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Sportsbruder: Der Seat Leon ST gibt sich, ganz im Sinne der Ausrichtung der Spanier, als besonders sportlicher Kombi. Allerdings ist sein Nutzwert durchaus beachtlich.

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Fahrbericht Seat Leon ST FR 1.4 TSI ACT: Zwei Autos in einem

Mit dem Seat Leon Kombi in der sportlichen Variante FR versuchen sich die Spanier am Spagat zwischen Sport und Sparen. Gelingt der Kompromiss zwischen Alltagsnutzen, Ökonomie und Sportlichkeit?

Seat hat derzeit einen Lauf, wie man so im Volksmund sagt. Im ersten Halbjahr wurden 45.630 Neuwagen zugelassen,   immerhin zehn Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Großen Anteil am Höhenflug der Spanier hat der Leon,  der sportliche Bruder des Golf.  Gerade bei diesem Modell spürt man, wie gut es für die Spanier ist, dass Seat sich immer tiefer aus dem Technikregal von VW bedienen darf. So steckt unter der flott gestylten Haube der derzeit modernste Benziner von VW - ein 1,4-Liter-Turbo-Benzindirekteinspritzer mit ACT, also automatischer Zylinderabschaltung für einen geringeren Verbrauch. Ein komplexer Sparmotor mit 150 PS im sehr sportlichen Kombi mit Automatik? Klappt dieser Spagat zwischen Bauch und Kopf, also zwischen Spaß und Nutzwert im normalen Alltag? Die Antworten gibt unser Praxistest mit dem Seat Leon ST FR 1.4 TSI ACT. Ein sperriger Name für ein überraschendes Auto, das übrigens auch der allererste Kompaktklasse-Kombi der Spanier ist. Übrigens ist dieser 150-PS-Turbo der beliebteste Motor im Leon und erst seit fünf Monaten auch mit einem DSG zu bekommen.

Außen und Innen

Vor allem in der sportlichen FR-Version unterstreicht der Leon ST mit breiter Spur und kurzen Überhängen bereits optisch seinen besonderen Anspruch auf den Agilitätsmeister in der Gilde der kompakten Kombis. Nicht alltäglich sind die zackig geformten LED-Tagfahrleuchten vorn und die geschwungenen LED-Lichtbänder am Heck. Verwechslung ausgeschlossen: Das ist der Leon ST FR! Und für 990 Euro Aufpreis, die man ungedingt locker machen sollte, bekommt man LED-Vollscheinwerfer, in dieser Klasse noch eine Seltenheit. Für den Markenbruder VW Golf sind sie nicht lieferbar. Nachts ist der Leon eine glänzende Erscheinung, weitreichender Lichtkegel inklusive.

Auch im Innenraum überzeugt der Spanier. Das klar strukturierte Armaturenbrett erfreut einen mit hochwertigen Materialien und sehr guter Verarbeitung. Nun kann man locker darüber streiten, ob auch das letzte Quäntchen haptischer Qualität eines VW Golf erreicht worden ist. Egal, der Seat hat andere Qualitäten im Innenraum zu bieten. So eine leicht zum Fahrer hin geneigte Mittelkonsole, wie bei BMW. Und im Gegensatz zur sich auftürmenden Armaturenlandschaft des Golf  baut das Leon-Cockpit schön flach – mit guter Aussicht. Oder nehmen wir den optimal angeordneten Touchscreen, der nicht so ungünstig tief eingebaut ist wie beim neuen Golf. Oder die praktischen Ablagefächer unter den Vordersitzen. Das griffige Lederlenkrad mit den roten Ziernähten, unten modisch abgeflacht wie bei Audi, liegt perfekt in der Hand.

Eigenwillig: CD-Schublade, SD-Kartenslots sowie USB- und iPod-Anschluß versteckt Seat im Handschuhfach. Das ergibt zwar eine aufgeräumte klare Mittelkonsole, aber auch eine umständliche Bedienung.

