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Kanzleramtschef Peter Altmaier hält 80 Prozent des Koalitionsvertrages von CDU/CSU und SPD für abgearbeitet.

© Oliver Elsner

Blog zur Tagesspiegel-Konferenz "Agenda 2015": Peter Altmaier erwartet von der Wirtschaft "neue Unternehmenskultur"

Auf der Tagesspiegel-Konferenz "Agenda 2015" erhoben 30 wichtige deutsche Interessensgruppen ihre Forderungen an die Politik für das kommende Jahr. Vertreter von Regierung, Ministerien, Parlament und Think Tanks bewerteten diese sofort. Der Live-Blog vom Tag zum Nachlesen.

Vor welchen Aufgaben steht die Politik? Welchen politischen Rahmen erwarten Wirtschaft und Gesellschaft? Das sind die Leitfragen der Konferenz "Agenda 2015 − Das Politik-Briefing für Deutschland", die heute vom Tagesspiegel veranstaltet wird. Vertreter von 30 wichtigen deutschen Interessensgruppen präsentieren in fünfminütigen sogenannten "Briefings" ihre Forderungen an die Politik.

Das Publikum, Vertreter aus Regierung, Ministerien, Parteien aber auch Unternehmen und NGOs, bewerten diese auf einer fünfstufigen Skala nach ihrer Durchsetzbarkeit und danach, ob sie gut für das Allgemeinwohl sind. Außerdem werden unterschiedliche Themen in Fachforen vertieft.

Wir begleiten die Veranstaltung mit diesem Blog. Und Sie liebe Leserinnen und Leser können mitdiskutieren. Was halten Sie von den Forderungen? Nutzen Sie dafür die Kommentarfunktion am Ende dieses Textes.

17 Uhr: Das war's. Die erste Agenda-Konferenz ist zu Ende. Wir bedanken uns für das Interesse an unserer Berichterstattung. Ergebnisse aus den 30.000 Abstimmungsdaten, die im Laufe des Tages erhoben und verarbeitet wurden, lesen Sie morgen im Tagesspiegel und am kommenden Dienstag in der neuen Agenda-Ausgabe, die Seiten für Politikentscheider in Berlin. Da erfahren Sie dann auch, welche Forderungen insgesamt für am wichtigsten für das Allgemeinwohl erachtet wurden, und welche am ehesten durchsetzbar.

16.55 Uhr: Zum Ende ergreift noch einmal der Gastgeber das Wort. Sebastian Turner bedankt sich bei allen Gästen und besonders auch bei den beiden Vertretern von Lobbycontrol für ihr Kommen und ihre kritische Begleitung: "Wir nehmen Ihre Anregung gerne auf."

16.50 Uhr: Das letzte Fünf-Minuten-Statement - und ein Aspekt, der noch gar nicht vorkam: Lebensmittel. "Ein Drittel der produzierten Lebensmittel werden ungenutzt wieder vernichtet", erregt sich Eberhard Brandes, Geschäftsführender Vorstand des WWF Deutschland. Und das, wo jetzt sieben und bald neun Milliarden Menschen auf der Erde ernährt werden müssten. Eine enorme Ressourcenverschwendung. Der WWF schlägt einen nationalen Aktionsplan vor, um die Menge der verschwendeten Lebensmittel bis 2020 um die Hälfte zu reduzieren.

16.45 Uhr: Die Automobilindustrie hat folgende Prioritäten: Offene Märkte, also ein klares Ja zu TTIP, fordert Klaus Bräunig vom Verband der Automobilindustrie. Und bitte, liebe Politik, schaffe eine "Balance zwischen Ökologie und Ökonomie". Beispiel: Digitalisierung von Mobilität - hier brauche es einen klaren Rechtsrahmen, sagt Bräunig. Und fordert eine Agenda 2030 und eine Diskussion, wie die Wirtschaftspolitik ausgerichtet werden kann, die den "Standort Deutschland langfristig stärkt und keine langfristig nicht-bezahlbaren soziale Geschenke macht". Frau Ministerin Andrea Nahles, was sagen Sie dazu?

16.40 Uhr: So arbeiten und reden vermutlich klassische Lobbyisten. Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident und Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftsvereinigung Stahl, macht's vor. Ein kompliziertes Thema vereinfacht darstellen, logische Folgerungen ableiten - und die Politik auffordern, diese besonders wichtige Branche nicht mit völlig überzogenen finanziellen Belastungen zu überfordern. Hat geklappt. Die Zuhörer attestieren ihm gute Werte bei Allgemeinwohl und politischer Durchsetzbarkeit seiner Ziele.

