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Fußballrechte: Ball im Netz

Bundesliga-Berichte dürfen nach Ansicht des Kartellamts zuerst im Internet laufen. Was wird jetzt aus der "Sportschau"?

Das Bundeskartellamt hat am Montag eine Entscheidung gefällt, die Millionen Fußballfans in Deutschland umtreibt: Die Deutsche Fußball Liga (DFL) darf bei der im Spätherbst startenden Ausschreibung für die medialen Übertragungsrechte von der Saison 2013/2014 an auch ein Internet-Szenario anbieten, das die bisherige Form der ARD-Samstags-„Sportschau“ deutlich infrage stellt. Es gebe „keine grundsätzlichen kartellrechtlichen Bedenken“.

Wird die „Sportschau“ nun abgeschafft?

Nicht zwangsläufig. Die DFL darf schlicht und ergreifend mit dem Aus für die „Sportschau“ drohen und die ARD damit unter Druck setzen, sprich, sie dazu bewegen, mehr Geld für Übertragungsrechte auszugeben. Eine Zusammenfassung des Ligageschehens im Internet statt im Fernsehen hält das Kartellamt für unbedenklich, anders als 2008, als die Behörde anordnete, dass die Fußballbundesliga samstags im Free-TV vor 20 Uhr zu sehen sein muss. Dieses Muss, diese „Lex Sportschau“ gibt es nun nicht mehr. Für das Kartellamt gilt das Medium Internet neben dem Medium Fernsehen als gleichrangig. Eines der beiden DFL-Modelle sieht vor, dass eine frei empfangbare Highlight-Ausstrahlung im Web ab 19 Uhr gezeigt wird, erste Berichte im klassischen TV gebe es dann wohl nicht vor 21 Uhr 45. Beim anderen Szenario dürfte alles so bleiben, wie es ist.

Es liegt an der ARD, sich an dem angeheizten Bieterwettbewerb zu beteiligen und um den Fortbestand der „Sportschau“ in der bekannten Form – mit Spielberichten ab 18 Uhr 30 – zu kämpfen. Steffen Simon, als WDR-Sportchef für die „Sportschau“ verantwortlich, hat betont, dass die ARD die Bundesliga niemals nach der „Tagesschau“ programmieren wird: „Die Bundesliga ist nach 20 Uhr bereits einmal gefloppt, und sie wird wieder floppen. Aber nicht in der ARD, denn daran haben wir kein Interesse.“ Ohnehin würde der Zuschauer laut Simon eine Internet-„Sportschau“ nicht annehmen: „Die User haben gelernt, im Internet kleine Videoschnipsel zu gucken, wann immer sie wollen.“ Bislang hätten sie aber nicht gelernt, sich zu einer bestimmten Zeit für einen Live-Stream vor den Rechner zu setzen.

Was möchte die DFL für ihre Bundesliga-Vereine erreichen?

Mit der neuen Rechteausschreibung will die DFL mehr Fernsehgeld für alle 36 Profiklubs der Ersten und Zweiten Liga herausholen. Das geht nur über eine angefachte Konkurrenz, in diesem Fall zwischen den Internet-Unternehmen und der ARD.

Mit dem laufendem Rechtevertrag erlöst die DFL rund 420 Millionen Euro pro Saison, gezahlt von ARD (etwa 100 Millionen Euro), ZDF, dem exklusiven Pay-TV-Anbieter Sky (an die 250 Millionen Euro) sowie der Deutschen Telekom mit ihrem Entertain-Liga-Total!-Programm. In anderen europäischen Ländern wie England oder Spanien ist über die Fernsehvermarktung ein Mehrfaches für die Vereine und ihre Starkicker herauszuholen, was allerdings auch daran liegt, dass dort der Pay-TV-Markt deutlich stärker ausgeprägt ist als in Deutschland. Vom defizitären Sky Deutschland hat die DFL auch in der nächsten Rechte-Periode an Erlösen nicht viel mehr zu erwarten.

Was wollen die Fernsehsender, welches Interesse haben die Internet-Firmen?

