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René Block im Büro seiner Galerie mit Plakat „Hommage à Berlin“, 1969

© KP Brehmer, KP Brehmer Nachlass, Berlin

Berlin Art Week: René Block: Der Galerist als Dirigent

Ein Leben für die Kunst: Die Berlinische Galerie und der Neue Berliner Kunstverein ehren René Block mit einer Ausstellung.

Die Berlin Art Week ist eine Zwitterfigur, eine Bündelung musealer Aktivitäten und zugleich der Gemeinschaftstermin dreier Messen. Vom Synergieeffekt profitieren beide Seiten: die Institutionen und der Handel. Da passt es, zu einem solchen Termin jemanden zu würdigen, der die unterschiedlichen Interessen der Protagonisten in sich vereint. Der Berliner Galerist René Block ist solch ein Wunderwesen. Er war Verleger, Verkäufer, Veranstalter, ein Kurator avant la lettre, Netzwerker, Querdenker, Spartenspringer – und er ist es immer noch.

Dass gleich zwei Häuser, die Berlinische Galerie und der Neue Berliner Kunstverein, ihm zur Berlin Art Week eine Ausstellung widmen, seine Galerietätigkeit, seine Museumsarbeit im Fridericianum in Kassel, seine Biennalen von Sydney bis Gwangju präsentieren, hat jedoch nur bedingt mit dem aktuellen Großereignis zu tun. Fast auf den Tag vor 51 Jahren, zeigte Block in der Wilmersdorfer Schaperstraße seine erste Ausstellung, eröffnet übrigens von Heinz Ohff, dem langjährigen Kulturchef des Tagesspiegel.

Geplant war die jetzige Hommage ursprünglich zum runden Jubiläum 2014, doch musste die Berlinische Galerie wegen Sanierungsarbeiten schließen. Auf das eine Jahr aber kommt es nicht an – angesichts der langen Zeitreise, die der Besucher anhand von Plakaten, Briefen, Fotografien, filmischen Dokumenten und natürlich Kunstwerken antritt. Ein riesiger Katalog an Kunstbewegungen, persönlichen Beziehungen, Initiativen wird aufgeblättert. Fast kommen Zweifel, dass hier einer allein am Werk gewesen sein soll.

Auf seine Art war Block ein Avantgardist

Doch Block dreht sogleich das große Rad, zumindest aus heutiger Sicht. Seine erste Ausstellung trägt den programmatischen Titel „Neodada, Pop, Decollage, Kapitalistischer Realismus“, gezeigt werden Werke von Gerhard Richter, Sigmar Polke, Wolf Vostell, Konrad Lueg, K.P. Brehmer, Karl Horst Hödicke. Ein Paukenschlag in der Mauerstadt, wo bislang nur die expressive Malerei etwas galt. Das Bübchen aus dem Rheinland, das hier anfangs nur sein Kunststudium fortsetzen wollte, hatte sich vorher genau umgeschaut. Aus Krefeld kommend, kannte der 22-Jährige durch das Museum Haus Lange die bislang noch nicht in die Inselstadt vorgedrungene neueste Kunst. Umgekehrt sahen Richter & Co. die sich mit Block für sie bietende Gelegenheit. Durch den Junggaleristen konnte die Düsseldorfer Garde nach Berlin aufschließen, und mit dem sozialistischen Realismus auf der anderen Mauerseite erhielt ihre kapitalistische Variante einen kontrastierenden politischen Impetus. Der „liebe Herr Block“, so die respektvolle Anrede in den eingehenden Briefen, ließ sich wiederum gerne weitere Kandidaten für seine Galerie vorschlagen. Der enge Kontakt, die Empfehlungen der Künstler wurden zur Grundlage für Blocks weitere Arbeit. Als Galerist malte er zwar keine Bilder mehr, besaß dafür aber einen Raum als Instrument, in dem er Ausstellungen und Soireen orchestrieren konnte. Auf seine Art war Block ebenfalls Avantgardist, praktizierte er doch als einer der Ersten den heute wieder propagierten Cross-over der Künste.

Die Ausstellung: ein Pingpong der Positionen

Gezeigt werden kann von alldem nur ein Bruchteil. Die Berlinische Galerie hat sich des Archivs angenommen und schlägt mit Briefen, Plakaten und Aufnahmen der Happenings ein neues Kapitel der Kunstgeschichte auf, diesmal aus der Sicht des Kurators. Im Neuen Berliner Kunstverein breitet Block als Sammler seine Schätze aus – schließlich erwarb er aus den eigenen Ausstellungen stets etwas für sich selbst. Die von Marius Babias mit dem Galeristen eingerichtete Ausstellung ist ein großer Spaß, ein Pingpong zwischen historischen Positionen etwa des Fluxus und neuesten Entdeckungen, so wie es der Kurator später immer gehalten hat. Da begegnen sich die junge Türkin Nevin Aladag und Robert Filliou, die polnische Bildhauerin Alicja Kwade und Nam June Paik, die finnische Fotografin Aino Kannisto und Dieter Roth auf Augenhöhe. Auch das ein Rezept von Blocks Erfolg: den Blick offen halten zwischen Generationen wie Herkunftsländern.

„Ich habe mich immer als Dirigent verstanden“, verrät der Galerist. Beim großen Konzert gibt es für ihn keine Solisten, die Stars rücken nach hinten, ihr Glanz soll die anderen nicht überstrahlen. Dadurch kommen auch Künstler in den Blick, die zu Unrecht vergessen sind – etwa Claus Böhmler, von dem hinreißende Aquarelle und ein Tesafilm-Film zu sehen ist. Im Schaufenster des Kunstvereins steht von ihm ein Stuhl, dessen Sitzfläche und Lehne aus Kabelband geflochten sind, eine angeschlossene Glühbirne beleuchtet das gefährliche Ensemble.

Und doch steuert der Besucher bald schon auf das Zentralgestirn von Block zu, den Beitrag von Beuys, in dessen Vitrine Kartoffelkraut als großes Knäuel präsentiert wird, die Reste einer Aktion. Im Herbst 1977 ließ der große Schamane die zuvor im Vorgarten der Schaperstraße gepflanzten Kartoffeln wieder ausreißen. Da waren Block und Beuys schon lange ein Team. Drei Jahre zuvor hatte der Künstler in der New Yorker Dependance der Galerie seine berühmte Aktion „I love America“ mit Kojote aufgeführt, zum Ende der Berliner Galerietätigkeit inszenierte er 1979 unter dem Titel „Jetzt brechen wir hier den Scheiß ab“ einen symbolischen Kehraus. Die abgeschlagenen Putzreste waren anschließend in seiner Retrospektive im New Yorker Guggenheim Museum zu sehen. Ein Gruß zurück vom Freund. Von Beuys stammt auch der Ausstellungstitel: „Ich kenne kein Weekend“. Das gilt weiterhin.

NBK, Chausseestr. 128/129, bis 24. Januar; Berlinische Galerie, Alte Jakobstr. 124–128, bis 15. Februar

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