16.35 Uhr: Thomas Wimmer freut sich, dass er der 28. Redner ist und macht erstmal Komplimente an die Zuhörer. Vielleicht hören sie dann besonders gerne zu? Der Mann von der Bundesvereinigung Logistik jedenfalls hat vor allem folgende Anliegen: Eine funktionierende Infrastruktur - er ist nicht der erste, der heute diese Forderung an die Bundesregierung heranträgt. Außerdem, und auch hier dürften ihm mehrere Vorredner nicht widersprechen, muss die Frage der großen Datenmengen und Datenströme, die Frage der Informationslogistik auch auf die Tagesordnung. Die entsprechende Technologie und Software lässt sich auch in Deutschland entwickeln, ist sich Wimmer sicher. Es brauche aber eben auch die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen.

16.28 Uhr: Michael Rabe, Generalsekretär des Bundesverbands der Deutschen Tourismuswirtschaft, hat offensichtlich schlechte Laune, wenn es um die aktuelle Politik geht. Die Tourismusbranche habe am guten Image Deutschlands in der Welt "stark mitgewirkt", aber Undank scheint der Politik Lohn zu sein. Von Mindestlohn und Luftverkehrssteuer - alles Belastungen für seine Branche hält er nichts bis gar nichts. Die Politik nehme ihre Führungsrolle in vielen Bereichen nicht mehr wahr, klagt Rabe, um dann noch zu sagen: "Tourismus ist keine nette Freizeitbeschäftigung, sondern ein enormer Wirtschaftsfaktor." Nur die Politik, die scheint das nicht zu verstehen.

16.22Uhr: Die "Deutsche Luftverkehrswirtschaft" leidet nicht nur erst seit dem Lufthansa-Streik. Matthias von Randow vom Bundesverband beklagt, dass man im internationalen Wettbewerb als deutsches Unternehmen doch arg schlechte Ausgangsvoraussetzungen habe. Unternehmen anderer Länder unterliegen weniger Beschränkungen, zum Beispiel wenn es dort keine Gewerkschaften gibt. Aja.

Hierzulande werde der Luftverkehr zudem "doppelt belastet" - "mit Gebühren und einer nationalen Luftverkehrssteuer". Also: weg damit. Der Emissionshandel sollte bitte nicht nur europaweit geregelt werden, sondern international. Und dann wünscht man sich auch noch staatliche Förderung für "innovative Energieeffizienztechnologien" im Luftverkehr. Das Publikum findet's mehrheitlich gut.

16.19 Uhr: Fast hätte es Mitleid im Auditorium gegeben. Nur einen Kunden in Deutschland, gerademal 28 in Europa, erklärt Georg Wilhelm Adamowitsch, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, die schwierige Lage seiner Branche. Denn die komme halt nur mit den Regierungen ins Geschäft. Es scheinen komplizierte Kunden zu sein. Jeder habe spezielle Wünsche, besondere Interessen, wolle Extrawürste. Gleichzeitig sei zum Beispiel Deutschland (noch) nicht in der Lage, seine internationalen Interessen präziser zu formulieren, um daraus militärische Fähigkeiten abzuleiten und vorzuhalten. So könne man die acht verschiedenen Varianten des Airbus 400 M für acht Staaten deutlich günstiger herstellen, wenn sich die Nationen denn auf ein Modell einigen könnten. Tun sie aber nicht. Das sei "eine Vielfalt, die der europäische Steuerzahler teuer bezahlen müsse. Es geht billiger", sagt Adamowitsch.

16:10 Uhr Die letzte Sitzung dreht sich um Außen- und Sicherheitspolitik, und vorneweg die Frage ans Auditorium: Werden die außenpolitischen und weltwirtschaftlichen Risiken 2015 zunehmen? Ja da ist man sich sicher. Die Hälfte der Anwesenden zumindest gibt hier auf einer Skala von 1 bis 5 eine 5. 

Volker Perthes, Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik, teilt diese Ansicht insofern, als dass er sagt: "Krisen und Schocks kommen da, wo man sie am wenigsten erwartet", und erwähnt dann aber doch drei Regionen, die im kommenden Jahr weiteres Konfliktpotenzial in sich tragen. Ostasien, Naher und mittlerer Osten, sowie EU und Nato auf der einen und Russland auf der anderen Seite. Was die Politik in 2014 intensiv beschäftigt hat, wird sie im kommenden Jahr nicht loslassen.

