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"So isses" Helmut Schmidt bei Sandra Maischberger.

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Altkanzler bei Maischberger: "So isses" - Helmut Schmidt über Eurokrise und neue Liebe

Angesichts seiner 93 Jahre ist es nicht leicht, Helmut Schmidt zum Plaudern zu bringen. Sandra Maischberger entlockte dem Altkanzler am Dienstagabend prägnante Statements zur Eurokrise. Man sollte öfter hochbetagte Menschen aus Politik und Zeitgeschehen vor die Kamera holen.

Alte Menschen, die noch wissen, was sie sagen, wiederholen sich ungern. Sie mögen keine Phrasen mehr dreschen, und wenn sie was nicht wissen, sagen sie: Ich weiß es nicht, anstatt drumrum zu reden. Sie haben sozusagen eine höhere Seinsstufe erklommen, sie sind wesentlich geworden. Entsprechend schwer sind sie zu interviewen.

Das musste Sandra Maischberger erfahren, als sie am Dienstag mit Helmut Schmidt im Studio saß, der 93-Jährige im Rollstuhl, mit Krückstock und seinem Markenzeichen, den Zigaretten, wohl versehen, ihr gut bekannt aus vorgängigen Begegnungen. Da hätte man einen geneigteren Gast erwarten können, der auch mal plaudert, aber dazu ist Schmidt nun eben zu alt und zu wesentlich. Maischberger entlockte ihm prägnante Statements zur Eurokrise, die laut Schmidt nichts anders als die Schuldenkrise ist, zu Griechenland, „es war ein Fehler, die Griechen aufzunehmen, jetzt muss man die Konsequenzen tragen“ und die Griechen in der Eurozone halten, zur Führungskrise in Europa, die nicht von den Deutschen bewältigt werden könne wegen ihrer Rolle im 20. Jahrhundert. Aber es gelangt ihr nicht, den alten Herrn zum Plaudern zu bewegen. Schon gar nicht aus dem Nähkästchen. Ihr Intro mit Fragen nach der neuen Lebensgefährtin – „Raucht sie?“ „Ja, das tut sie.“ – verzieh er ihr erst nach circa dreißig Minuten. Erst dann gönnte er sich und ihr zu einer gelungenen Formulierung mal ein Lächeln.

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Man sollte öfter hochbetagte Menschen aus Politik und Zeitgeschehen, die noch wissen, was sie sagen, vor die Kamera holen. Ihr höherer Seinsmodus lässt sie auf eine sehr wohltuende Weise das übliche Spiel von Frage und Antwort und Selbstdarstellung unterlaufen und das Scheinhafte und Vordergründige, das ihr Seinsmodus nervös meidet, hervortreten. Und das Wesentliche, für das ein alter Mensch seinen Atem aufspart, genauso. Für Schmidt waren das: „Überblick und Tatkraft“. Darauf komme es an zur Bewältigung der Krise. Und jetzt noch mal zum Mitschreiben: die Rechtsgrundlage für ein gemeinsames Handeln in Europa, die europäische Verfassung, die fehlt! Darunter macht er’s nicht; wenn er schon im Fernsehen reden soll, dann über so was. Die Amerikaner können den Investmentbankern keine Zügel anlegen, und die Engländer wollen es nicht. De Gaulle hatte Recht, das sieht er erst jetzt. Europa muss ohne diese irre Insel bestehen.

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Über europäische Regierungschefs und deren Format will er nichts sagen, pafft stattdessen. „Dann geben Sie also keine Antwort?“ „So isses.“ Soll man die Reichen stärker besteuern? Hä? Soll man – Ja, es war ein Fehler, die Vermögensteuer aufzuheben, aber sonst will Schmidt mit populistischen Themen wie Reichensteuer nichts zu tun haben. „Das ist mir zu sehr Tagespolitik“, bescheidet er, das Niveau markierend, auf dem er einzig bereit ist, gedanklich zu agieren.

Maischberger folgt ihm, stochert aber gegen Ende noch mal in Richtung Nähkästchen. Wie das gewesen sein mit der Trauer um Loki? Schmidt macht dicht, dankenswerterweise. Angst davor, nicht mehr zu Hause leben zu können? „Ich hab mein eigenes Haus zum Altenheim erklärt.“ Eine Pflegerin sei da. Soll die Neue nicht einziehen? Nein. Warum nicht? Es würde doch manches erleichtern. „Es würde vieles komplizieren.“ Er lächelt. Und dann eine intime Frage: Ob er den Verlust seiner Geisteskraft befürchte? Nein. „Noch weiß ich, was ich sage.“ Aber sie würde schwächer, die Geisteskraft.

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