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Kölner Stadtarchiv: Restaurieren mit langem Atem

Vor zwei Jahren stürzte das Kölner Stadtarchiv ein: Mindestens 30 Jahre wird es dauern, bis die Bestände vollständig restauriert sind. Ein Blick in die Berliner Restaurationswerkstätten zeigt, wie mühevoll die Arbeit oft ist.

Als graubrauner, durchfeuchteter Klumpen, so zeigt sich die Akte aus dem Kölner Stadtarchiv. Seit dem 3. März 2009 trifft das für 90 Prozent der zuvor sauber aufgereihten 30 Regalkilometer Archivbestand zu. Vor zwei Jahren stürzte das Archiv ein – und ist seitdem ein Sanierungsfall, der größte, den das Archivwesen je zu verzeichnen hatte.

30 bis 40 Jahre wird es dauern, bis die aus dem Schlamm der U-Bahn-Baugrube geborgenen Bestände restauriert und wieder in sinnvolle Zusammenhänge gebracht sind.  Denn auch der „völlige Verlust der Bestandszusammenhänge“ ist zu beklagen, wie Bettina Schmidt-Czaia, die Direktorin des Kölner Hauses, am gestrigen Freitag im Berliner Bundesarchiv erläuterte. Dort, in der Finckensteinallee in Lichterfelde, wird ein kleiner Teil des Kölner Bestandes gefriergetrocknet und wieder nutzbar gemacht.

Die Demonstration des rumpelnden Gefriertrockners – bis zu zwei Wochen lang muss er für eine einzige Beladung in Betrieb bleiben! – lässt ahnen, welch herkulische Aufgabe auch nach zwei Jahren immer noch vor den Kölnern liegt. Auf Archive in ganz Deutschland ist der Bestand verteilt, wobei das Bundesarchiv mit seinen vier Standorten eine Vorreiterrolle spielt. So lagern in St. Augustin bei Bonn zwei Regalkilometer – davon konnten seit November 2009 gerade einmal 500 Meter erfasst werden.

Einen Neubau für das Historische Archiv hat der Kölner Rat mittlerweile beschlossen. 100 Millionen Euro sind dafür veranschlagt, auch die zuletzt heimatlos gewordene Kunst- und Museumsbibliothek soll mit einziehen. Der künftige Standort ist garantiert U-Bahn-frei. Nach und nach wird in die für 47 Kilometer Bestand geplanten Regale zurückkehren, was die Restauratoren in mühevoller Handarbeit wiederherstellen. Zunächst muss der Schmutz entfernt werden, der Schlamm und Trümmerschutt, damit die durchnässten Papierbrocken nicht zu veritablem Beton verklumpen. Dann erst kann die Feuchtigkeit im Gefriertrockner entzogen werden. Das Ergebnis sind jämmerlich verzogene und gewellte Aktenstücke. Und bei den Abertausenden von Fotografien bleiben die Fehlstellen durch verklebte Oberflächen unweigerlich bestehen.

Muss das alles erhalten werden? Die Kosten der Restaurierungsarbeiten werden auf 400 Millionen Euro geschätzt. 200 Restauratoren werden benötigt, um die erforderlichen 6300 „Mannjahre“ Arbeit abzuleisten. „Auch eine Urkunde von 1480 wurde nicht geschrieben, um überliefert zu werden“, verteidigt Schmidt-Czaja den zumal für eine einzelne Kommune wie Köln ungeheuren Aufwand. „Die Akten von gestern sind das Mittelalter von morgen. Jede Zeit bildet sich ihr eigenes Urteil darüber, was sie der Nachwelt hinterlässt.“

Vor einem Jahr zeigte das Historische Archiv der Stadt Köln Beispiele seiner Schadensfälle und von geretteten Urkunden im Berliner Martin-Gropius-Bau. Mittlerweile ist der Schock einigermaßen überwunden. Am Montag werden die Verantwortlichen aus dem Stadtrat, dem Kulturdezernat und den Verkehrsbetrieben in Köln über neue Erkenntnisse zum Unglück berichten, auch über die Perspektiven für den Neubau. Archivare haben einen sehr langen Atem.

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