Dabei sind heute Staaten gar nicht mehr die einzigen relevanten Akteure in der nationalen Arena - Unternehmen, Organisationen und auch terroristische Verbände spielen ebenfalls eine immer größere Rolle.

15.12 Uhr: In der freien Wohlfahrtspflege sind 1,5 Millionen Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt, drei Millionen engagieren sich ehrenamtlich. Eigentlich schade, dass es in Deutschland einen solchen Aufwand braucht, um sich um Kranke, Straffällige, Arme, Behinderte und viele andere Hilfsbedürftige zu kümmern. Jeder sechste lebt unter der Armutsgrenze, warnt Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands. Bei den Kindern sind 25 Prozent betroffen. Die Politik müsse endlich eine Trendumkehr schaffen, "sonst ist der gesellschaftliche Zusammenhalt als wichtigste Ressource gefährdet", warnt Rosenbrock.

15:06 Uhr: Die deutsche Landwirtschaft fühlt sich zu Unrecht gegängelt und schlecht beleumundet. Bernhard Krüsken vom Deutschen Bauernverband beklagt das enge Korsett von EU-Verordnungen, das so viel enger sei "als das im Rest der Welt". Die Erbschaftssteuer missfällt ihm ebenfalls, und dass die Umweltpolitik die Landnutzung behindert, sagt er nicht wörtlich, kann man aber so verstehen. Krüsken wünscht sich eine "ideologiefreie gesellschaftliche Diskussion über Landwirtschaft und Ernährung. Weg von Kampfbegriffen wie Chlorhuhn und Massentierhaltung". Wäre interessant, was Eberhard Brandes vom WWF dazu sagt, der später noch sprechen wird.

15 Uhr: Alarm! Den schlägt Henning Fahrenkamp, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie. Denn die Versorgungssicherheit mit allen Medikamenten zu jeder Zeit und an jedem Ort könne bald nicht mehr gewährleistet werden. Ein wesentlicher Grund sei, dass der seit 2009 geltenden Preisstopp für Arzneien es nicht einmal möglich mache, die Infaltion in die Preise einzurechnen. Damit werde insbesondere "der mittelständischen Industrie die Luft zum Atmen abgedreht", warnt Fahrenkamp.

Jung sein an sich ist noch kein Wert

Köpfe, Köpfe, Köpfe.
Köpfe, Köpfe, Köpfe.

© Kai-Uwe Heinrich

14.56 Uhr: Mal in eines der Fachforen reingehört und Interessantes erfahren: Der Politik fehlt's an Nachwuchs, da sind sich alle einig. Doch was kann man dagegen tun - das war das Thema beim Fachforum „Politik-Nachwuchs-Agenda 2015“. Soll man den Jungen raten, ihre Parteikarriere möglichst früh zu planen, weil es sonst gar nichts wird, fragt der Moderator der Runde, Tagesspiegel-Redakteur Fabian Leber?

Im Gegenteil, meinen Helmut K. Anheier, Präsident der Hertie School of Governance, und Ralf Güldenzopf, Leiter Politische Kommunikation der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS). "Es ist riskant, mit Mitte 20 in die Politik zu gehen", warnt Anheier, denn: "Was macht man denn dann mit Mitte 40?" Und überhaupt: Ein Parteieintritt sei doch eigentlich gar nicht mehr zeitgemäß. Güldenzopf findet, in jungen Jahren sei es viel wichtiger, sich um die wissenschaftliche Karriere und die Familie zu kümmern, als bereits Vollzeitpolitiker sein zu wollen: "Politik sollte doch vielmehr Berufung als Beruf sein", wandelt er den Titel von Max Webers Schrift ab.

Ein bisschen widersprechen will da Peter Siller, Leiter der Inlandsabteilung der Heinrich-Böll-Stiftung, der in Vertretung seines Chefs Ralf Fücks an dem Fachforum teilnimmt: „Ganz ehrlich? Die Ochsentour durch die Parteien wird am Ende doch mit dem entsprechenden Mandat belohnt." Auch bei den Grünen steige der Nachwuchs sehr früh ein und bringe dann viel Sitzfleisch und Zeit mit.

