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"Wetten, dass..?": Im Zeichen der Endlichkeit

Thomas Gottschalk setzt bei seiner drittletzten "Wetten, dass..?"-Sendung auf Altbewährtes und zeigt dabei erste Ermüdungserscheinungen. Ein anderer aber bringt sich ungewollt als sein Nachfolger ins Spiel.

Von Maris Hubschmid

Er trägt einen blauen Anzug. Blau ist eine kühle Farbe. Thomas Gottschalk möchte cool sein. Keine Wehmut dabei, wenn er zum drittletzten Mal als Moderator von „Wetten, dass…?“ vor die Kameras tritt, hat er im Vorfeld der Sendung gesagt. Blau steht als Farbe des Himmels in der Farbpsychologie aber auch für Unendlichkeit. Das fordern Fans des Entertainers im Publikum auch ein: „Tommy, bleib“ sagen ihre Schilder. Doch trotz Anzug und Ankündigung steht die Show am Samstagabend, mal ober-, mal unterschwellig, ganz im Zeichen der Endlichkeit.

Nicht nur, dass man sich entschieden hat, die Top Ten der Music-Acts aus drei Jahrzehnten „Wetten, dass...?“ auszuwerten. Darunter befinden sich gleich zwei der Abschiedslieder schlechthin: Celine Dions „My Heart Will Go On“ und Herbert Grönemeyers „Der Weg“. Du hast jeden Raum mit Sonne geflutet. Wird „Wetten, dass...?“ nach Gottschalks Weggang im Eiswasser erfrieren?

Auch die Gäste haben, das verrät Gottschalk zu Beginn, alle einen besonderen Bezug zu „Wetten, dass...?“. Wenngleich nicht so wie zunächst vermutet. Die Wette hat sicher mancher Zuschauer verloren: Es gibt Prominente, die noch öfter bei „Wetten, dass...?“ aufgetreten sind als Michael „Bully“ Herbig, Roan Atkinson und Sarah Connor. Peter Maffay zum Beispiel, der zum 17. Mal dabei sein darf und mit Gottschalk ein Fotoalbum ihrer gemeinsamen Showstunden durchgeht. Anders als der Gastgeber sieht Maffay auf allen Bildern gleich aus. Sein ruhiger, noch unbekannter Titel „Die Zeit hält nur in Träumen an“ hat es beim Saalpublikum schwer, trotz seines genial-poetischen Textes (Auszug: „Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum“).

Die neuen Gäste sind aber auch nicht die, die die Sendung interessanter machen: Als Gottschalk zu Maffays weiß gekleideter Partnerin sagt: „Mandy, du bist unseren Jungzuschauern von ,Monrose’ bekannt“ werden wohl 90 Prozent der ZDF-Zuschauer unsanft darauf hingewiesen, dass sie da nicht mehr dazugehören. Kabarettistin Monika Gruber legt einen schwachen Auftritt hin.

3851 Minuten, sprich 60 Stunden hat Gottschalk laut Statistik in seiner Zeit bei „Wetten, dass...?" überzogen. Hört man ihn so mit seinem Besuch parlieren, überkommt einen das Gefühl, dass das nicht immer nötig gewesen wäre. Langatmig ist auch die Vorbereitung auf die „Klassik-Wette“, ein mäßiger Einfall, bei dem Wetten, die es bereits gegeben hat, nachgestellt werden sollen. Zum Glück überrascht das Revival mit einem frischen Kandidaten, der sich schließlich Wettkönig nennen darf.

Überhaupt sind das, was die Ausgabe vom 8. Oktober rettet, die Wett- Einlagen: Obwohl ungewöhnlich viele verloren gehen, fügen sie sich zu einem gelungenen Querschnitt bester Show-Kultur zusammen. Köstlich anzusehen ist der Mann, der per Klimmzug sich von Sprosse zu Sprosse hangelt, um davon Schokoladenküsse zu essen. Famose Fähigkeiten zeigt ein Australier, der wie ein Frosch von Gymnastikball zu Gymnastikball hüpft. Und das Ergebnis echter Fleißarbeit präsentiert der Student, der Bekannte am Schluckgeräusch erkennt. Allerdings: So dicht, wie der an seinen Kompagnons dran saß, wer will ausschließen, dass er sie nicht am Parfum unterschieden hat?

Zehn Monate nach dem schrecklichen Unfall des Samuel Koch beweisen Show und Programm, dass es das absolute Risiko nicht braucht, um Menschen zu begeistern. „Wetten, dass…?“ tut gut daran, in dieser Hinsicht deutlich runterzuschrauben. Skurriles trumpft über Lebensgefährliches. Die Sendung hat eine Zukunft. Ja, auch ohne Thomas Gottschalk. Denn gewisse Ermüdungserscheinungen sind da. Ob es die sichtliche Ungeduld ist, wenn ein Wettkandidat zu lange Prologe hält, das Unvermögen, sich an den Namen des Springreiters Gerd Wiltfang zu erinnern, oder der abwesende Blick, den die Kamera einfängt, wenn der Moderator sich während eines Live-Acts unbeobachtet wähnt.

Oder die Nachlässigkeit, den Kinder-Kandidaten, der eigentlich nur noch im Publikum sitzen dürfte, für sich selber im Hüpfballrennen um den Bonus-Preis antreten zu lassen. So holt der, der den anderen das bequemere Outfit und die Aussicht auf den eigenen Vorteil voraushat, nach einem Treffen mit ACDC-Star Angus Young auch noch eine Las Vegas Reise für sich raus. Der wachere, impulsivere Mann auf der Bühne ist Michael Herbig. War der schon als Nachfolger im Gespräch? 

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