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Bayerns Ministerpräsident hat im Fernsehen ordentlich ausgeteilt. Unionsfreunde sagen, sie kennen die Methode: Schuld sind die andern, Bayern ist immer Teil der Lösung.

© dpa

Nach ZDF-Interview: Die Opposition lästert über Seehofers Röttgen-Attacke

Die Reaktionen der Unionsleute klingen weniger empört als besorgt – um den Bayern selbst und um die nächste Selbstdemontage des Regierungsbündnisses.

Von Robert Birnbaum

In der schönen Kunst des Maximal-Radaus ist Horst Seehofer seit jeher einsame Spitze. Am späten Montagabend ist es wieder mal so weit. Seehofer ist Interview-Gast im „Heute-Journal“ und wettert, wie er’s schon den ganzen Tag getan hat, über die CDU: Dass der Ausgang der Landtagswahl in NRW ein „Debakel“ sei, dass er nicht bereit sei, jetzt einfach zur Tagesordnung überzugehen, dass jetzt schnellstens die drei Parteichefs der Koalition sich zusammensetzen und zeigen müssten: „Wir haben verstanden“. „Ich will den Erfolg dieser Koalition“, sagt Seehofer noch, „und keinen Ärger machen.“

Dann ist das Interview zu Ende. Dann plaudert Moderator Claus Kleber noch etwas mit ihm. Aber anders als sonst bleibt die Kamera an. Und so hört und sieht man Seehofer erst so richtig wettern. Über den CDU-Kandidaten Norbert Röttgen klagt er – wie er den beschworen hat, sich auf NRW festzulegen, aber der, „persönlich hat er mich dann abtropfen lassen, die Kanzlerin war ja dabei!“. Alles was schiefläuft, zählt er auf: Wahlniederlage um Niederlage, stockende Koalitionsvorhaben, Inflation am Horizont, die Umsetzung des Fiskalpakts – „das geht mir alles zu zäh!“. Und in Europa: „Ein Wachstumspaket gehört auch dazu! Wir werden mit Schuldenabbau nicht auf Wachstumskurs kommen!“.

Eigentlich schade, sagt Kleber, dass Politiker vor und nach einem Interview immer viel klarer redeten. „Das können Sie alles senden!“, sagt Seehofer.

Nicht nur Seehofer hat vor vermeintlich geschlossenen Mikrofonen gepatzt:

Seither lachen sie sich in Berlin bei der Opposition ins Fäustchen. Grünen-Chefin Claudia Roth kichert: „Man merkt den Angstschweiß vor dem Machtverlust.“ In der Koalition herrscht dafür betretener Zorn. Besser hätte eine Generalattacke auf Schwarz-Gelb nicht mal Sigmar Gabriel hingekriegt. Dass der CSU-Vorsitzende ein eigenes Verständnis von Solidarität in der Union hat – er orientiert sich da am Modell der Einbahnstraße –, ist nichts wirklich Neues. Aber derart auf die aktuell ziemlich wehrlose Schwesterpartei eingedroschen hat er noch nicht.

Die Reaktionen klingen weniger empört als besorgt. „Mein Eindruck war, dass Horst Seehofer einen Beitrag leisten wollte zur Transparenz in der Politik, und das hat er in erfrischender Weise getan“, sagt Peter Altmaier, der Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag. Ansonsten sei das „ein Beitrag unter anderen in der Debatte, wie wir noch erfolgreicher werden können“. Das soll gelassen wirken. Aber die folgende Mahnung – man dürfe nicht das eigene Licht unter den Scheffel stellen – verrät Sorge vor der nächsten Selbstdemontage des Regierungsbündnisses.

"Probleme machen nur die anderen"

„Probleme machen immer die anderen, und die Bayern sind immer bloß Teil der Lösung.“ Seehofers Masche ist bekannt.
„Probleme machen immer die anderen, und die Bayern sind immer bloß Teil der Lösung.“ Seehofers Masche ist bekannt.

© dpa

Auch andere versuchen es mit guten Worten. FDP-Chef Philipp Rösler etwa versichert, dass doch alles längst auf gutem Wege sei. „Wir haben ja gerade einen Koalitionsausschuss gehabt“, sagt Rösler. „Wir haben da sehr gute Ergebnisse gehabt.“ Umgesetzt werde das doch auch, „konsequent“. Unionsfraktionsvize Michael Fuchs klingt fast erschrocken, als er mahnt: „Man sollte das alles bitte ein bisschen runterhängen. Das bringt nichts.“

Seehofer denkt aber nicht ans Runterhängen. „Ich bin gewohnt, für eine Überzeugung zu kämpfen“, verkündet er am Dienstag nach der Kabinettssitzung in München. Das allerdings glaubt ihm in Berlin kaum einer. In einem Punkt ist sich die feixende Opposition nämlich mit den betretenen Koalitionären einig: Seehofer hat soeben mit dicken Glocken den Wahlkampf um Bayern eingeläutet.

Auch er muss ja wie Angela Merkel 2013 um seine Wiederwahl kämpfen. Die Botschaft, die er seinen Wählern jetzt schon einzuhämmern versucht, ist denkbar simpel: Die CSU, also ihr Chef, sieht die Dinge klar – anders als unfähige Typen wie Röttgen, wie Merkel, wie diese ganze Berliner Truppe. Es ist ein Versuch, die CSU zu immunisieren. Und es gibt dafür einen simplen Beleg. Seehofer hat seinen Generalsekretär Alexander Dobrindt beauftragt, einen eigenen Entwurf zur Solarförderung zu schreiben. Bayerisches Genie soll richten, was Röttgen und Rösler verbockt haben – deren Plan hatten auch CDU-Länder im Bundesrat verworfen.

Die Masche, sagt ein CDU-Mann, kenne man ja: „Probleme machen immer die anderen, und die Bayern sind immer bloß Teil der Lösung.“ Seehofer in lauterer Sorge um den Erfolg der Koalition bemüht? „Scheinheilig“ sei das, sagt ein anderer Christdemokrat. „Wer hat denn genau am NRW-Wahltag gedroht, dass er nie mehr zu Koalitionsgipfeln kommt, bevor er nicht sein Betreuungsgeld kriegt?“

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