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Volkswagen: Der neue Golf darf nicht floppen

Der VW-Vorstandsvorsitzende Ferdinand Piëch hat eine Vision: Er will mit Volkswagen zum Marktführer aufsteigen. Beim neuen Golf setzt Piëch dazu auf allerlei Schnickschnack, mehr PS und eine gehörige Portion männliche Irrationalität.

Der Vorstandsvorsitzende raunte eine fürchterliche Vorstellung in die Welt. Wenn wir nicht aufpassen, so meinte Ferdinand Piëch, dann werden auf unseren Stühlen bald Asiaten sitzen. Das war vor 20 Jahren, Piëch war VW-Chef und der Wolfsburger Konzern steckte in der Krise. Heute betreibt VW mehr als ein Dutzend Fabriken in China und ist einer der profitabelsten Autohersteller der Welt. Piëch ist immer noch da und überwacht als Aufsichtsratsvorsitzender die Realisierung seiner Vision: In spätestens fünf Jahren soll Volkswagen General Motors und Toyota überholt haben. Keiner ist größer. Und keiner hat einen Golf im Programm.

Hoffentlich geht das gut. Ein Flop des wichtigsten Autos auf der VW-Palette darf nicht passieren. Und wird nicht passieren. Denn die Ingenieure und Marketingstrategen gehen behutsam vor, wenn sie einen neuen Golf entwerfen. Wertbeständigkeit verträgt keine gravierende Veränderung. Wozu auch? Fast 30 Millionen Käufer seit 1974 können nicht irren. Sie schätzen den praktischen Kompaktwagen mit dem guten Raumangebot, seiner Zuverlässigkeit und der zunehmend ausgefeilten Ausstattung aus der Trickkiste der Elektroingenieure. Die neueste und inzwischen siebte Auflage ist vollgepackt mit sogenannten Assistenten – fürs Spurhalten beim Bremsen, selbstständiges Parken des Autos oder Steuern des Fernlichts, ohne den Gegenverkehr zu blenden. Was es nicht alles so gibt. Ob man es braucht, kann jeder selbst entscheiden.

Video: Premiere des neuen Golf in der Berliner Nationalgalerie

Eine große Auswahl gibt es (noch) nicht bei der Motorisierung. VW verbessert permanent die Verbrennungsmotoren, deren Verbrauch mit jedem neuen Modell geringer werden. Den Golf VII mit einem Hybridantrieb oder gar einem halbwegs bezahlbaren Elektromotor gibt es indes frühestens in einem Jahr. Dafür können sich die Golf-Fahrer heute stärker fühlen denn je: Im Schnitt wird das Auto künftig von 120 PS angetrieben, Mitte der 90er Jahre reichten noch 80.

Bildergalerie: Der ewige Golf

Das ist branchentypisch. VW und alle anderen Hersteller leben bisher gut von dem Trend nach mehr. Je höher die Ausstattung, also je stärker, schneller, komfortabler und sicherer ein Auto, desto größer Verkaufspreis und Marge. Deshalb hat sich Volkswagen unter Piëch von einem Hersteller dröger Massenware zum Lieferanten aller Milieus entwickelt. Für arme Städter oder 18-jährige Anfänger gibt es den Kleinwagen Up, der Herr Geschäftsführer fährt Phaeton, die Gattin den Kleinlaster Touareg und zwischendrin versorgen Golf und Passat die breite Mitte. Wobei vom Passat, der in China als Santana auf dem Markt ist, seit zwei Jahren sogar mehr Autos gebaut werden als vom Golf.

Das wird sich vermutlich mit dem Neuen wieder ändern, zumal VW aufgrund einer veränderten Fertigung das Auto günstiger produzieren und verkaufen kann. Bis zu 40 Modelle aus dem gesamten Konzernreich, also inklusive Audi, Seat und Skoda, verwenden künftig gleiche Teile. Das reduziert die Einkaufskosten gewaltig – und macht die Autos, jedenfalls von innen, verwechselbar. Und austauschbar. Gibt man für einen Golf 3000 Euro mehr aus als für einen Skoda, obgleich – bis auf das Aussehen – alles identisch ist? Piëch meint ja und setzt damit weiter auf einen ordentlichen Schuss Irrationalität, der ja vor allem den männlichen Autokäufern eigen ist. Den unscheinbaren Golf fahren sie trotzdem. Auch die Chinesen. Doch hoffentlich nicht zu viele. Ein paar hundert Millionen Golf mit Verbrennungsmotor – das wollen wir dem Klima nicht wünschen.

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