zum Hauptinhalt

Hartmut Mehdorn: Ein kleiner Dicker, der was aushält

Hartmut Mehdorn soll Air Berlin vor dem Aus bewahren – mit 69. Er ist einer der umstrittensten Manager der vergangenen Jahre. Doch nur ein harter Sparkurs kann die Fluggesellschaft noch retten.

Eigentlich dachte man, er sei längst weg. Mit 69 Jahren, nach einer langen Karriere voller Höhen und auch Tiefen, könne sich so einer aufs Altenteil zurückziehen. Vielleicht ein paar Firmen beraten, im Segelboot umherschippern, Enkel bespaßen – was einstige Top-Manager eben so machen. Doch das ist nichts für einen wie Hartmut Mehdorn. „Ich gehöre zu den kleinen Dicken, die was aushalten“, sagt er über sich. „Ängstlich war ich noch nie, schwierige Aufgaben haben mich noch nie geschreckt.“

Das sind nicht die schlechtesten Voraussetzungen, um die Fluggesellschaft Air Berlin aus der Krise zu führen. Mehdorn ist der neue Chef des Unternehmens, am Donnerstag berief ihn der Verwaltungsrat an die Spitze. Joachim Hunold, seit 20 Jahren Chef des Unternehmens, will zum 1. September abtreten – und bat seinen Freund Hartmut, die Geschicke zu übernehmen. Hunold hatte den Absturz von Air Berlin, das seit drei Jahren keinen Cent verdient hat, nicht aufhalten können. Mehdorn ist klar, dass eine schwierige Aufgabe auf ihn wartet. „Da muss eine Menge passieren, um wieder profitabel zu werden“, sagte er dem Tagesspiegel. „Das wird nicht über Nacht gehen.“

Mit Mehdorn kommt einer der umstrittensten Manager der vergangenen Jahre an die Spitze von Deutschlands zweitgrößter Fluggesellschaft. Fast zehn Jahre lang, bis zum Frühjahr 2009, war er Vorstandschef der Deutschen Bahn. Mit seinem Namen verbinden viele vor allem Ärger: abgebaute Verbindungen und Arbeitsplätze, eine vermurkste Preisreform, kaputtgesparte S-Bahnen, morsche ICEs, den Tiefbahnhof Stuttgart 21, den Wunschtraum von der Börsenbahn. Und natürlich die Affäre um die Bespitzelung Zehntausender Bahn-Mitarbeiter, die Mehdorn letzten Endes den Job kostete – obwohl ihm bis heute niemand nachweisen konnte, direkt verantwortlich gewesen zu sein. Nicht zuletzt die Politik war froh, den streitlustigen Mann los zu sein.

Viele Online-Leser des Tagesspiegels waren denn auch über die Entscheidung Air Berlins erzürnt. „Ab heute wird auf Verschleiß geflogen, auf dem Rücken der Passagiere und der Crew“, vermutet ein Nutzer namens „Gryps“. „Jofio“ wähnt sogar eine Strategie hinter dem Schachzug. „Das ist doch alles von langer Hand geplant: Erst hat Mehdorn alle Leute aus den Zügen in die Flieger vergrault, und jetzt kann er die Ernte einfahren.“

Unter Seinesgleichen wird Mehdorns Lebensleistung anders bewertet. „Der ist unter Managern viel angesehener als in der Bevölkerung“, sagt ein langjähriger Weggefährte. Er schaffte es, die behäbigen Behörde Bundesbahn, die jedes Jahr Milliarden Euro Steuergeld verbrannte, zu sanieren und sie zu einem profitablen Weltkonzern zu formen. Mehdorns Rat war daher nach seiner Demission weiter gefragt, auch im Ausland. Sein Ruf ficht ihn ohnehin nicht an. „Ich bin mit meiner Bilanz zufrieden“, sagt er und verweist auf die Rekordzahlen der Bahn bei seinem Abgang. Er übernehme den Posten auch nicht, um sein Image aufzupolieren, sondern um Air Berlin und Hunold zu helfen.

Die Luftfahrtbranche ist Mehdorn bestens vertraut. 30 Jahre seiner Karriere hat er in der Flugzeugindustrie verbracht, bei der Deutschen Aerospace, Messerschmidt Bölkow-Blohm und bei Airbus, die Fliegerei ist seine Leidenschaft. Die Lufthansa ist für ihn „die beste Airline der Welt“ – nach ihrem Vorbild  wollte er auch die Deutsche Bahn formen.

Nun ist es Air Berlin geworden. 220 Millionen Euro hat das Unternehmen in der ersten Jahreshälfte schon verloren – zu viel für ein Unternehmen mit knapp 9000 Beschäftigten und einer Flotte von 171 Flugzeugen. Fast 34 Millionen Kunden beförderte das Unternehmen mit dem rot-weißen Logo im vergangenen Jahr – und trotzdem blieb kein Gewinn in der Kasse. Als einen Grund sehen Fachleute das schnelle Wachstum an. Nach dem Kauf mehrerer Konkurrenten ist Air Berlin heute dreimal so groß wie 2005.

Vom Unternehmenswert im Jahr 2006, als Air Berlin an die Börse ging, ist heute nicht einmal mehr ein Viertel geblieben. Die Krisen, die der Branche in den vergangenen Monaten zugesetzt haben – Vulkanasche, teures Kerosin, Unruhen in Nordafrika, der harte Winter – trafen Air Berlin heftiger als andere. Hinzu kam die Luftverkehrsabgabe für Starts von deutschen Flughäfen, die die Regierung einführte. Die Lufthansa steckte all das besser weg – sie verdient immer noch Geld.

Die kommenden Monate werden entscheidend für Air Berlin, urteilt Jürgen Pieper, Analyst beim Bankhaus Metzler. „Die Lage ist wirklich kritisch. Mehdorn muss sparen, wo er kann.“ Das schließe das Personal ein. „Die Beschäftigten der ehemaligen LTU verdienen deutlich mehr als die übrige Belegschaft, vielleicht kann man hier einen teilweisen Gehaltsverzicht erreichen.“ Air Berlin müsse kleiner und zu dem werden, was es früher war, Ferienflieger und Städte-Verbinder – „und nicht eine zweite Lufthansa“. Auch die Integration der zugekauften Firmen müsse besser werden. „Hunold hat zu stark darauf geachtet, zu wachsen und Marktanteile zu gewinnen und zu wenig darauf, nachhaltig Gewinne einzufahren“, sagt Pieper.

Mehdorn kennt die Probleme, er sitzt seit 2009 im Verwaltungsrat. Was er tun will, wollte er am Donnerstag noch nicht sagen. „Das geht erst in ein paar Wochen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false