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Originalgetreu. Im Wikingerschiffmuseum Roskilde werden mit den Handwerkstechniken der Wikingerzeit Schiffe nachgebaut.

©  Rolf Brockschmidt

Schiffsbaukunst der Wikingerzeit: Werkeln und segeln wie die Wikinger

Das Wikingerschiffmuseum Roskilde rekonstruiert historische Schiffe in offenen Werkstätten.

Es ist verdammt schwer, zweimal sechs Ruderer auf jeder Seite synchron die Ruder ins Wasser tauchen zu lassen und durchzuziehen. Und dennoch klappt es nach einiger Zeit. Ein mehr als 100 Jahre altes norwegisches Fischerboot nimmt uns Landratten, Erwachsene und Kinder, auf, um nachzuempfinden, wie Wikinger einst gerudert und gesegelt sind. Schwimmwesten hatten die natürlich nicht an, aber ansonsten sind die Bedingungen schon recht ähnlich, zumal der Unterschied zwischen einem norwegischen Fischerboot von 1900 und einem echten Wikingerschiff sehr gering ist. Viel hatte sich da nicht geändert.

Unser Skipper vom Wikingerschiffmuseum Roskilde gibt uns Anweisungen, wie wir diese verdammt langen Ruder zu handhaben haben. Erst rudern wir aus dem Hafen heraus und suchen den Wind.

Frischer Anstrich. Ausgehend von Schiffsfunden und Bildquellen werden die alten Baumethoden experimentell erforscht und getestet.
Frischer Anstrich. Ausgehend von Schiffsfunden und Bildquellen werden die alten Baumethoden experimentell erforscht und getestet.

©  Rolf Brockschmidt

Aber bitte nicht die Ruder auf die Taue legen, sonst gibt es Probleme beim Hissen des Segels. Wir nehmen erstaunlich schnell Fahrt auf, erwischen eine Brise. Flink wird von der Besatzung das Segel hochzogen und an kleinen Holzpflöcken, die in der Reling steckten, vertäut. Und schon pflügt das Boot durch die harmlosen Wellen.

Kaum vorzustellen, wie das bei Windstärke sechs auf hoher See ist, doch diese kleineren Boote blieben auch zur Wikingerzeit eher in Küstennähe. Die Wikinger hatten Schiffe für jeden Zweck, kleine Boote, wendige Küstensegler, prächtige Langschiffe und plumpere Lastensegler für den Nachschub, für die Beute oder Handelsware. Das Schiff war das Wesenselement der Wikinger.

14 Knoten bei gutem Wind

Voraussetzung für die erfolgreichen Raubzüge, die gemeinhin das Bild von den Wikingern prägen, aber auch für die ausgedehnten Handelsfahrten nach Irland, Norwegen, ins Baltikum und den Orient war die Entwicklung seetüchtiger leichter Schiffe. Mit ihrer Kombination aus Segel und Ruder konnten sie ordentlich Fahrt aufnehmen, wobei die Ruder in erster Linie dazu dienten, den Wind zu suchen. Hatte man ihn gefunden, wurden die Ruder eingezogen. Schließlich sollten die Krieger ausgeruht an Land gehen. Bei gutem Wind schafften die großen Langschiffe zwölf und 14 Knoten, sagte Bernhard Heeb vom Museum für Vor- und Frühgeschichte und Kurator der Ausstellung.

Wie diese Hightechschiffe der Wikingerzeit gebaut wurden, demonstriert das Wikingerschiffmuseum Roskilde. Dass Schiffe, echte und nachgebaute, gezeigt werden, kann man erwarten. Dass man aber zuschauen kann, wie jedes Teil für einen Nachbau hergestellt wird, ob Tau, Drachenfigur, Segel oder Schiffsplanken, fasziniert. Die Mitarbeiter arbeiten in offenen Werkstätten, nur die archäologischen Funde werden unter Ausschluss der Öffentlichkeit behandelt.

Alte Technologien und das Wissen von heute

Ein Schmied sitzt in seiner Hütte und hämmert die Nägel, die man auch kaufen kann. Jeder Euro wird benötigt. In einer anderen Hütte wird gerade der Drachenkopf eines Wikingerschiffes bemalt. Das fertige Boot liegt schon im Hafen und wartet auf seinen Schmuck.

für den Nachbau des „Seehengstes von Glendalough“ mussten zwei Kilometer Tau gedreht und 120 Quadratmeter Segelfläche gewebt werden.
für den Nachbau des „Seehengstes von Glendalough“ mussten zwei Kilometer Tau gedreht und 120 Quadratmeter Segelfläche gewebt werden.

©  Rolf Brockschmidt

„Wir müssen 60 Prozent unseres Budgets selbst erwirtschaften“, sagt Pressesprecherin Rikke Johansen, „wir bauen diese Schiffe auch für Privatleute oder für andere Museen.“ Der Aufwand ist beachtlich. Allein zwei Kilometer Tau mussten für den Nachbau des „Seehengstes von Glendalough“ gedreht und 120 Quadratmeter Segelfläche gewebt werden.

Bei allen Versuchen, dem historischen Original nahe zu kommen – die Mitarbeiter laufen nicht als verkleidete Wikinger über das Gelände. „Wir zeigen mit unserem Wissen von heute die alten Technologien“, sagt die Direktorin Tianna Damgard-Sörensen. Die Sammlung der Kopien historischer Werkzeuge ist beachtlich. Eine Hauptquelle für die Art der Werkzeuge sind einserseits die Gebrauchsspuren auf den gefundenen Schiffen, die forensisch untersucht wurden. Anderseits liefert der berühmte Teppich von Bayeux von 1070/80 reichlich Anschauungsmaterial zum Schiffsbau der Wikingerzeit.

Höhepunkt eines Besuchs in Roskilde ist der einstündige Segeltörn auf einem nachgebauten Schiff – mit Schwimmweste. In Roskilde glaubt man, dass die Wikinger nicht nur aus den Büchern zu verstehen sind, sondern auch aus der Erfahrung ihres Alltags.

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