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Rücktritt in Hamburg: Die Schule des Regierens

Von Schill zu den Grünen – kein anderer CDU-Ministerpräsident hat in einem weiteren Spektrum regiert als Ole von Beust. Die Ereignisse in Hamburg sind die Folge lokaler Besonderheiten, aber auch Ausdruck bundesweiter Entwicklungen.

Für Ole von Beust hat sich am Sonntag ein Kreis geschlossen. Seine Zeit als Erster Bürgermeister der Hansestadt Hamburg begann 2001 damit, dass keine der in der Bürgerschaft vertretenen Parteien in der Lage war, Probleme angemessen aufzugreifen, die vielen Bürgern der Stadt wichtig waren. Damals ging es um die Innere Sicherheit, um Verwahrlosung, Drogen, Kriminalität. Es war die Stunde des Rechtspopulisten Ronald Schill, der aus dem politischen Nichts kommend mit fast 20 Prozent der Wählerstimmen ins Parlament gestürmt war und Ole von Beust, dessen CDU noch gerade eben 26 Prozent erreicht hatte, mitriss in den Senat, in die Regierung. Auch jetzt, neun Jahre später, war keine der im Parlament vertretenen Parteien willens oder fähig, den Unmut eines großen Teils der Bürger aufzugreifen. Diesmal ging es um die Bildungspolitik, diesmal stand kein Populist mit passenden Parolen parat, diesmal nahmen die Bürger die Sache selbst in die Hand. Aber damals wie heute bezog der außerparlamentarische Protest viel von seiner Kraft aus dem Zentrum des Konservatismus, aus der Partei Ole von Beusts, aus der CDU.

Die Ereignisse in Hamburg sind die Folge lokaler Besonderheiten, aber auch Ausdruck bundesweiter und bundespolitischer Entwicklungen. Die Amtsmüdigkeit Ole von Beusts findet ihre Entsprechung in anderen Landesparlamenten, der angekündigte Rücktritt von Roland Koch ist hier ein Beispiel, und auch in der Bundespolitik, wie der Rücktritt von Horst Köhler zeigt. Als „Sklave“ seines Terminkalenders sah sich von Beust zuletzt, und er ist damit nicht allein. Sich als Herrscher von dieser Knechtschaft nicht anders als durch Rücktritt befreien zu können, offenbart eine individuelle Schwäche, weist aber zugleich auf ein gesellschaftliches Problem: die steigende Komplexität von Aufgaben und die damit einhergehende Verdichtung von Zeit.

Regierungen sind stets der Abnutzung unterworfen, irgendwann ist ihre Zeit abgelaufen; das gilt ebenso für die Regierenden. Die sechzehn Jahre von Helmut Kohl sind da ein Maßstab, kein Vorbild. Neun Jahre wie die von Ole von Beust können schon mehr als genug sein, für den Amtsträger wie für die Regierten. Allerdings ist die Zeitrechnung für Hamburg eine andere: Seit zwei Jahren regiert hier, erstmals auf Landesebene in der Bundesrepublik, eine schwarz-grüne Koalition. Ein Brückenschlag, ein weiterer Beleg für das behauptete Ende der Lagerpolitik, ein Experiment, das jetzt mancher angesichts der Hamburger Lage schon als gescheitert ansieht. Dabei steht die eigentliche Herausforderung noch bevor: Wie funktioniert Schwarz-Grün, wenn der CDU in einem solchen Bündnis mit Christoph Ahlhaus bald ein echter Konservativer vorsteht, einer, der die Sorgen der Wähler in der praktischen Politik aufnimmt, der nicht, wie Ole von Beust von sich sagt, im Laufe seiner Karriere von rechts nach links gerückt ist in seinen Auffassungen und in seinem Handeln und von der Ökonomie zur Ökologie?

Von Schill zu den Grünen – kein anderer CDU-Ministerpräsident hat in einem weiteren Spektrum regiert, keiner hat seiner Partei mehr zugemutet. Neun Jahre konnte sich von Beust an der Spitze der Stadt halten, zweimal ist er wiedergewählt worden, zwei Jahre hätte er mindestens noch gehabt. Auch das ist Regierungskunst, aber sie hat einen hohen Preis: Eine eigene politische Haltung ist nur schwer zu erkennen. Die Unruhe und die Unzufriedenheit bei den Wählern ist eine Folge davon, in Hamburg, aber auch im Rest der Republik.

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