Wichtiger ist Siller aber die Frage, was denn getan werden müsse, um den richtigen Nachwuchs, die Talente zu fördern. Da werde zu viel die Fähigkeit, Politik zu managen gefördert, und weniger die fachliche Qualifizierung: „Politik ist weltanschauliche Auseinandersetzung“, formuliert er, und das müsse sie auch wieder mehr werden, um wieder spannender zu sein, Frau Merkel in allen Ehren. „Nur Mehrheiten zu organisieren, ist kein Modell.“

Dass da immer gerne willfähriger Parteinachwuchs herangezogen werde, bestreitet KAS-Vertreter Güldenzopf: „Auch die Älteren in der Politik wünschen sich Widerspruch.“ Und dass man damit erfolgreich sein könne, zeige aktuell das Beispiel von Jens Spahn, der sich bei der Präsidiumswahl auf dem CDU-Parteitag durchgesetzt hat.

Also: Was tun, um Nachwuchs zu gewinnen? Eine Quote etwa? Nein, da ist sich das Podium einig, das schade eher. „Jungsein an sich ist noch keine Güte“, sagt Güldenzopf. Die Themen der Zukunft würden es schon mit sich bringen, dass neue Köpfe gebraucht werden.

Apropos Quote: Die Zuhörer des Fachforums waren in der großen Mehrheit unter 40.

14:55 Uhr Frank Ulrich Montgomery von der Bundeärztekammer ist - wie gewohnt, kurz, knackig und gelegentlich polemisch. Er wünscht sich für die Krankenhäuser einen Transformationsfonds. Dort gibt es - aus seiner Sicht ist das die Schuld der Länder - einen Investitionsstau von rund 30 Milliarden Euro.

Dass "die Krake EU" jetzt auch versucht, das deutsche Gesundheitswesen zu würgen, missfällt ihm, also keine europäischen Normen für deutsche Artzberufe, bitteschön! Und was das Medizinstudium betrifft, sagt Montgomery angesichts der zu geringen Arztzahlen in Deutschland: Die Abiturnote ist kein geeignetes Auswahlkriterium, da braucht es ein neues Auswahlverfahren. Für alle drei Forderungen erhält er hohe Punktzahl was die Relevanz fürs Allgemeinwohl betrifft, ein neues Auswahlverfahren für das Studium hält die Mehrheit für politisch durchsetzbar.

14:53 Uhr: Nun zum Sport. Sportanlagen gehören auch in Wohngebieten: Mit dieser Forderung geht Michael Vesper vom Deutschen Olympischen Sportbund ins Rennen. Bisher ist das nämlich verboten, wird Sportlärm mit Industrielärm gleich gesetzt. Und er wirbt für Olympische Spiele 2024 in Deutschland, entweder Hamburg oder Berlin. Aber einen Vorteil für Berlin hat er schon ausgemacht: "Hamburg hat einen funktionierenden Flughafen."

14.39 Uhr: Ulrike Hinrichs, Geschäftsführerin und Vorstandsmitglied des Bundesverbands Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften, hat eine Hoffnung. Die Hoffnung, dass sie in 20 Jahren nicht mehr erklären muss, was sie eigentlich macht. Dafür könne ein Schulfach Wirtschaft und Finanzen helfen, damit schon junge Menschen lernen, was Private Eqity und viele andere Begriffe aus der Finanzwelt eigentlich bedeuten. Dann würden die Schüler auch verstehen, dass es in Deutschland nicht ausreichend Wagniskapital für Gründer gibt, die keinen gewöhnlichen Bankkredit bekommen. Und weil sie als ehemalige Pressesprecherin von Horst Seehofer weiß, was Kommunikation bedeutet, fordert sie abschließend noch die Abschaffung des Bundespresseamts. Das habe sich zwar weiterentwickelt, genüge den Anforderungen der digitalen Welt aber nicht mehr. Es müsse in ein modernes Ministerium für Kommunikation, Digitalisierung und Medienpolitik umgewandelt werden. So sei es "nicht mehr zeitgemäß".

14:35 Uhr: Wer denkt, dass in Deutschland Politik und Gesellschaft auf das kommende digitale Zeitalter vorbereitet sind, der irrt sich gewaltig. Das findet jedenfalls Michael Ziesemer vom Zentralverband Elektrotechnik und Elektronikindustrie.

Gerade was Big Data, die Analyse von Daten und alles was dazugehört betrifft, so Ziesemer, da ist es um die deutsche Wirtschaft schlecht bestellt. Die Konkurrenz aus den USA ist den Unternehmen hierzulande weit voraus. Und damit sich das ändert, fordert Ziesemer einmal mehr Vertrauen in die digitale Welt, "sicheren Umgang mit Daten in unsicheren Netzen".

