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Reaktionen zum Koalitionsvertrag: Die Wirtschaft ist entsetzt

Mindestlohn, Rentengeschenke, straffere Regulierung des Arbeitsmarktes - die Unternehmen sind unzufrieden mit den Plänen der neuen Regierung und warnen vor Jobabbau. Einen "riesigen dunklen Schatten" über dem Land hat das Handwerk ausgemacht.

Die deutsche Wirtschaft hat den Koalitionsvertrag von Union und SPD mit zum Teil scharfer Kritik aufgenommen. "Die beschlossenen Belastungen und ihre Folgen werden sich wie ein riesiger dunkler Schatten auf das Land legen", kritisierte Handwerks-Präsident Otto Kentzler. "Sie drohen die weitere Entwicklung von Wachstum und Beschäftigung zu lähmen." Die Beschlüsse in Sachen Sozialversicherung bedeuteten jährliche zusätzliche Ausgaben in Milliardenhöhe und seien "ein dicker Rucksack für nachfolgende Generationen". Bei den Regelungen zum Arbeitsmarkt werde die Flexibilität für die Betriebe "zurückgedreht". "Beide Entscheidungen gefährden Arbeitsplätze."

Ähnlich argumentierte Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages DIHK. Vor allem durch den Mindestlohn von 8,50 Euro werde "der Arbeitsmarkt erheblich unter Druck geraten", sagte er. Vor allem in Ostdeutschland verschlechterten sich die Beschäftigungschancen von Geringqualifizierten. In Sachen Energiewende gebe es insgesamt "keinen überzeugenden Weg aus der Kostenfalle". Zu befürchten sei, dass die EEG-Umlage in den kommenden Jahren auf mehr als 30 Milliarden Euro klettere.

Auch in der Industrie gab es große Unzufriedenheit. "Dem Koalitionsvertrag fehlt der Geist der großen Ambitionen: zu wenig Aufbruch, zu viel Rückwärtsgewandtes und zu viele ungedeckte Schecks“, sagte der Geschäftsführer des Verbandes der deutschen Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA), Hannes Hesse. Positiv sei zwar die Absage an Substanzbesteuerungen und Steuererhöhungen. "Ob die große Koalition allerdings die nächsten vier Jahre ohne Steuererhöhungen auskommen wird, muss angesichts der geplanten milliardenschweren Mehrausgaben leider mit einem Fragezeichen versehen werden", sagte Hesse.

Die Maschinenbauer vermissen vor allem Impulse für mehr private Investitionen. "Vorrang vor allen neuen Wohltaten müsse eine investitionsfreundliche Steuer- und Abgabenpolitik haben“, sagte VDMA-Chef Hesse. "Nur so bleiben Beschäftigung und Wohlstand in Deutschland gesichert.“

Union und SPD haben sich unter anderem auf einen Mindestlohn geeinigt. Auch können Arbeitnehmer unter bestimmten Bedingungen schon mit 63 ohne Abschläge in Rente gehen. Weitere wichtige Punkte sind die Begrenzung von Leiharbeitsverträgen auf 18 Monate. Zudem müssen Zeitarbeiter nach neun Monaten den Stammbeschäftigten gleichgestellt werden. Daneben will die Koalition den Missbrauch von Werkverträgen begrenzen.

Junge Unternehmen sehen Unwucht zu Gunsten der Alten

Auch die Familienunternehmer kritisierten die Vereinbarungen. "In der Arbeitsmarkt- und Rentenpolitik schlägt die große Koalition eine Rolle rückwärts, macht die Reformerfolge der vergangenen Jahre zu großen Teilen wieder zunichte", sagte ihr Präsident Lutz Goebel.

"Bei der Energiewende kann mit den getroffenen Vereinbarungen noch kein großer Wurf gelingen, mit dem unser Industriestandort Deutschland gesichert und die Verbraucher entlastet werden." Die Bundesvorsitzende der Jungen Unternehmer, Lencke Wischhusen, machte eine Schieflage in den Vereinbarungen aus. "Solidarische Lebensleistungsrente, Mütterrente, abschlagsfreie Rente mit 63 - für all das wird die junge Generation blechen müssen“, kritisierte sie.

Die Parteien hätten ein Zeichen setzen können, indem sie den Abbau des Schuldenbergs in Angriff genommen hätten. "Die Zukunft sieht schwarz aus, wenn die Zahlen rot sind - vor allem für die junge Generation“, sagte Wischhusen.

Von den Privatbanken gab es eine zurückhaltende Stellungnahme. Es sei nicht leicht, die neuen Sozialleistungen "unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit Sozialleistungen zu verantworten", erklärte Verbands-Hauptgeschäftsführer Michael Kemmer. Er warnte vor zu viel Regulierungen für kleine und mittlere Banken. Sie müsse auf unbeabsichtigte Wirkungen hin überprüft werden. Positiv gestimmt war der neue Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer. Es sei gut, dass die Steuern stabil blieben. Zudem begrüßte er das Bekenntnis der Koalition zur Tarifeinheit. "Das ist notwendig, um die Tarifautonomie als einen wichtigen Standortvorteil unseres Landes zu sichern."

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