die Deutsche Kinemathek größtenteils aus dem von Ehefrau Katja übergebenen Privatarchiv des 2011 überraschend gestorbenen Großproduzenten zusammengestellt hat. Linkerhand das güldene Kleid von Nina Hoss als „Das Mädchen Rosemarie“ (1996), rechts Eichingers Original-Schreibtisch, davor auf drei Videoleinwänden eine Bild-Ton-Collage. Man steckt gleichsam im Kopf des Produzenten, Drehbuchautors und Regisseurs, mitten im Universum seiner Passionen und Obsessionen. Wenn da nicht diese Vitrine mit den Klamotten wäre. Die Turnschuhe, die Jeans, der weiße Schal, die Bomberjacken für Dreharbeiten. Ist das nicht zu viel der Heldenverehrung, der Musealisierung und Heiligsprechung?

Eichingers öffentliches und privates Ich waren unzertrennlich, von Anfang an. Seine Person war Teil seines Werks, seine Kleidung sein Markenzeichen. Die Uniform eines Berserkers, der es von Bayern nach Hollywood schaffte, der über 100 Filmproduktionen verantwortete und doch nie zu bangen aufhörte. „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, „Das Geisterhaus“, die Teufelsstory vom „Großen Bagarozy“, „Der Untergang“, „Der Baader Meinhof Komplex“, „Das Parfum“ : Wie dunkel all seine Filme waren, sagt Katja Eichinger, das hat sie beim Rundgang durch die Schau erneut frappiert. Und dass die „Last Exit Brooklyn“-Szene mit den Fabrikarbeitern, die am Gittertor rütteln, ein Inbild bleibt, für das „wahnwitzige Rütteln an den Gitterstäben des Lebens“, wie sie 2012 in ihrer Biografie „BE“ schrieb.

Karin Rocholl fotografierte Eichingers melancholische Coolness

350 Exponate. Fotos, Storyboards, Korrespondenzen, Interviews, TV-Ausschnitte, Filmclips in vier Kapiteln. Das erste, „Helden“, versammelt Eichingers Ikonen, Karl May, Marvel-Comics, die Nibelungen – und die verrückte Idee, Special Effects in Deutschland zu fabrizieren. Rührend das pelzige Stofftiermodell vom Drachen Fufur neben den Bildern vom Bavaria-Atelier, in dem das Riesenvieh für die „Unendliche Geschichte“ zusammengenäht wird. Folgen „Deutschland“ mit den Komödien und der verfilmten Zeitgeschichte von Hitler bis RAF und der „Amerika“-Raum mit wunderbaren Schwarz-Weiß-Fotos von Karin Rocholl aus den 80er Jahren. Eichinger lächelt nicht, fixiert den Betrachter mit oder ohne Sonnenbrille, die Coolness der Melancholie. Wie, fragt man sich, hat dieser fragile, schmächtige Typ es bloß geschafft, die Hollywoodbosse von seinen Projekten zu überzeugen?

Bernd Eichinger mit "Parfum"-Regisseur Tom Tykwer (l.)und Rachel Hurd vor Lavendelfeldern in der Provence.
Drehpause in der Provence. Mit "Parfum"-Regisseur Tom Tykwer (l.)und Rachel Hurd, 2006..

© Jürgen Olczyk/Deutsche Kinemathek - Sammlung Bernd Eichinger

Im vierten Raum, „Außenseiter“, finden sich Eichingers Antihelden, von Christiane F. bis zur Hure Tralala in „Last Exit Brooklyn“. Und die eigenen Austritte, etwa der handgeschriebene Brief an Leo Kirch (auf Hotel-Adlon-Papier), in dem er nach erbittertem Streit ums „Parfum“ die Leitung seiner Constantin-Firma abgibt.

Eine Schau der Manien und Mutmacher, der Dämonen und Teufelsaustreibungen. Wie Eichinger die TV-Moderatoren anblufft, wenn sie immer nur über Geld mit ihm reden und nicht über Kunst. Wie er sich auf einen turmhohen Kran hieven lässt, um am Bunjeeseil in die Tiefe zu stürzen. Wie er sich mit Stars umgibt, mit der Wirtschaftswunderprominenz, mit seinen Frauen, Hannelore Elsner, Barbara Rudnik oder Corinna Harfouch, mit Coppola, Meryl Streep und Schwarzenegger. Auch wenn ihm das Image anhaftete: Ein Kraftprotz war Eichinger nie. Aber das Kraftzentrum des deutschen Films, einer, der es schaffte, eine Zeit lang zu überleben, allen Widerständen zum Trotz. Den Antrag für den „Schuh des Manitu“ lehnte die Filmförderanstalt ab. „Die Kalauer sind alt“, Westernpersiflagen nicht erfolgversprechend – auch dieses Schreiben liegt in einer Vitrine.

Und die berühmte Münze mit dem Konterfei von Alexander dem Großen, Eichingers Talisman. Die 2400 Jahre alte Silberdrachme überreichte er zu Beginn eines jeden Drehs dem Regisseur, Uli Edel, Oliver Hirschbiegel oder Tom Tywker, um den Glücksbringer nach der letzten Klappe zurück zu verlangen. Eine unscheinbare, unbezahlbare Münze. Die Anerkennung bei der Kritik und auch der von ihm initiierten Filmakademie blieb ihm lange verwehrt, bis er 2010 mit der Lola für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde, acht Monate vor seinem Tod (ein Video von der bewegenden Verleihung sehen Sie hier)

Die Mühe, die es kosten muss, Tatendrang und Selbstzweifel ohne jede Glücksgarantie in Einklang zu bringen, sie manifestiert sich nicht zuletzt in Eichingers Sammelwut. Schon seine Eltern hatten einen Faible fürs Dokumentieren der Familiengeschichte, der Sohn bewahrte akribisch alles auf, von den Notizzetteln für die Geburtstagsrede des Vaters bis zu den Stichworten für die Ansprache vor der ersten „Parsifal“-Staatsopern-Probe. Eichinger kritzelte Tagesplaner voll, kommentierte Storyboards, notierte seinen Hass auf die Schule und Jahre später seine ambivalente Arbeitsbeziehung zu Doris Dörrie (beim USA-Dreh von „Ich und er“). Jeder Gedanke muss festgehalten werden – Größenwahn oder Beichte eines Zerrissenen? Ein Glück für die Ausstellungsmacher ist Bernd Eichingers Sammelwut allemal.

Filmhaus, Potsdamer Str. 2, bis 6. 10. Di - So 10 -18 Uhr, Do 10 -20 Uhr.

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