Sitzen und Laden

Wer ein so sportliches Auto wählt, sollte auch selbst sportlich sein. Denn man muss etwas gelenkig sein, um aus den hervorragenden serienmäßigen Sportsitzen mit ihren dicken Wangen wieder locker herauszukommen. Die  haben natürlich ihren Vorteil: Sie bieten dem Körper auch in schneller gefahrenen Kurven festen Seitenhalt. Auch im Fond gibt es keinen Anlass zur Klage. Dank des großen Radstandes von 2,64 Metern können sogar zwei 1,90-Meter-Hünen bequem hintereinander sitzen.

Materialien und Verarbeitung sind beim Seat Leon nicht zu beanstanden. Das Navi in der Mitte ist recht klein ausgefallen, die Mittelkonsole dafür aufgeräumt.
Materialien und Verarbeitung sind beim Seat Leon nicht zu beanstanden. Das Navi in der Mitte ist recht klein ausgefallen, die Mittelkonsole dafür aufgeräumt.

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Das gute Platzangebot für die Passagiere geht nicht zu Lasten des Gepäckabteils. Der Leon ST liegt mit seiner Laderaumkapazität im vorderen Drittel der Kompaktklasse: 587 bis 1470 Liter sind zwar deutlich weniger als beim Konzernbruder Skoda Octavia (610 bis 1740 Liter) oder beim neuen Peugeot 308 (610 bis 1660 Liter), aber noch immer ganz gut. Zumal der Spanier seine Nutzerfreundlichkeit in die Waagschale werfen kann: Zieht man im Kofferraumseitenteil an einem Hebel,  klappt automatisch die Lehne um und es entsteht eine fast ebene Ladefläche. Die Ladekante ist mit 64 Zentimetern vergleichsweise niedrig, und neben einem praktischen doppelten Ladeboden gibt es Verzurrösen und große Fächer an den Seiten, wo einsteckbare Finnen die Ladung am Verrutschen hindern. 518 Kilogramm Zuladung sollten für diesen sehr leichten Sportkombi (nur 1297 Kilogramm Leegewicht!) ausreichend sein.

Fahren und Tanken

Der ST macht seinem Namen Sports Tourer alle Ehre. In der sehr sportlichen FR-Version ist er bei Lust und Laune ein richtiger Spaßvogel, der eine Menge mitmacht. Die serienmäßige elektronische Differential-Quersperre XDS verbessert dank exakter und fein dosierter Bremsengriffe am kurveninneren Vorderrad sowohl die Handlichkeit als auch die Kurvenstabilität dieses Fronttrieblers. Und die neue elektromechanische Progressiv-Zahnstangenlenkung (760 Euro Aufpreis im Verbund mit der ebenfalls empfehlenswerten elektronischen Dämpferregelung DCC)  arbeitet sehr direkt und vermittelt einen so verlässlichen Fahrbahnkontakt, dass der einem die nötige Sicherheit auch bei flott gefahrenen Wechselkurven gibt.

Mit dem Leon ST FR kann man beides wahlweise nahezu optimal: sehr flott fahren oder sehr sparsam unterwegs sein. Vor allem dann, wenn, wie in unserem Testwagen, die Siebengang-Doppelkupplungsautomatik (1700 Euro extra) und die Schaltpaddel am Lenkrad (150 Euro extra) an Bord sind. Eine tolle Kombination im Sport-Modus, wo der Sound sportlicher wird und man mit den Schaltpaddels den Motor zur Höchstleistung treiben kann. Überdies kann der FR-Pilot die Vorteile dieser Automatik (nun mit "Segelmöglichkeit" über die neue Freilauffunktion) mit den Möglichkeiten der serienmäßigen Driver-Profile-Elektronik mit drei wählbaren Fahrprogrammen Sport, Comfort und Eco kombinieren. Damit lassen sich Gasannahme, Schaltkennlinie, Dämpferhärte,  Lenkung und neue Freilauffunktion verändern und optimal an den Fahrstil anpassen. Nach kurzer Zeit hat man den Dreh raus, welches Fahrprogramm unter welchen Bedingungen am besten ist. Und man kann entweder sehr sportlich oder sehr sparsam mit ein und demselben Auto fahren. Faszinierend, würde Mr. Spock sagen.

Der Seat Leon ST FR ist mit dem kleinen Turbo-Benziner an Bord besonders leicht ausgefallen. Nur 1297 Kilogramm wiegt der sportliche Spanier leer.
Der Seat Leon ST FR ist mit dem kleinen Turbo-Benziner an Bord besonders leicht ausgefallen. Nur 1297 Kilogramm wiegt der sportliche Spanier leer.

