zum Hauptinhalt
AfD-Spitzenkandidat Bernd Lucke freut sich über den Erfolg der ersten Bundestagswahl der AfD. Doch die nächsten Hürden warten bereits.

© dpa

Die AfD bei der Bundestagswahl 2013: Die Leere hinter Lucke

Die „Alternative für Deutschland“ punktete mit dem Euro-Thema, und sie ist auch Heimat für Konservative. Doch trotz eines guten Ergebnisses in ihrer ersten Bundestagswahl, ist die Zukunft der Partei ungewiss.

Drei Prozent – diese Marke galt innerhalb der „Alternative für Deutschland“ (AfD) als entscheidend. Würde man über diesem Wert liegen, dann werde die Partei nicht kurz nach der Wahl auseinanderbrechen, hatte es schon in der letzten Wahlkampfwoche aus dem Umfeld der Parteiführung geheißen. Und das Wort „historisch“ kursierte auch da schon in den diversen Internetforen der Partei. Denn aus dem Stand heraus hat es die Euro-kritische Partei geschafft, zu einem relevanten Faktor in der Bundespolitik zu werden. Das war noch nicht einmal den Grünen gelungen, die 1980, als sie zum ersten Mal für den Bundestag antraten, gerade mal bei 1,5 Prozent gelandet waren.

Der schnelle Erfolg der AfD ist umso erstaunlicher, als sie ursprünglich eine Parteigründung von oben war. Nicht wenige in der Partei hatten beim Berliner Gründungsparteitag im April 2012 Zweifel daran, dass ein flächendeckender Wahlkampf überhaupt gelingen werde. Einzelne Landesverbände zerstritten sich, um die Platzierungen auf den Wahllisten wurde erbittert gerungen. Vielleicht wäre die Partei damals zerbrochen, wenn nicht Parteisprecher Bernd Lucke auf diversen Regionalversammlungen in die Rolle des Mediators geschlüpft wäre.

Ohnehin hat der Hamburger VWL-Professor in den vergangenen fünf Monaten eine bemerkenswerte Wandlung durchlebt: Konnte man ihn im Frühjahr mit Rucksack auf dem Rücken noch etwas schüchtern durchs Berliner Regierungsviertel ziehen sehen, so ist er inzwischen in der professionellen Spitzenpolitik angekommen: Er achtet auf Kameras, er geht auf Leute zu und koordiniert seine Presseanfragen nicht mehr selbst. Bei einem Auftritt vor dem Brandenburger Tor am vergangenen Montag war zu erleben, dass Lucke sichtlich Spaß gefunden hatte an seiner neuen Rolle in der Öffentlichkeit – er wurde umringt von in- und ausländischen Medien, bevor er sich von seiner Pressesprecherin zum nächsten Termin führen ließ.

AfD: Besetzung der Landeslisten waren Zufall

Luckes überragende Präsenz ist allerdings auch ein Problem für die AfD. Denn hinter dem fünffachen Familienvater aus Winsen an der Luhe tut sich zunächst einmal Leere auf. Weder seine beiden formal gleichberechtigten Sprecherkollegen – Frauke Petry, eine Unternehmerin aus Sachsen, und Konrad Adam, ein Ex-„FAZ“-Journalist – noch Persönlichkeiten aus den Landesverbänden können es an medialer und innerparteilicher Wirksamkeit mit ihm aufnehmen.

Nach etlichen Pannen war man froh, dass es mit dem Antritt zur Bundestagswahl überhaupt flächendeckend geklappt hatte. Die Landeslisten sind deshalb auch Zufallsprodukte. Zwar finden sich auf den ersten Plätzen häufig Wirtschaftsprofessoren wie Joachim Starbatty (Berlin) oder Jörn Kruse (Hamburg). Doch auf den hinteren Listenplätzen sehe es durchaus „düster“ aus, wie es ein Mitglied der Bundesspitze formuliert. Eine größere Rolle könnten in Zukunft möglicherweise der nordrhein-westfälische Landeschef Alexander Dilger spielen und AfD-Ko-Sprecher Konrad Adam, der in Hessen kandidierte. Auf Platz zwei trat dort der Fernsehjournalist Roland Klaus an. Bei außenpolitischen Themen hatte sich bisher der Potsdamer Publizist Alexander Gauland positioniert.

