zum Hauptinhalt
Die „Minecraft“-Welt, die sich auf der Leinwand vor dem Spieler aufbaut, ist nur durch die Hololens-Brille von Microsoft sichtbar.

© dpa

Neue Games auf der E3 in Los Angeles: Spielen auf dem Holodeck

In den Games der nächsten Generation vermischen sich die reale und die virtuelle Welt. In Los Angeles blickt die Branche in die Zukunft.

Für Lego brechen harte Zeiten an. Das Computerspiel „Minecraft“ mit seiner digitalen Klötzchenwelt ist ohnehin schon eine gewichtige Konkurrenz für das dänische Unternehmen. Nach dem Kauf von „Minecraft“-Macher durch Microsoft wird das Erschaffen neuer „Minecraft“-Welten nun noch attraktiver. Auf der E3 in Los Angeles, einer der wichtigsten Messen für die nächste Generation von Computer- und Videospielen, gewährte das Unternehmen in dieser Woche einen Blick in die nahe Zukunft. Die Fiktion eines Holodecks, wie sie in der TV-Serie „Star Trek“ entworfen wurde, wird dann endgültig Realität. Ausgerüstet mit einer Hololens-Brille von Microsoft vermischt sich die anfassbare Welt mit der virtuellen Welt aus Computern und Spielekonsolen wie der Xbox.

Erweiterte statt virtuelle Realität

VR-Brillen, mit der Spieler ganz in die dreidimensionalen Gameswelten eintauchen können, sind das Next Big Thing der Branche. Die neuen Gadgets wie Oculus Rift oder Project Morpheus von Sony stehen mehr oder minder knapp vor der Serienreife. Die Hololens von Microsoft ist anders. Während es sich bei den VR-Brillen um abgeschlossene Systeme handelt – wie bei einer Taucherbrille, bei der an Stelle des Glases ein stereoskopisches Display sitzt –, ist die Hololens-Brille halbdurchlässig. Was das praktisch bedeutet, demonstrierte Microsoft bei der Vorstellung des neuen Spiele-Line-ups für die Xbox. Zuerst lief „Minecraft“ nur auf der Leinwand, so, als würde man auf einen Bildschirm schauen. Dann jedoch zog der Spieler das Geschehen auf einen realen Tisch in der Mitte der Bühne. Das geschah übrigens per Sprachbefehl. Um den Blickwinkel zu verändern, reicht es aus, um den Tisch herumzugehen oder sich darüber zu beugen. Aus der flachen 2-D-Darstellung baute sich auf dem Tisch die dreidimensionale Darstellung der „Minecraft“-Welt auf, als hätte sie jemand dort mit echten Klötzchen erschaffen. Wie mit realen Legoteilen lassen sich die Fantasiegebäude vergrößern, verändern oder einreißen. Doch es gibt einen entscheidenden Unterschied: Durch die Hololens-Welt laufen kleine Figuren, das Spiel geht nach dem Aufbau der Welt erst richtig los.

Für ihre Präsentation musste Microsoft allerdings zu einem kleinen Trick greifen. Damit die Zuschauer im Saal nicht nur einen leeren Tisch sahen, sondern das Geschehen im Spiel mitverfolgen konnten, wurde vor die Kamera, die das Geschehen auf die Leinwand projizierte, ebenfalls eine Hololens gepackt. Die Microsoft-Minecraft-Präsentation ist dabei nur ein erster Ausblick auf künftige Entwicklungen, die nicht nur Videogames verändern werden, denn die Hololens erweitern nicht nur die Xbox-Konsole von Microsoft. Die dafür nötigen Schnittstellen befinden sich in Windows 10, der nächsten Version des Betriebssystems, die am 29. Juli veröffentlicht wird. Genauso, wie Spieler in holografischen Projektionen die „Minecraft“-Klötzchen manipulieren können, werden in Zukunft Ingenieure ihre Computermodelle dreidimensional in realen Räumen vor sich sehen und bearbeiten. Und genauso werden sich die Kommunikation und die Unterhaltung verändern. Noch allerdings handelt es sich bei der Microsoft-Brille um einen Prototypen, und „Minecraft“ in dieser Art ist eine Demoversion. Und wann aus dem Holodeck tatsächlich Realität wird, dazu gibt es keine genauen Angaben.

