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Setzt Standards: Der VW Golf ist immer noch das Maß der Dinge in seiner Klasse. Dieser ist er aber eigentlich schon entwachsen, sowohl beim Preis als auch bei der Qualität.

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Fahrbericht VW Golf 1.4 TSI BMT Highline: Eine Klasse für sich

Der VW Golf ist immer noch die unbestrittene Nummer eins auf dem deutschen Markt. Dabei ist Golf schon lange nicht mehr gleich Golf. Diverse Varianten gibt es heute von diesem Bestseller. Und es muss nicht immer die stärkste Version sein, wie unser Praxistest zeigt.

Fast 30 Millionen Käufer seit 1974 können sich nicht irren. Der VW Golf ist uns Deutschen lieb und teuer. Seit sieben Generationen schon. Und doch ist heute vieles anders als zum Start vor 40 Jahren. "Den Golf" wie damals gibt es nämlich mehr. Aus dem einst so sozialneidfreien Auto ist heute, im Zeitalter der Globalisierung, eine Familie entstanden, die vom karg ausgestatteten Einstiegsmodell mit 85 PS für 17 325 Euro bis hin zum Luxusgefährt mit Hightech-Ausstattung reicht, das mehr als das Doppelte kostet. Dafür können sich die Golf-Fahrer stärker fühlen denn je: Im Schnitt wird Deutschlands liebstes Gefährt heute von 120 PS angetrieben, Mitte der 90er Jahre reichten noch 80 PS. Ein VW Golf mit 400 PS ist ebenso wenig Utopie wie ein VW Golf mit Fahrerassistenzsystemen, die noch vor kurzem nur in der Luxusklasse zu bekommen waren. Doch wie verhält sich im ganz normalen Alltag ein 125 PS starker  „Volks-Wagen“,  der fast 40 000 Euro kostet? Will man sich so viel Luxus überhaupt leisten? Diese spannende Frage beantwortet unser Praxistest mit dem VW Golf 1.4i BMT Highline.

Außen und Innen

Ein Golf ist ein Golf ist ein Golf. Trotz schärferer Linien ist der Neue ganz der Alte geblieben. Auch darin liegt ein Teil seines Erfolgs. Bloß keinen verprellen. Plopp! Das satte Schließgeräusch der Tür klingt nach Oberklasse. Willkommen im Golf-Club. Innen wirkt alles vertraut. Und doch irgendwie neu. Die Bedienelemente und Schalter sitzen genau dort, wo man sie erwartet. Das Armaturenbrett, in Grundzügen das alte, präsentiert sich sehr viel feiner; mit liebevollen Details. Das feine Spiel aus Kontinuität und Weiterentwicklung ist eine der großen Stärken des Golf – und eine große Kunst, welche die Wolfsburger nahezu perfekt beherrschen.

Der aufgeladene Benziner kann im VW Golf vor allem mit guten Verbrauchswerten überzeugen.
Der aufgeladene Benziner kann im VW Golf vor allem mit guten Verbrauchswerten überzeugen.

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Die nun weiß hinterleuchteten Instrumente könnten auch einen viermal so teuren Audi A8 zieren. Das Handschuhfach ist mit aufwendig verlegtem Filz ausgeschlagen, damit nichts klappert. Ebenso fein ausgekleidet sind die riesigen Türfächer für 1,5-Liter-Flaschen. Knackscharf wie ein iPhone bildet das Farbdisplay zwischen Tacho und Drehzahlmesser die Infos ab. Gut, wir sitzen im Topmodell Highline. Doch selbst hier verlangt VW für das brillante Display noch heftige 150 Euro Aufpreis. Das riesige Navi (2315 Euro Aufpreis!), das gleichzeitig Infozentrale für alles Mögliche ist, lässt sich so intuitiv wie ein iPhone bedienen. Es bietet, wenn entsprechend viele Fahrassistenzsysteme geordert wurden, reichlich Raum für den Spieltrieb von Frau oder Mann. Wohl auch deshalb besitzt die Bedienungsanleitung nun 412 statt 363 Seiten. Muss das sein?

Sitzen und Laden

Die Sitze, mit Massagefunktion, sind absolute Spitze. Sie tragen das Gütesiegel "Aktion Gesunder Rücken", wie schon seit ein paar Jahren diejenigen von Opel. Aber warum erhält man die nur, wenn man beim Toppmodell Highline in der VW-Preisliste für 290 Euro den Punkt "ergoActive-Sportsitz" angekreuzt hat?

Im Interieur hat der VW Golf gegenüber dem Vorgänger noch mal deutlich zugelegt. Er kratzt an der Grenze zur Mittelklasse und schließt zu den Premiumanbietern auf.
Im Interieur hat der VW Golf gegenüber dem Vorgänger noch mal deutlich zugelegt. Er kratzt an der Grenze zur Mittelklasse und schließt zu den Premiumanbietern auf.