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Der neue 1,4 Liter große Turbo-Benzindirekteinspritzer mit 150 PS und einem Drehmoment von 250 Newtonmetern zwischen 1500 und 3500 Touren besitzt als Besonderheit ACT, die gut einen halben Liter Sprit sparen soll. Diese automatische Zylinderabschaltung gibt es im Prinzip schon seit 1980. Doch bei Vierzylindern ist sie recht neu. Im Teillastbereich (zwischen 1400 und 4000 Umdrehungen pro Minute) werden die beiden inneren Zylinder "abgeschaltet". Das heißt, bei unterbrochener Einspritzung bleiben die Ventile geschlossen. Das geschieht mit Schiebenocken, welche auf einer Welle axial verschiebbar sind. Ein filigrane Technik, die jedoch im Testwagen problemlos funktioniert. Das Umschalten spürt man nicht, es ist nur am Display zu erkennen.

Man muss man sich auf dieses System allerdings bewusst einlassen und man braucht außerdem etwas Gefühl im Gasfuß. Dann funktioniert ACT selbst bei Tempo 140 noch. Und auf der Autobahn gibt es immer wieder Abschnitte, wo man im Eco-Modus auch "segeln" kann:  Der Motor geht in den Leerlauf und spart so Sprit. Noch effektiver nutzt man dieses Spritsparsystem in der Stadt. Dort ist die Aktivierung des Eco-Modus sehr sinnvoll, denn man „segelt“ viel häufiger im Freilauf als man glaubt, ohne deswegen zum Verkehrshindernis zu werden. So steht selbst im Stadtverkehr mit dem 150-PS-Kombi eine Fünf vor dem Komma.

Im Schnitt kamen wir auf der insgesamt 1800 Kilometer langen Testfahrt auf einen Praxisverbrauch von nur 6,0 Litern Super, 1,3 Liter über dem Normwert von nur 4,7 Litern. Super! Mit dem 50-Liter-Tank sind so gut 800 Kilometer ohne Tankstopp drin. Selbst auf forschen Autobahnetappen blieb der Verbrauch unter noch acht Litern. Und bei einer Sparfahrt waren es nur 5,4 Liter.

Hören und Sehen

An die überraschend präsenten Abrollgeräusche der 17-Zoll-Räder muss man sich erst gewöhnen. Da  Windgeräusche bei diesem Kombi weitgehend außen vor bleiben, fällt das umso mehr auf. Dennoch gehört der Leon zu den Leisen unter den Kombis. Darüber freut man sich auf längeren Fahrten.

Trotz der vergleichsweise tiefen Sitzposition genießt man in diesem Sportkombi dank schmaler Fenstersäulen eine ordentliche Rundumsicht. Man freut sich über den freien Blick nach vorn über die  einsehbare Motorhaube. Gut zum Peilen bei Rangiermanövern. Auch nach den Seiten und nach hinten erlauben die  Fenster einen besseren Rundumblick als bei vielen anderen Kombis. 

Wählen und Zahlen

Los geht es beim Leon ST bereits bei 16640 Euro für den kleinen 1,2er Benziner mit 86 PS. Das vermeintlich günstige Angebot erweist sich bei näherer Untersuchung jedoch als Mogelpackung; weder Klima noch Radio sind an Bord, viele Extras sind hier nicht zu bekommen. Die gibt es erst ab Reference für mindestens 18800 Euro. Wer einen Diesel im Leon ST fahren will,  muss gleich 5090 Euro mehr ausgeben, weil der 1.6TDI mit 105 PS erst ab der nächsten Ausstattung Style lieferbar ist.