Dann gibt es noch verbale Prügel für die Wireless-Norm der EU, die der Wirtschaft keine wirkliche Echtzeit-Kommunikation ermöglicht (oder nur auf dem "Niveau von Walkie-Talkies"). Und die Energieeffizienz von Gebäuden, die liegt Michael Ziesemer 2015 auch noch am Herzen. Was das Auditorium arüber denkt, finden wir hoffentlich später heraus. Gerade streikt die Technik.

14:34 Uhr: Lobbycontrol ist jetzt auch da. Ein herzliches Willkommen.

14:32 Uhr: Die Digitalisierung zieht sich wie ein roter Faden durch die Konferenz. Bei Bernhard Rohleder vom Branchenverband Bitkom steht sie natürlich im Mittelpunkt. Zuerst eine Zahl: 210.000 Informatiker kämen jedes Jahr in Indien auf den Markt, in Deutschland seien es nur 25.000. Er fordert, dass mehr in digitale Bildung gesteckt werde. So müsse es ein Schulfach "Neue Medien" geben. Außerdem fordert er "weniger Datensparsamkeit und mehr Datenvielfalt". Rohleder hat nach eigenen Worten den Eindruck, dass es der Wirtschaft manchmal zu gut gehe und deshalb Veränderungen nicht voran kämen. "Wir müssen mit einem Hang zum Masochismus jetzt Veränderungen einleiten." Für seine Forderungen erhält er überdurchschnittlich viel Zustimmung.

14.20 Uhr: Jetzt geht es Richtung Europa. Und die Europäische Union wird immer wichtiger, sagt Lüder Gerken, Vorsitzender des Centrums für Europäische Politik. Schon heute kommen 80 Prozent der Gesetze und Verordnungen aus Brüssel, nur 20 Prozent werden noch in den nationalen Parlamenten erarbeitet. Tendenz steigend.

Lobbycontrol bittet um Klärung

14:16 Uhr: Nach der Lunchpause geht es weiter, und zwar mit einem Nachtrag zur vorherigen Session: Was glauben denn nun die Konferenzteilnehmer NACH den ganzen Vorträgen, wird sich die Lage der deutschen Wirtschaft 2015 verbessern? Es zeigt sich, die ohnehin nicht unwesentlich große Zahl der Pessimisten ist noch ein wenig gewachsen, ein Drittel ist unentschieden.

Das sieht anders aus bei der nächsten These fürs Plenum: Die Macht der europäischen Institutionen wird 2015 wachsen - das denken tatsächlich fast die Hälfte aller Teilnehmer von Agenda 2015.

13:18 Uhr: Die NGO Lobbycontrol bittet um Klärung. Wie kamen die über 30 Rednerinnen und Redner auf die Bühne? Hier ist die Antwort: Alle Rednerinnen und Redner auf der Hauptbühne wurden eingeladen und haben dafür nicht bezahlt. Das gilt auch für den Mieterbund, den WWF, die Arbeitnehmer-Vertretung und die Bundesregierung.

Auf den Nebenbühnen treten Stiftungen wie Robert-Bosch und Heinrich-Böll, NGOs wie Transparency International sowie Professoren und Verbandsvertreter auf. Zwei von sechs Nebenbühnenauftritten wurden von Verbänden finanziell unterstützt. Diese Nebenbühnenauftritte sind dann mit dem Verbands-Logo gekennzeichnet und der jeweilige Moderator weist darauf hin. Und im Programmheft steht es auch. Lobbycontrol ist herzlich eingeladen, sich ein eigenes Bild vor Ort zu machen.

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12:58 Uhr: Stromkosten senken, Erbschaftssteuer neu regeln, TTIP zustimmen - das wünscht sich der Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie im kommenden Jahr. Im Mittelpunkt der Argumentation stehen die mittelständischen Unternehmen, die Zuhörerschaft goutiert es mit relativ großer Zustimmung, was die Relevanz der Forderungen für das Gemeinwohl betrifft. Ob sie auch politisch durchsetzbar sind? Da ist die Zustimmung niedriger, am ehesten wird eine Änderung der Erbschaftssteuer erwartet.

Tagesspiegel-Herausgeber Sebastian Turner begrüßte die Gäste der Konferenz.
Tagesspiegel-Herausgeber Sebastian Turner begrüßte die Gäste der Konferenz.

© Kai-Uwe Heinrich

12.59 Uhr: Franz-Georg Rips, Präsident des Deutschen Mieterbunds, sieht nur Gewinner, wenn denn seine Forderungen umgesetzt würden. Die sozialverträgliche, energetische Sanierung von Immobilien hätte nur Gewinner: Den Mieter, der weniger Energiekosten und einen höheren Wohnwert habe; den Staat, der seine Klimaziele erreiche und den Eigentümer, der die Vermiet- und Verkaufbarkeit seiner Häuser und Wohnungen langfristig sichere. Die Reaktionen: Dient dem Allgemeinwohl überdurchschnittlich, findet eine große Mehrheit im Auditorium.