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Beim Kapitel Laden sieht es gut aus für den Golf. Mit dem Kofferraumvolumen von 380 Litern liegt er ganz weit vorn. Im Nu lässt sich die asymmetrisch geteilte Rücksitzlehne umklappen,  dank serienmäßigem verstellbarem Ladeboden entsteht eine fast ebene Ladefläche. Und die Ladekante liegt mit 66 Zentimetern rückenfreundlich niedrig. Auch bei der maximal möglichen Zuladung von 576 Kilogramm bieten nur weniger Kompakte mehr.

Fahren und Tanken

Der 125 PS starke TSI unseres Testwagens ist mehr als die goldene Mitte zwischen dem 110-PS-und dem 150-PS-Benziner. Er ist schlicht der Geheimtipp. Denn er kostet nur 1050 Euro mehr als der kleinere, ist jedoch zugleich die günstigste Möglichkeit, einen Golf mit der aufwendigen Mehrlenker-Hinterachse zu fahren. Denn jeder andere Golf mit weniger als 125 PS muss mit einer einfachen Verbundlenkerachse auskommen, womit  Abstriche bei Komfort und Handlichkeit verbunden sind. Und dieser 1.4er ist immerhin 1300 Euro günstiger als die 150-PS-Version, die eigentlich nur etwas für sportliche Fahrer ist. Hinzu kommt, dass die 125-PS-Maschine nur 0,1 Liter mehr im Normzyklus braucht als die 110-PS-Maschine. Die Papierwerte sprechen also klar für 125 PS. Und die Praxis? Dieses Traum-Duo verzaubert einen: TSI und DSG harmonieren prächtig. Je länger man mit dieser Kombination fährt, desto länger möchte man weiter fahren! Und immer weiter.

Beim Infotainment-System hat der VW Golf einen deutlichen Sprung nach vorne gemacht. Die Auflösung ist besser, die Bedienung ebenfalls.
Beim Infotainment-System hat der VW Golf einen deutlichen Sprung nach vorne gemacht. Die Auflösung ist besser, die Bedienung ebenfalls.

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Dieser Kompakte ist ein optimaler Reisewagen. Die Schaltvorgänge des Siebengang-DSG erfolgen ebenso blitzschnell wie unmerklich. Nur das Zucken der Nadel im Drehzahlmesser verrät die Gangwechsel. Extrem früh wählt die Elektronik den nächst höheren Gang und drückt so die Drehzahl auf besseres Standgas-Niveau. Bei 60 km/h ist man bereits im siebten Gang unterwegs. Kein Problem, denn der Motor nimmt ab über 1100 Touren sauber Gas an. Er hängt feinnervig am Gas. Bei Richtgeschwindigkeit 130 auf der Autobahn dreht sich die Kurbelwelle im siebten Gang gerade 2500mal in der Minute,   wenn der Eco-Modus gewählt  wurde. Dann kann der Golf auch „segeln“ und nochmals 0,3 Liter sparen. „Segeln“ ist quasi eine Freilauffunktion: Wird Gas weggenommen, koppelt die Elektronik den Motor aus, und das Auto rollt spritsparend dahin. Funktioniert in der Praxis sehr gut. So ist dieser 125-PS-Golf mit DSG nicht nur flüsterleise, sondern auch überraschend sparsam. Bei Landstraßentempo zeigt der Bordcomputer 5,2 Liter an, bei konstant 130 km/h nur 6,5 Liter. Bei Tempo 150 auf der Autobahn waren es knapp siebeneinhalb Liter, und im Schnitt auf den insgesamt 2000 Testkilometern lediglich 6,2 Liter. Damit unterbietet dieser 125-PS-Golf beim realen Verbrauch sogar Kleinwagen,   welche er bei Bedarf locker hinter sich lässt.

Hören und Sehen

Der Golf gehört zu den noch übersichtlichen Autos. Die Front lässt sich über die einsehbare Motorhaube gut abschätzen. Und die recht geraden Seitenscheiben sind ebenfalls hilfreich beim Rundumblick. Nur nach schräg hinten ist die Sicht eingeschränkt wegen der traditionellen breiten C-Säule. Es überrascht jedoch, wie vergleichsweise klein die beiden Außenspiegel geraten sind. Da bieten Seat und Skoda bessere Sichtmöglichkeiten.

Die Kombination des VW Golf mit dem 1.4 TSI mit 125 PS ist so etwas wie die goldene Mitte. Preislich bleibt das Basismodell noch im Rahmen, von den Fahrleistungen her gibt es nur wenige Abstriche.
Die Kombination des VW Golf mit dem 1.4 TSI mit 125 PS ist so etwas wie die goldene Mitte. Preislich bleibt das Basismodell noch im Rahmen, von den Fahrleistungen her gibt es nur wenige Abstriche.

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Hören? Meistens hört man in diesem sehr gut gedämmten Auto so gut wie nichts vom Motor. Auch die Abrollgeräusche halten sich in engen Grenzen. Dafür klingt das serienmäßige Radio richtig gut. Die Elektronik des Scheibenwischers hat jedoch so ihre Probleme, wenn es nieselt, leicht regnet, dann wieder nieselt. Dann schickt sie die Scheibenwischer in hektische Bewegungen hin und her, die stören. Also Automatik ausschalten, und alles ist nun gut. Aber nicht im Sinne der Erfinders.

