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"Queen"-Sänger Freddie Mercury

© dpa

"Queen"-Museum in Montreux: Der ewige Freddie

Another one bites the dust: "Queen" haben in Montreux ein Museum eröffnet und machen ihren toten Sänger Freddie Mercury so zum ewig Lebenden. Auch neue Alben sind geplant - auf einem soll Mercury mit einem anderen "Untoten" im Duett singen.

Er war der schillerndste Paradiesvogel des Rock. Ein schnauzbärtiger Derwisch, der mühelos ganze Stadien unter Strom setzte, der aber auch gern mal mit Montserrat Caballé im Duett sang. Und er war der erste Star der Popwelt, der von Aids hinweggerafft wurde: Freddie Mercury, Frontmann von Queen, einer der erfolgreichsten Gruppen der Popgeschichte. Er sagte von sich Sätze wie: „Ich bin schwul wie eine Narzisse, Darling“ oder „Meine vorstehenden Zähne gefallen mir nicht, ansonsten bin ich perfekt“ – was zumindest unter Bühnengesichtspunkten durchaus stimmen könnte. 2009 wurde er zum größten Rocksänger aller Zeiten gewählt.

Jetzt, mehr als 22 Jahre nach seinem Tod, bereitet sich Freddie Mercury auf eine neue Karriere vor: die Ewigkeit. Dazu ist ihm in der Schweiz, am Genfer See, ein Schrein errichtet worden, mit angeschlossenem Tonstudio. Seine Heimat hatte Freddie Mercury mehr und mehr nach Montreux verlegt, ein Städtchen mit Palmen, gegenüber dem Mont Blanc. Zwischen tief blauem Seewasser und flirrendem Alpenlicht entstanden hier ab 1978 jene Songs, die Queen 300 Millionen verkaufte CDs bescherten, darunter 18 Nummer-eins-Hits.

Obwohl Mercury sehr krank war, gab es für ihn nur eine Devise: weiterarbeiten

„Hier ist es passiert, genau hier hat Freddie gestanden und seine letzten Vocals eingesungen“, erzählt Justin Shirley- Smith, der damals bei den Aufnahmen als Tontechniker dabei war, und deutet auf einen golden markierten Kreis im Kontrollraum. Wir befinden uns in den Mountain Studios, einem von Briten betriebenen Studio, das Queen 1979 kauften und das jetzt zu einer Art Museum umgebaut wurde. „Wir wussten ja nie, welcher Take der letzte sein würde. Freddie war seit zwei, drei Jahren sehr krank, aber niemand sprach darüber und ich wollte gar nicht wissen, was der Grund dafür war.“ Mercury gab die Devise aus, einfach weiterzuarbeiten.

In Montreux kaufte sich der Sänger ein Haus, zu dem noch immer am 5. September, seinem Geburtstag, Scharen von Anhängern pilgern. Am Seeufer steht seine berühmte Bronzestatue und streckt noch immer charakteristisch die Faust in den Himmel, als gäbe es kein Morgen. Zu ihren Füßen fast immer Blumen, Briefe und Geschenke, ein Buch, ein Kuchen, ein Schlüsselbund.

Montreux ist zum Mekka der Mercuryaner geworden. Doch jetzt kann jedermann an den Ort zurückkehren, wo alles begann: ins Casino von Montreux. Hier spielten Queen einst ihre Hits ein. Der Anmarsch zu den ehemaligen Studios in einem Seitentrakt des Gebäudes ist fast surreal. Auf einem roten Teppich geht es vorbei an Hunderten von Spieltischen zur „Queen Studio Experience“.

Ein prächtiges Technikmuseum aus der klobigen, analogen, nicht digitalen Welt: Hier kann man unter anderem das berühmte Handmikrofon bewundern, mit dem Freddie Mercury in den bekannt frivolen Posen einheizte. Oder das brustfreie Harlekinkostüm, dem russischen Tänzer Nijinsky nachempfunden, in das er auf seiner Tournee 1977 schlüpfte.

Montreux wird zum Eintritt in die Musikwelt des analogen Zeitalters

Das Queen-Museum ist kaum größer ist als eine Zwei-Zimmer-Wohnung. Hier finden sich Preziosen wie die völlig zerknitterten, erstaunlich unordentlichen Schmierzettel mit jenen Lyrics, die später von Millionen nachgesungen wurden. Hinter Glas sind die Original-Musikinstrumente aufgebahrt. „Stellen Sie sich vor, dass die Band gerade ein Konzert beendet hat und alles bereit liegt für die Proben am nächsten Tag“, sagt der Londoner Ausstellungsarchitekt David Simpson. Alles soll frisch wirken.

The Show must go on: Die Statue von Freddie Mercury am Genfer See.
The Show must go on: Die Statue von Freddie Mercury am Genfer See.

© AFP

Genau darum geht es in Montreux: um den Triumph über die Zeit. Angefangen hatte es 1995 mit „Made in Heaven“, dem letzten Album von Queen. Da war Freddie Mercury schon vier Jahre tot, seine Stimme kam aus der Konserve. Und man hat ja noch viele Aufnahmen auf den alten Masterbändern. Im Sommer soll eine neue CD von Queen erscheinen, mit Mercurys Stimme aus der Gruft. Dazu haben die überlebenden Musiker, der Gitarrist Brian May und der Schlagzeuger Roger Taylor, gerade einen Plattenvertrag mit Universal unterzeichnet. Und das ist nicht alles. Freddie Mercury könnte bald auch im Duett mit Michael Jackson singen. Beide haben in den achtziger Jahren in Montreux Aufnahmen gemacht. Die könnten jetzt neu gemischt und herausgebracht werden. Als Duett zweier Untoter.

Das Archiv macht's möglich: Aufnahmen von Michael Jackson und Freddie Mercury sollen vereint werden

Der Gitarrist Brian May, der mit seiner ergrauten, bis auf die Schulter herabreichenden Lockenpracht an einen alterswürdigen Händel erinnert, freut sich über das Weiterleben von Queen in einer neuen Dimension. „Wir haben ja noch viel mehr vor“, verkündet der 65-Jährige. „Wir arbeiten schon sehr lang an einem Film über Freddies Leben. Unsere Idee besteht darin, dass wir eine Familie waren. Wir haben ja mit der Band mehr Zeit verbracht als mit unseren Eltern, Kindern und Partnerinnen. Unser Film wird die Geschichte einer Familie sein.“

Queen hatten in der Tat einen einzigartigen Zusammenhalt. Aber eine Familie über den Tod hinaus? Mit neuer Musik aus dem Hause Queen? Das klingt dann doch ein bisschen nach Frankenstein, passt aber in die Landschaft: In einer Villa am Genfer See schrieb Mary Shelley 1816 ihren berühmten Roman „Frankenstein oder Der moderne Prometheus“.

Werner Bloch

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