Bewährte Marken und frische Ideen

Reales Geld wird in der Gamesbranche aber vorerst auf herkömmliche Art verdient: Gut eineinhalb Jahre sind Playstation 4 und Xbox One nun auf dem Markt. Die Spielestudios konnten in dieser Zeit viel Erfahrung mit der neuen Hardware sammeln – sie beginnen nun, die technischen Möglichkeiten auszureizen. Auf der E3 präsentierten die Firmen einen abwechslungsreichen Mix aus bewährten Marken und frischen Ideen. Die Liste der Fortsetzungen mag auf den ersten Blick zwar ellenlang erscheinen. Doch zwischen die Blockbuster schleichen sich auch immer mehr Titel mit ungewöhnlichen Schauplätzen, Figuren und Spielmechanismen. Und auch Nostalgiker kommen nicht zu kurz. Deutlich wurde das schon in den E3-Präsentationen der Konsolenhersteller. Sony zeigte neue Spielszenen aus „Uncharted 4“, dem bildgewaltigen Actionspektakel um Meisterdieb Nathan Drake, das allerdings erst im Frühjahr 2016 erscheint – so weit, so erwartbar. Eine Überraschung war dann allerdings Sonys Ankündigung, den Dreamcastklassiker „Shenmue“ fortsetzen zu wollen, einen Vorreiter offener Spielwelten. „Shenmue 3“ wird, untypisch für einen großen Publisher, über die Crowdfunding-Plattform Kickstarter teilfinanziert. Der eigentliche Knalleffekt war dann allerdings die Ankündigung, dass „The Last Guardian“ – ein längst totgesagtes Projekt – nun doch 2016 erscheinen soll: Das Rätselabenteuer erzählt die Geschichte eines kleinen Jungen und seines treuen Begleiters, eines riesigen Fabelwesens. Neben diesen Großproduktionen hat Sony aber auch spannende Independenttitel im Portfolio. Etwa „Firewatch“, ein surreales Abenteuer in der Wildnis von Wyoming, oder auch „No Man’s Sky“, in dem Spieler eine riesige Galaxie erforschen. „Dreams“, das neueste Werk der „LittleBigPlanet“-Macher, liefert Spielern die Werkzeuge zur Erschaffung eigener Traumwelten.

Dass auch große Studios durchaus mal etwas Neues wagen, beweist die Firma Guerilla Games. Von 2004 bis 2013 produzierte sie ein „Killzone“-Spiel nach dem anderen. Doch statt des immergleichen Aliengeballers setzt Guerilla Games nun auf ein postapokalyptisches Szenario, in dem Menschen mit Pfeil und Bogen gegen Roboterdinos kämpfen; „Horizon: Zero Dawn“ soll 2016 erscheinen. Postapokalyptisch geht es auch in dem Actionrollenspiel „Fallout 4“ zu, das Bethesda bereits am 10. November veröffentlicht. Weitere prominente Sequels sind „Assassin’s Creed Syndicate“ (23.10.), „Anno 2205“ (3.11.), „Call of Duty: Black Ops III“ (6.11.) und die beiden Fußballsimulationen „PES 2016“ (17.9.) sowie „Fifa 16“ (24.9.), das erstmals auch Frauennationalteams antreten lässt.

Eklusives bei Microsoft

Konsolenhersteller Microsoft setzt bei seiner Xbox One auf starke Exklusivmarken: Das Rennspiel „Forza 6“ erscheint am 18. September, der Shooter „Halo 5: Guardians“ am 27. Oktober, auch das Lara-Croft-Abenteuer „Rise of the Tomb Raider“ wird zumindest zeitweise exklusiv auf der Xbox One laufen, nämlich ab dem 10. November. Erfreulich ist, dass auch Microsoft auf neue Marken setzt. Etwa auf „Recore“, ein stimmungsvolles Wüstenabenteuer von Keiji Inafune („Metroid Prime“). Oder auf das Indiegeschicklichkeitsspiel „Cuphead“, dessen Ästhetik an Disney-Cartoons der dreißiger Jahre erinnert. Selbst ein Publisher wie Electronic Arts, der als Markenwiederkäuer verschrieen ist, präsentierte auf der E3 neben Blockbustern wie „Need for Speed“ (3.11.) und „Star Wars: Battlefront“ (19.11.) auch Originelles wie das physikbasierte Rätselspiel „Unravel“. „Mirror’s Edge Catalyst“ (2016) ist zwar wieder ein Sequel von „Mirror’s Edge“ (2008). Doch wirkt das Parcourspiel vergleichsweise unverbraucht.

Bescheidener Auftritt von Nintendo

Nintendo spielte auf der E3 nur eine Nebenrolle. Der Publisher verzichtete auf eine bombastische Show, wie sie Sony und Microsoft veranstalteten. Stattdessen war nur ein vorproduziertes Video zu sehen, das weder Infos zum nächsten großen „Zelda“-Abenteuer noch zu der neuen Konsole lieferte, an der Nintendo offenbar arbeitet. Spannend ist allerdings „Super Mario Maker“: Der Editor, mit dem Spieler ihre eigenen Level entwerfen können (Wii U, 11.9.), dürfte in der Fangemeinde des Latzhosenklempners einen fulminanten Ideenwettbewerb auslösen. Bemerkenswert ist auch die neue Allianz mit der Firma Activision: Die Nintendo-Stars Donkey Kong und Bowser erhalten einen Gastauftritt im bevorstehenden „Skylanders: Superchargers“ (25.9.). Der Clou: Durch Drehen des Sockels sind die Figuren auch in „Amiibo“-Spielen von Nintendo einsetzbar, zum Beispiel in „Super Smash Bros.“ für die Wii U. Auf der Konsole erscheint übrigens noch dieses Jahr ein spannender Indietitel aus Deutschland: Im 2-D-Rätselspiel „Typoman“ überwindet die Hauptfigur Hindernisse, indem sie mit Buchstaben die Spielwelt verändert.
Und um Lego muss man sich wohl auch nicht sorgen. Die Dänen sind gerade dabei, mit „Lego Worlds“ einen „Minecraft“-Konkurrenten aufs Spielfeld zu schicken – vorerst allerdings ohne Holodeck-Funktion.

Zur Startseite