12.46 Uhr: Runter, runter, weg. Die Handlungsanweisungen für die Politik von Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland, sind kurz und knapp. Was er sagen will: Steuern runter, Strompreise runter, kalte Progression weg. Auch sonst setzt er voll auf unternehmerische Freiheit: Bürokratie abbauen, Gewerbesteuer reformieren, teure Sozialpakete stoppen, Regulierungen aussetzen, Ladenschluss liberalisieren und den mündigen Verbraucher fördern. Schöne, freie Welt?

12.34 Uhr: Das mit der Energiewende und der Digitalisierung hatten wir ja schon. Aber Holger Schwannecke, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, hat noch einen neuen Punkt. "Nicht jeder muss studieren", sagt Schwannecke und zielt damit auf die berufliche Bildung, die neben der schulischen und universitären als wichtig und gleichwertig angesehen werden müsse. Alles, was die berufliche Bildung aushöhle, müsse unterlassen werden. Wissenstransfer im Handwerk sei außerordentlich wichtig, das Ziel der Meisterbrief. Meister ... Hört sich doch auch viel besser an als Doktor...

Die wirtschaftlichen Aussichten für 2015? Eher trübe.

Blick ins Publikum.
Blick ins Publikum.

© Oliver Elsner

12:30 Uhr: Was denken die Konferenz-Teilnehmer - wird sich die Lage der deutschen Wirtschaft im kommenden Jahr verbessern? Die meisten denken "eher nicht" und vergeben zwei Punkte. Offenbar zu Recht, wie sich gleich zeigen wird, denn jetzt gibt Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut der Wirtschaft seinen wirtschaftspolitischen Ausblick für 2015.

Und der ist nicht besonders gut. Zusammengefasst: Europa und Deutschland sind 2015 "Sorgenkinder" (das sieht auch der IWF so), was die wirtschaftliche Entwicklung betrifft.

Und woran liegt der Pessimismus? Einmal fehlt es in Deutschland vor allem an Investitionen, die Bedrohungen einer Deflation, beziehungsweise der andauernden Bankenkrise fallen ebenfalls schwer ins Gewicht. Mit die größte Sorge Marcel Fratzschers aber ist: Die Politik steckt den Kopf in den Sand.

Das Publikum grummelt zustimmend.

12:07 Uhr: Zur Halbzeit gibt's lobende Worte zum Format von John Kornblum, dem ehemaligen US-Botschafter in Berlin: "Das ist eine tolle Veranstaltung. Wie bei einem Mosaik kriegt man in aller Kürze die wichtigsten Politikforderungen präsentiert. Und es ist doch viel besser, wenn zehn Leute fünf Minuten reden, als wenn das zwei jeweils 25 Minuten tun."

Wichtig sei, dass Deutschland sich klar werde, dass es seine Führungsrolle in Europa noch viel stärker wahrnehmen müsse, so lautet seine eigene Forderung an die Politik-Entscheider.

12:00 Uhr: Sowohl der Bundesverband der Arbeitgeber als auch der Bundesverband der Deutschen Industrie sind hier und man fragt sich, warum beide eigentlich nicht fusionieren, wo sie doch ähnliche Interessen vertreten. Auch Moderator Stephan-Andreas Casdorff fragt sich das und wirft ein, dass man ja mal abstimmen lassen könne. "Auf das Ergebnis wäre ich auch gespannt", sagt Markus Kerber vom BDI. Bahnt sich da was an? Wir werden es beobachten.

11:40 Uhr: "Wir haben die Herausforderungen des Koalitionsvertrages zu 80 Prozent umgesetzt" - dann ist ja alles erledigt. Aber Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) bleibt dann doch länger auf der Tagesspiegel-Bühne und sagt auch ein paar Dinge zu 2015: "Deutschland ist stark und sympathisch", stellt er in seiner Keynote fest. Das habe Folgerungen für die praktische Politik. "Denn die Außenpolitik ist wieder auf der Agenda." 

Für das kommende Jahr machte Altmaier mehrere Hauptfelder für die Bundesregierung aus: So müsste die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft im Zusammenhang und nicht im Gegensatz zu Klimaschutz und Energiewende gesehen werden. Den großen Nachholbedarf bei den Infrastrukturmaßnahmen, den Ulrich Maly vom Deutschen Städtetage oder Utz Tillmann von der Chemischen Industrie beklagt haben, den sieht Altmaier schon auch.