Die ARD will, was alle Sender mit Fußball im Programm wollen: Quote, Quote, Quote. Je hochwertiger der Wettbewerb – Champions League, Weltmeisterschaft –, desto höher steigen die Zuschauerzahlen, locker wird die Zehn-Millionen-Grenze genommen. Fußball ist in Deutschland das erfolgreichste Fernsehprogramm, sei es im Event der attraktiven Einzelpaarung, sei es über die Saison eines Wettbewerbs wie der Fußballbundesliga. Der Pay-TV Sender Sky hat sich der Liga mit Haut und Haaren verschrieben. Die Mehrheit der Abos wird nur wegen des Alleinstellungsmerkmals – live und exklusiv – verkauft. Das lockt jetzt auch die Unternehmen, die mit und im Internet ihr Geld verdienen, das kann Google (Youtube.de) sein, die Telekom (t-online.de), aber auch das Medienhaus Axel Springer (Bild.de). Fußball ist ein Content, mit dem sich – Beispiel Telekom – Breitbandanschlüsse, Flatrates, kurz Internetnutzer für das jeweilige Erlös- und Geschäftsmodell ködern lassen. Die neue Bieterrunde zeigt: Es kämpft nicht mehr das öffentlich-rechtliche gegen das private Fernsehen, jetzt kämpft jeder gegen jeden.

Eine Internet-„Sportschau“ – wer kann die überhaupt einschalten?

Im Grunde jeder Haushalt mit einem multimediafähigen PC, vor allem ab der Bundesliga-Saison 2013/2014. Voraussetzung für reibungsloses Fußballgucken am Computer ist eine Breitband-Verbindung, das heißt, ein Netzzugang mit einer Datenrate von mindestens einem MBit/s. Diese Datenmenge gilt als Mindeststandard für das „zeitsouveräne“ Abrufen von Fernsehsendungen. Schon jetzt gibt es in Deutschland eine potenzielle Breitband-Durchdringung von weit über 90 Prozent. Nordrhein-Westfalen liegt bundesweit an der Spitze: Die Abdeckung im mit rund 18 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten Bundesland liegt bei rund 99,2 Prozent, vor allem in den Städten sieht es sehr gut aus. Die Deutsche Telekom, Vodafone und O2 sind derzeit noch dabei, Lücken beim schnellen Web-Zugang auf dem Lande zu schließen.

Was spricht momentan gegen eine Highlight-Ausstrahlung im Web?

Die ARD könnte die neue Web-Konkurrenz in der DFL-Ausschreibung auch totkaufen. Mit Gebührenmitteln, versteht sich. Nach ersten Brancheneinschätzungen müsste die ARD mindestens 120 Millionen Euro im turbulenteren Bieterwettbewerb hinlegen. Bekommt die ARD den Zuschlag, bliebe es beim eingeübten Ritual, erst die Live-Spiele im Pay-TV, dann die Zusammenfassung im Free-TV der ARD vor 20 Uhr. Scheitern kann der Wechsel vom Fernsehschirm zum PC-Monitor auch an der Frage der tatsächlichen Reichweite. Über 35 Millionen Haushalte in Deutschland können das Erste empfangen, erst in 70 Prozent der Haushalte wird Breitband-Internet wirklich genutzt. Zwar wächst die Zahl der Anschlussmöglichkeiten, aber bis 2013 wird das Internet- das Fernsehzeitalter dann doch noch nicht abgelöst haben.

Diese Zahlen kennen auch die DFL und die Vereine, die immer darauf achten müssen, dass der Volkssport Fußball auch vom Volk gesehen werden kann. Zudem der Profifußball nicht vom Fernsehen allein lebt. Da ein Drittel der Klubeinnahmen aus Sponsoring und Werbung kommen, sind die in der Spitze bis zu sechs Millionen „Sportschau“-Gucker für die Reichweite, mithin für die Verbreitung, für die Bekanntheit der Marken, enorm wichtig. Die größten Sponsoren der Liga sind in der „S20“ organisiert. Deren Geschäftsführer Josef Stadtfeld sagte dem Tagesspiegel: „Wir gehen davon aus, dass die DFL mögliche einschneidende Änderungen vorher sehr genau prüfen wird. Dabei wird sie sicher verschiedene Interessen berücksichtigen, von den Fans bis zu den Sponsoren. S20 steht bereit, im Vorfeld entsprechende Gespräche zu führen, um die Sicht der betroffenen Unternehmen einzubringen.“

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