In den vergangenen Wochen täuschte Luckes Medienpräsenz auch darüber hinweg, dass es der Partei immer noch an einem organisatorischen Unterbau fehlt. Sie hat es zwar geschafft, einen Wahlkampf mit einer überraschend hohen Zahl an Wahlplakaten und Infoständen zu bestreiten. Doch bis jetzt sind noch nicht einmal in allen Landesverbänden Kreisverbände gegründet worden. Und graswurzelartige Mitgliederparteitage wie die Gründungsversammlung im Berliner „Interconti“ dürften wohl bald der Vergangenheit angehören.

Vermutlich, so heißt es aus der Parteispitze, werde es bald ein Delegiertensystem geben wie bei anderen Parteien auch. „Dann fängt natürlich auch die Kungelei an“, sagt ein Mitglied des Vorstands. Einen zweiten Parteitag hatte die AfD-Führung bisher für Anfang nächsten Jahres eingeplant, möglicherweise wird er jetzt auch früher einberufen.

Eine spannende Frage wird dann sein, inwieweit sich die AfD als Partei mit einem eigenen gesellschaftlichen Milieu etablieren kann, ähnlich wie es die Grünen und zum Teil selbst die Piratenpartei geschafft haben. Vermutlich nur dann würde sich die AfD als Partei über das Euro-Thema hinaus etablieren. Aber schon im Wahlkampf hatte sich herausgestellt, dass die AfD keineswegs nur als Ein-Themen-Partei begriffen werden kann – auch wenn dies von den politischen Gegnern und auch in vielen Medienberichten lange so wahrgenommen wurde. Manche in der AfD waren selbst überrascht, dass sie bei Wahlveranstaltungen weniger auf den Euro, sondern auf ganz andere Themen angesprochen wurden. Da ging es dann zum Beispiel um die Energiewende, um Zuwanderung oder auch um ein allgemein empfundenes „Demokratiedefizit“.

Ein Grund für den Erfolg der AfD könnte auch sein, dass sie vermutlich zwei verschiedene Wählergruppen vereint hat, die eigentlich wenig Berührungspunkte miteinander haben: Zum einen ein eher wirtschaftsliberal denkendes Bürgertum, das mit der Euro-Politik weniger persönliche Verlustängste als das Gefühl permanenter Regelbrüche verbindet. Und zum zweiten eine vor allem aus Protest wählende Gruppe, die den Eindruck hat, dass sie sich auf den nationalen (Sozial-)Staat nicht mehr verlassen kann.

Explizit hat die AfD zwar nie um die Stimmen von Wählern geworben, die in der Vergangenheit rechtspopulistische oder rechtsextreme Parteien unterstützten. Dennoch plakatierte die AfD zum Beispiel in den ostdeutschen Bundesländern recht offensiv ihre Forderung nach einer stärker staatlich regulierten Zuwanderungspolitik.

AfD - Konservative Alternative zwischen CDU und FPD

Registriert wurde in der AfD eine Äußerung von Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg in der „Financial Times“ vom Freitag, der die Vernachlässigung von konservativen Kräften in der Union durch die Politik der Kanzlerin beklagte. Tatsächlich nahm die AfD in den letzten Wochen Positionen ein, die als Versuch verstanden werden können, sich als konservative Alternative zu Union und FDP zu etablieren.

Ohne innerparteiliche Reibungsverluste dürfte ein solcher Prozess aber nicht ablaufen. Schon während des Wahlkampfs hatte sich gezeigt, dass die Positionen zum Beispiel zur Familienpolitik in der Partei weit auseinanderliegen, vor allem in Gleichstellungsfragen. So wurde auf der ohnehin recht aggressiven AfD-Facebook-Seite kurz vor der Wahl ein Plakat gepostet mit dem Slogan: „Schluss mit dem Gender-Wahn.“ Und auch in Sachen Homo-Ehe hat sich die AfD bisher vor einer Positionierung gedrückt.

Insbesondere die Landesverbände in Baden-Württemberg, Hamburg und Berlin gelten in dieser Hinsicht als liberal – während zum Beispiel der Landesverband Sachsen rund um Luckes Ko-Sprecherin Petry gesellschaftspolitisch wesentlich konservativer auftritt. In Sachsen scheint auch der Anteil ehemaliger Mitglieder der rechtspopulistischen Partei „Die Freiheit“ am höchsten zu sein.

Insgesamt sollen bis zu 400 Mitglieder der Partei bundesweit zur AfD übergetreten sein. Parteichef Lucke hatte einen Aufnahmestopp analog zum Verfahren bei ehemaligen NPD- und DVU-Mitgliedern abgelehnt.

Zur Startseite