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Frauenpower. Im Eröffnungsfilm "Flatland" der Südafrikanerin Jenna Bass brennen zwei Freundinnen gemeinsam durch.

© Flatland Productions

Berlinale 2019: Die Panorama-Filme im Überblick

Durchbrennen, abdrehen, nie aufgeben: Das Berlinale Panorama wird 40 und schaut auf rebellische Kräfte und kreative Köpfe.

Ein runder Geburtstag steht an: Das Panorama wird 40 und feiert sich mit einer kleinen Rückschau. Sie wird „obskur und eklektisch, kein Best-of und kein Namedropping“, so Wieland Speck, der das Panorama von 1992 bis 2017 geleitet hat, und zusammen mit seinem langjährigen Mitstreiter Andreas Struck neun Spielfilme, drei Essay-Dokumente sowie elf Kurzfilme ausgesucht hat. Mit dabei sind unter anderem Lasse Hallströms "Mein Leben als Hund", Pascale Ferrans "Lady Chatterley" und das gerade restaurierte Aids- Drama "Buddies" von Arthur J. Bressan Jr..

Seit dem letzten Jahr sind Paz Lázaro und ihr Co-Kurator Michael Stütz für das Panorama-Programm verantwortlich. Diesmal haben sie 45 Filme ausgewählt, darunter 19 Debüts. Lediglich 15 Werke stammen von Regisseurinnen. Dafür wartet der Eröffnungsfilm "Flatland" der Südafrikanerin Jenna Bass mit reichlich Frauenpower auf: Die drei Hauptfiguren sind weiblich. Das größtenteils auf Afrikaans gedrehte Drama beginnt mit der von Gewalt geprägten Hochzeitsnacht von Natalie, die auf ihrem Pferd zu ihrer hochschwangeren besten Freundin Poppie durchbrennt. Gemeinsam versuchen sie, sich nach Johannesburg durchzuschlagen, während ihnen eine toughe Polizistin auf den Fersen ist – ein bisschen „Thelma und Louise“ plus MeToo und Westernzitaten.

Kämpfe ums Überleben und sexuelle Selbstbestimmung

Der in einer kargen, flachen Landschaft angesiedelte dritte Spielfilm von Bass, die auch am Drehbuch des diese Woche startenden Liebesfilms „Rafiki“ mitwirkte, setzt mit dem Ausbruch der Mädchen ein Thema, das noch einige Male wiederkehrt im diesjährigen Panorama-Programm. So kämpft ein 15-jähriger kambodschanischer Junge in "Buoyancy" auf einem thailändischen Fischkutter, wo er als Arbeitssklave gehalten wird, ums Überleben. Schließlich entscheidet er sich, zu rebellieren. Eine ebenfalls sehr gefährlichen und schmerzhafte Abkehr von einer allerdings selbst gewählten Gemeinschaft zeigt Guy Nattivs Skin, der auf der wahren Geschichte des US-amerikanischen Neo-Nazis Bryon Widner (gespielt von Jamie Bell) beruht.

Um ihre sexuelle Selbstbestimmung ringt eine im Rollstuhl sitzende Mangakünstlerin in "37 Seconds". Das von der japanischen Regiedebütantin Hikari inszenierte Drama zeigt, wie die Mutter die junge Frau betreut und behütet, aber eben auch eingeschränkt. In einer wahren Familienhölle findet sich ein zweifacher Vater aus großbürgerlichem Haus in "Temblores" wieder, als bekannt wird, dass er eine Liebesbeziehung mit einem Mann hat. Eltern und Geschwister reagieren ablehnend, seine Frau unterbindet den Umgang mit den Kindern. Das trifft ihn so hart, dass er irgendwann einwilligt, an einem Umerziehungslehrgang seiner evangelikalen Gemeinde teilzunehmen. Bei dieser Tour de Force in dunklen Bildern hat Jayro Bustamante, der auch das Drehbuch schrieb, Regie geführt. Vor vier Jahren war der Guatemalteke mit seinem Debütspielfilm „Ixcanul“ im Wettbewerb und gewann den Alfred Bauer Preis.

Eine Oma liebt ein Alien

Traditionell stark vertreten sind im Panorama Filme mit queeren Themen. Neben Bustamantes Film, der zudem in einer Reihe mit lateinamerikanischen Werken steht, ist hier unter anderem "Greta" des brasilianischen Drehbuchautors und Regisseurs Armando Praça zu nennen. Darin nimmt ein 70-jähriger schwuler Pfleger einen Kranken bei sich zu Hause auf, um seiner transsexuellen Nachbarin, eine dringend benötigte Nieren-Behandlung im Krankenhaus zu ermöglichen.

Eine andere trans Frau erlebt in Santiago Lozas "Breve historia del planeta verde" eine Überraschung als sie feststellt, dass ihre kürzlich verstorbene Oma eine Beziehung zu einem Alien hatte. Wie einst E.T. soll es zurück nach Hause, das allerdings nicht im All, sondern irgendwo im ländlichen Argentinien zu liegen scheint. Ein Fall für die Teddy-Jury, die zum 33. Mal den Preis für den besten queeren Berlinale-Film vergibt. Ihre Entscheidungen wird wie immer einen Tag vor der großen Bären-Parade bekanntgegeben. Diesmal findet die Gala in der Volksbühne statt. Passenderweise geht der Ehren-Teddy an einen Theaterregisseur und Dramatiker: Falk Richter, der in Berlin unter anderem „Small Town Boy“ und „Fear“ inszeniert hat.

Porträts von Künstlerinnen und Künstler bilden einen Fokus der Panorama-Dokumentarfilme. Einen Einblick in die Arbeit der Musikerin PJ Harvey ermöglicht etwa der Fotograf Seamus Murphy in "A Dog Called Money", für den er die Britin auf Reisen und im Studio begleitet hat. Vier Veteranen des inzwischen nicht mehr existierenden sudanesischen Kinos zeigt "Talking about Trees" von Suhaib Gasmelbari. Er beobachtet sie bei ihren Bemühungen ein Freiluftkino wiederzueröffnen – ein Kampf gegen Staub, Bürokratie und Muezzinrufe. Kreativen Umgang mit widrigen Bedingungen zeichnet auch die Straßenkunstszene Kinshasas aus, die Renaud Barrets "Système K" dokumentiert. Müll wird zu Installationen und die Straße zur Performance-Bühne. Eine kongolesische Ermutigung – auch für die prekären Künstlerinnen und Künstler Berlins.

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