Ebenso den Bedarf an mehr Investitionen in Bildung und Forschung. Die drei Prozent, die heute vom BIP in den Bereich flössen, sollen außerdem noch mehr werden.

Jeder Teilnehmer kann über ein Ipad die Thesen der Vortragenden bewerten.
Jeder Teilnehmer kann über ein Ipad die Thesen der Vortragenden bewerten.

© Kai-Uwe Heinrich

Aaaaaber: Wolle man auch die "schwarze Null" halten, müssen man "die Debatte beim Solidaritätszuschlag so führen, dass man sich hier keine Gestaltungsspielräume verbaut". Alles klar? Die digitale Herausforderung sei die eigentliche Schlüsselherausforderung der Zukunft. "Und diese Herausforderung ist die meist unterschätzte in Deutschland." Nicht natürlich im Kanzleramt, aber sonst. Auch in der Wirtschaft.

Deshalb stellt er auch Forderungen, und zwar an die Wirtschaft für eine neue Unternehmenskultur im Bereich des Digitalen. In den USA würden 20-mal so viele Start-Ups gegründet wie hierzulande. Zwar verschwänden dann innerhalb eines Jahres auch mehr als 80 Prozent wieder. Aber: "Wenn wir einen Menschen finden wollen, der mit einer Idee die Welt verändert, müssen wir mit 10.000 anfangen."

Natürlich, räumt der Kanzleramtschef ein, braucht es beispielsweise auch besser gestelltes Wagniskapital. Aber, und damit wiederholt er auch eine Einschätzung aus der Wirtschaft: das sei auch eine Frage der inneren Einstellung, ob jemand bereit sei, ein Risiko einzugehen. "Scheitern ist keine Schande".

Applaus.

Wer kann schon mit Geld umgehen?

Stephan-Andreas Casdorff, Chefredakteur des Tagesspiegels.
Stephan-Andreas Casdorff, Chefredakteur des Tagesspiegels.

© Kai-Uwe Heinrich

10: 57 Uhr: Hier will jemand mehr Geld. Und bekommt dafür viel Unterstützung. Ulrich Maly, Präsident des Deutschen Städtetages, beklagt die desolate Finanzsituation der Kommunen. Dienstleistungen und kommunale Infrastruktur, die eigentlich selbstverständlich sein sollten, können nicht mehr angeboten werden, so der Grundtenor. Und das gehe zu Lasten der Gesellschaft, der heutigen und der künftigen.

Maly will Hilfe für die schwachen Städte und eine Entlastung der Kommunen - eine Forderung, die das Publikum im Saal auch als politisch absolut durchsetzbar bewertet. Am besten aber kommt bei der Abstimmung über die Ipads seine Forderung nach einem Erhalt der Infrastruktur, sicheren Straßen und modernen Schulen an. Wer will da auch widersprechen? Nur wer will's zahlen... Jetzt spricht gleich Peter Altmaier, Chef des Bundeskanzleramtes, mal sehen, was er dazu sagt.

10.53 Uhr: Wer kann schon mit Geld umgehen? Viele Kinder und Jugendliche offensichtlich nicht, glaubt Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken. Er fordert mehr Finanzbildung an deutschen Schulen. Ziel: Mündige Verbraucher. Geflüsterter Kommentar Publikum: " Fürs Erste wäre dem Verbraucher schon geholfen, wenn die Banken ihre Finanzprodukte verständlich erklären würden." Die Mehrheit der Zuhörer hält mehr Finanzbildung dennoch für eine gute Sache, bei der politischen Durchsetzbarkeit ist das Auditorium deutlich skeptischer.

Im Publikum sitzt auch SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil, der im Auftrag von SPD-Chef Sigmar Gabriel stärkere Bande zur Wirtschaft knüpfen soll. Heil organisiert derzeit auch die Gründung eines SPD-nahen Wirtschaftsforums.

10.47 Uhr: Die Chemie-Industrie hat Angst um den Standort Deutschland. Oder zumindest Utz Tillmann vom Verband der chemischen Industrie. Er wünscht sich deshalb von der Bundesregierung eine bessere Infrastruktur, um Kunden zuverlässig und rascher beliefern zu können. Bei Entscheidungen über solche Projekte sollte die Industrie mehr einbezogen werden, wünscht er sich. Der Strompreis ist Utz Tillman zu hoch. Und weil in der chemischen Industrie durchaus bereits Unternehmen entlastet werden, erwartet er auch für die mittelständischen Unternehmen eine Entlastung sowie die Zusage, dass Eigenstrom auch nach 2016 nicht mit einer Umlage belegt wird.