Wählen und Zahlen

VW macht Interessenten den Kauf des richtigen Modells nicht gerade leicht. Es gibt so viele Möglichkeiten, zusätzlich Geld auszugeben und sich zu vertun. Denn der Einstiegs-Golf für 17325 Euro hat nur 85 PS, zwei Türen und nicht mal ein CD-Radio. Für den nächst stärkeren Motor mit 110 PS bittet VW schon mit 19025 Euro zur Kasse. Für die hinteren Türen verlangt VW 900 Euro und für das CD-Radio 615 Euro. Da ist man schon bei 20540 Euro. Und so geht das munter weiter. Ehe man sich versieht, landet man bei Preisen knapp unter 30000 Euro für einen „Volks-Wagen vom Typ Golf“. Und dann muss man sich plötzlich entscheiden: Was will ich? Sparen oder Spaß haben? Denn so richtig schön und attraktiv wird ein Golf nur dann, wenn man mehr Geld in die Hand nimmt, als man eigentlich vorher eingeplant hatte. So kostet beispielsweise eine USB-Schnittstelle inklusive Multimediabuchse beim Golf  72 Euro;  bei den meisten anderen Herstellern ist das serienmäßig.

Unser Testwagen, das ist nach den fast 2000 absolvierten Testkilometern unbestritten, ist einfach ein Klasse Auto, das zu fahren wirklich Spaß macht – nur eben auch 35899 Euro teuer ist. Und dabei hat dieser Golf noch nicht mal alles an Bord, was gut, teuer und möglich ist. Mit einem stärkeren Motor als den 125-PS-TSI, den man allerdings nun wirklich nicht im normalen Alltag braucht,   ist die 40000er Schwelle schnell erreicht. Dafür bekommt man bei anderen Herstellern schon eine ausgewachsene Mittelklasse-Limousine. Nur ob die sich auch so rund und ausgewogen fährt wie dieser Golf, wo man sich innen beim Fahren vorkommt wie in einem größeren Auto?

Gutes und Schlechtes

2014 ist nicht mehr 1974. Der Golf ist unbenommen Spitze in Sachen Verarbeitung, Ausstattung, Qualität. Da ist er unerreicht, spielt in einer eigenen Klasse. Allerdings auch beim Preis. Doch heutzutage hat der Altmeister von allen Seiten Konkurrenz bekommen. Er ist nicht mehr unangefochten in „seiner“ Golf-Klasse. Selbst im eigenen Hause. Ein Seat Leon ist sportlicher und ein Skoda Octavia geräumiger. Beide mit der gleichen VW-Technik unterm Blech, nur viel billiger. Angesichts der gebotenen Qualität und der sehr umfangreichen Aufrüstungsmöglichkeiten heißen die Golf-Kontrahenten jetzt nicht mehr Renault Mégane, Opel Astra oder Ford Focus, sondern BMW 1er, Audi A3 und Mercedes A-Klasse. Vergleichbar ausgestattet kratzen sie allesamt an der 40 000-Euro-Schwelle.

Da der VW jedoch beim Platzangebot, bei Anmutung, Antrieb, Fahrverhalten und Fahrleistungen locker mit A-Klasse und Co mithalten kann, ist ein Top-Golf für über 35000 Euro dann doch wieder die günstigste Art, einen Edel-Kompakten zu fahren. Allerdings muss man sich die eigene Klasse des Golf leisten wollen – und können. Oder man geht eine halbe Stufe tiefer, wählt einen Comfortline für 10000 Euro weniger und muss dafür aber schon einige Abstriche in Kauf nehmen.

Stärken

Hoher Fahrkomfort

Hochwertiges Ambiente

Toller Antrieb

Schwächen

Nur zwei Jahre Garantie

Sehr lange Aufpreisliste

Kleiner 50-Liter-Tank

Die Konkurrenz

Mercedes A-Klasse

BMW 1er

Audi A3

Technische Daten VW Golf 1.4 TSI BMT Highline
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) 4,35/1,80/1,45 Meter
Leergewicht 1249 Kilogramm
Kofferraumvolumen / umgelegte Rückbank 380 / 1270 Liter
Maximale Zuladung 576 Kilogramm
Sitzplätze 5
Tankvolumen 50 Liter
Motor Reihen-Vierzylinder-Otto-Motor mit Direkteinspritzung und Abgasturbolader, Start-Stopp-Automatik serienmäßig
Hubraum 1395 Kubikzentimeter
Getriebe 7-Gang-Doppelkupplungs-Automatik
Leistung (kW/PS) 92/125
Drehmoment 200 Newtonmeter zwischen 1400 und 4000 Umdrehungen/Minute
Beschleunigung 0 - 100 km/h 9,1 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 204 km/h
Verbrauch laut Hersteller (innerorts / außerorts / kombiniert) 6,2 / 4,3 / 5,0 Liter
Verbrauch im Test 6,2 Liter
CO2-Emissionen / Effizienzklasse 116 g/km / C
Typklassen (KH/VK/TK) 15 / 17 / 18
Preis als Basisfahrzeug 26 650 Euro
Preis des Testwagens 35 899 Euro

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