Der von uns gefahrene Testwagen mit dem 150-PS-Benziner, Siebengang-DSG kostet in der Topversion FR mindestens 26540 Euro, bei schon guter Ausstattung. Dennoch lässt er sich weiter aufrüsten, wie der Testwagenpreis von 33115 Euro zeigt. Dann sind allerdings so feine Dinge an Bord wie die Voll-LED-Scheinwerfer (990 Euro), das Leder-Alcantara-Paket (550 Euro), das günstige Fahrassistenz-Paktet II (560 Euro) mit der radargestützten Distanzregelung ACC und der City-Notbremsfunktion. Ebenfalls vergleichsweise günstig ist das Navigationssystem für 690 Euro. Und für 210 Euro bekommt man digitalen Radioempfang – mit gewöhnungsbedürftigem Empfang. Glasklarer Sound im Empfangsbereich, wenn jedoch mal kein Empfang ist, was recht häufig passiert, dann rauscht es nicht im Radio. Es ist schlagartig still. Und ebenso schlagartig ist der Ton wieder da. Überraschend.

Gutes und Schlechtes

Nach unserem Praxistest über gut 1800 Kilometer steht fest: Dieser erste Kompakt-Kombi von Seat ist eine höchst gelungene Kombination, welche den schwierigen Spagat zwischen Sport und Sparen schafft. Nach einigen Jahren des Auf-der-Suche-sein und des Sich-Findens hat sich Seat jetzt endlich gefunden: Diese Marke des VW-Konzerns steht für nicht überkandidelte Sportlichkeit, ohne dabei den Nutzwert zu vergessen.

Man kann diesen leichten und ebenso leicht zu bewegenden Kombi einerseits so sportlich fahren, dass es die helle Freude ist. Andererseits bietet Seats Sports Tourer so viel Platz, um auch Sportgeräte für die eigene sportliche Betätigung mitnehmen zu können. Und selbst diese scheinbare Unvereinbarkeit gelingt diesem Rucksack-Sportler: Wer sich auf die Eigenart dieses Sparmotors mit seiner Zylinderabschaltung im Teillastbereich wirklich ernsthaft einlässt,  der kann den 150 PS starken FR sogar unter sechs Liter Super fahren! Und zwar, ohne dass er deshalb zum Schleicher wird. Übrigens: Wem die sehr sportliche FR-Version mit dem serienmäßigen Sportfahrwerk im spaßigen Sport-Modus „zu hart“ erscheint, der kann ja im ebenfalls vorhandenen Modus Individual die elektronisch geregelten Dämpfer in den Komfortmodus versetzen. Oder er wählt gleich die Style-Ausstattung mit komfortablerem Normalfahrwerk. Die ist 1600 Euro günstiger, aber man kann bei der weder das intelligente Dynamikpaket mit der elektronischen Dämpferverstellung noch das Seat  Driver-Profile-System mit den drei Fahrprogrammen Sport, Comfort und Eco ordern.

Stärken:

Sehr sportliches Fahrverhalten

Sparsamer wie kräftiger Turbobenziner

Lange Wartungsintervalle

Schwächen:

Nur 50-Liter-Tank

Recht straffe Federung

Fahrdynamikrelegung nur für FR

Die Konkurrenz:

VW Golf Variant

Skoda Octavia Combi

Ford Focus Turnier

Technische Daten Seat Leon ST FR 1.4 TSI ACT Start&Stop
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) 4,36/1,82/1,45 Meter
Leergewicht 1297 Kilogramm
Kofferraumvolumen normal/Rückbank umgelegt 587/ 1470 Liter
Maximale Zuladung 518 Kilogramm
Sitzplätze 5
Tankvolumen 50 Liter
Motor Vierzylinder-Benzin-Turbo-Motor, Direkteinspritzung, zwei oben liegende Nockenwellen, ACT (Automatische Zylinderabschaltung), Zahnriemen
Hubraum 1395Kubikzentimeter
Getriebe 7-Gang-Doppelkupplungsautomatik
Leistung (kW/PS) 110/150
Drehmoment 250 Newtonmeter bei 1500 bis 3500 Umdrehungen/Min
Beschleunigung 0 - 100 km/h 7,9 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 215 km/h
Verbrauch laut Hersteller (innerorts / außerorts / kombiniert) 5,8 / 4,2 / 4,7 Liter
Verbrauch im Test 6,0 Liter
CO2-Emissionen/Effizienzklasse 110 g/km / A
Typklassen (KH/VK/TK) 16 / 18 / 22
Preis als Basisfahrzeug 26 540 Euro
Preis des Testwagens 33 115 Euro

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