Die Nouvelle EEG 3.0 sollte nicht in die nächste Legislaturperiode verschoben werden, und steuerliche Forschungsförderung, damit Innovationen nicht ausbleiben, die wäre auch schön. Das Publikum findet es gut und bewertet Tillmanns Forderungen durchgehend hoch als "dem Gemeinwohl nutzend". Bei der politischen Durchsetzbarkeit ist man skeptischer. Könnte daran liegen, dass viele Vertreter ähnliche Wünsche haben.

10.37 Uhr: Hildegard Müller, Vorsitzende des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft, und eine der wenigen Lobbyisten im Saal fordert einen Dreiklang für die Energiewende: eine Anpassung des Strommarktdesigns, Einsparpotenziale nutzen und Versorgungssicherheit europaweit denken.. Und es muss Tempo gemacht werden, sagte Müller. "Das Jahr 2015 ist das Jahr der Entscheidungen." In 2016 und 2017 stünden sehr viele Wahlen an. Und das erschwere die Kompromissfindung.

Köpfe, Köpfe, Köpfe.
Köpfe, Köpfe, Köpfe.

© Kai-Uwe Heinrich

"Mehr Mitbestimmungsrechte für Betriebsräte? Oh Gott..."

Stell-dich-ein für 2015 - die Agenda-Konferenz für Politikentscheider beim Tagesspiegel.
Stell-dich-ein für 2015 - die Agenda-Konferenz für Politikentscheider beim Tagesspiegel.

© Kai-Uwe Heinrich

10:27 Uhr: Kein leichter Auftritt für Michael Guggemos von der Hans-Böckler-Stiftung, dem Think Tank des DGB. Als er größere Mitbestimmungsrechte für Betriebsräte fordert, stöhnen manche Verbandsvertreter auf: "Oh Gott!" Guggemos selbst wirbt in dem Zusammenhang für "gute Arbeit für alle" und "mitbestimmte Arbeit für alle" - das zielt auf den Mindestlohn und die Frage, wie dieser ab Anfang Januar dann auch tatsächlich kontrolliert werden kann. Seine Forderung, beim Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit in Europa die deutschen Unternehmen zu unterstützen, um dort mehr machen zu können, kommt deutlich besser an. Dafür gibt es dann - anders bei der Forderung nach mehr Mitbestimmungsrechten - die meisten Punkte, sowohl bei der politischen Durchsetzbarkeit als auch bei der Frage, ob es gut fürs Gemeinwohl ist.

10:20 Uhr: Markus Kerber, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) macht den Auftakt. Er fordert eine Strategiedebatte, die klar machen müsse, was Deutschland in der Welt erreichen möchte. "Was wir heute sind, darum beneidet uns die Welt", sagte Kerber. Deutschland müsse mehr in Forschung, Bildung und globale Sicherheit investieren. "Wir müssen uns für große Ziele entscheiden."

10.15 "Migranten in Deutschland sollen in den Familien Deutsch sprechen" - diese These steht zur Probeabstimmung, mit deren Hilfe Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff die Abstimmungswerkzeuge auf den IPads für die Teilnehmer der Konferenz erklärt. Und? Wie sehen die Konferenz-Teilnehmer diese Frage? Auf einer Skala von ein bis fünf, ob diese Forderung dem Gemeinwohl dient, liegt das Abstimmungsergebnis bei 2,5 Punkten, die Frage nach der politischen Durchsetzbarkeit deutlich darunter. Aha.

10.10 Eine Einordnung zum Anfang, warum wer bei Agenda 2015 ist, und worum es bei der Konferenz heute geht: Vor der Veranstaltung habe ihn ein Interessensvertreter, sprich Lobbyist, angesprochen und selbst kritisiert, dass vor allem Lobbyisten sprechen würden, erzählt Sebastian Turner. Nun, es gehe ja gerade tatsächlich darum, dass diese Personen Interessen vertreten. Diese Interessen transparent zu machen, darum gehe es heute bei Agenda 2015 auch, sagt Turner. Und freut sich auf eine weitere, differenzierte Darstellung.

10.01 Mit einer Minute Verspätung geht es los. Tagesspiegel-Herausgeber Sebastian Turner begrüßt die "Berliner-Entscheider".

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